Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen

Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin  Mollhausen


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zur Nahrung bestimmt waren. Unter ihren Hausgeräten fielen mir besonders die Schüsseln und Töpfe auf, die so kunstvoll und fest aus starken Grashalmen und zähen Weiden geflochten waren, daß sie nicht nur undurchdringlich für jede Flüssigkeit waren, sondern daß diese auch durch Hineinwerfen von glühenden Steinen in denselben zum Sieden gebracht werden konnte. So wie sich diese Indianer der Binsen zur Anfertigung von Fischkörben bedienen, so liefert ihnen dieselbe Pflanze auch das zum Vogelfang notwendige und geeignete Material. Sie fügen nämlich die einzelnen Halme in Gitterwerk, ähnlich großen Falltüren, zusammen und stellen diese in den vorher sorgfältig gesäuberten Gängen der Binsenwaldungen in horizontaler Lage so auf, daß Enten und Gänse bequem unter denselben fortschwimmen können. Die auf dem breiten Wasserspiegel befindlichen Vögel werden dann beunruhigt, jedoch nur gerade so viel, daß sie schwimmend ihre Zuflucht in der Binsenwaldung suchen und, den bequemeren Weg in den Gängen vorziehend, in großer Anzahl unter die dicht aneinandergereihten Falltüren geraten. Plötzlich werden die Tiere zum Auffliegen veranlaßt, sie verwickeln sich in das grüne Gitterwerk und werden dann von den hinzuspringenden Indianern getötet.

      Die Eingeborenen der südlichen Spitze des Tularetales sind fast allgemein unter dem Namen Tejon-Indianer bekannt. Die Bezeichnung ist dem Tejonpaß entnommen, einem Gebirgspaß, der weiter östlich ähnlich der Canada de las Uvas vom Tularetal in das Great Basin führt. Ob nun der Name indianischen Ursprungs ist oder vom spanischen »Tejon«, d. h. Dachs, hergeleitet werden muß, vermag ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls aber ist die allgemeine Bezeichnung Tejon-Indianer dadurch entstanden, daß die amerikanische Regierung im Tejonpaß eine Agentur zum Schutz und zur Zivilisierung der Eingeborenen gründete und infolgedessen den Namen auf alle dort verkehrenden Stämme übertrug.

      Wenn ich hier von Stämmen spreche, so verstehe ich darunter nur noch die letzten Überreste zahlreicher kleiner Nationen, von denen einige durch wenige Familien, andere sogar nur durch ein einziges Mitglied vertreten sind, während von noch anderen nichts als der Name übriggeblieben ist.

      Die Agentur ist im Jahre 1853 gegründet worden, und zwar durch Lieutenant Beale, der im Auftrag seiner Regierung handelte und den Tejonpaß am geeignetsten für solche Zwecke fand. Er zog alle Indianer der Umgegend hier zusammen, versah sie mit Ackergerätschaften und gab ihnen — mit viel Erfolg, wie mir versichert wurde — Anleitung zum Ackerbau und zur Viehzucht. Die Indianer werden indessen dadurch nicht gehindert, zu günstigen Jahreszeiten ihre Jagd- und Fischexpeditionen auch fernerhin nach den Seen zu unternehmen. Das Fort, das in der ganz abgesonderten Cañada de las Uvas, aber ein Jahr später, gegründet wurde, erhielt ebenfalls den Namen der Agentur, hauptsächlich wohl aus dem Grund, weil es zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der ReservationDie den Indianern als unantastbar eingeräumten Ländereien werden in den Vereinigten Staaten »Indian reservation« genannt. und zum Schutz der weißen Ansiedler des Tejonpasses errichtet war.

      Wenig erbaut von den dortigen Eingeborenen kehrten wir nach unserem Lager zurück. Wir trafen an demselben Abend noch unsere Vorkehrungen, um am folgenden Morgen in aller Frühe aufbrechen zu können, und als am 22. November die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne den leichten Reif berührten, der auf der weiten Ebene lag, trabte unsere kleine Karawane schon lustig dem Tejonpaß zu. Da wir nämlich den Militärposten nicht in einem Tag erreichen konnten, so beabsichtigten wir an einer Gebirgsquelle zu übernachten und wichen deshalb etwas östlich von unserer Richtung ab.

      Gegen Mittag gelangten wir an den Fuß der Gebirge, die das Tularetal gegen Südwesten abschließen, und dort an einem Bach, der einer Felsenschlucht entströmt, rasteten wir einige Stunden. Von hier führte unser Weg über eine Reihe von Hügeln an der Mündung des Tejonpasses vorbei, und als es dunkelte, hielten wir vor dem Haus des Mr. Bishop, des Schafzüchters, der die Überwinterung der Kamele kontraktlich von der Regierung übernommen hatte.

      Unter dem waldigen Abhang der abschüssigen Tejonberge liegt das lange, einfache Blockhaus. Echt kalifornischer Geschmack und Einrichtungen verraten sich überall; da sind die mit leichten Bretterdächern versehenen, wändelosen Schuppen und Remisen, die auch als Werkstätten benutzt werden; da sind umfangreiche Einfriedungen, auf zahlreiche Schafherden berechnet, die zugleich als Ställe dienen; da sind große Haufen von wohlriechendem Heu, die durch Wagenladungen von Zweigen und Baumstämmen gegen den Andrang des Viehs geschützt sind — kurz, alles deutet darauf hin, daß der Eigentümer es verstand, auf sinnreiche Weise, ohne Aufwand an Zeit und Kosten, sogar am Rand der Wildnis eine bequeme und zugleich einträgliche Heimat zu gründen. Dabei entbehrt Bishops Farm keineswegs der Vorzüge, die anmutige Umgebung und Lage gewähren; denn wie man im Tal aus weiter Ferne das mit weißem Anstrich versehene Wohnhaus zu erkennen vermag, so bietet sich dem Bewohner desselben die Aussicht über das Tularetal bis dahin, wo der Horizont mit der bläulichen Ebene zusammenfällt, und mittels eines Fernrohrs vermag er seine Herden zu beobachten, die, auf viele Quadratmeilen verstreut, gleichsam eine unbegrenzte Freiheit genießen und dadurch um so besser gedeihen. Wenige Schritte von der Wohnung rieselt im Schatten hoher Eichen eine klare Quelle aus dem steinigen Boden, und um diese herum erblickt man stets Pferde, Kühe, einige verzogene Ziegen und Schafe, Hühner, Truthühner und zwischen allen Haustieren, und ebenso zahm wie diese, zwei mutwillige Elkhirsche. An dem Abend, an welchem wir anlangten, wurde der Charakter der Farm auf eigentümliche Weise durch die von Lieutenant Beale und Lieutenant Torborn zurückgelassenen Dromedare verändert, die mit stoischer Ruhe in der Mitte des Hofs der Ruhe pflegten und für weiter nichts als die unterhaltende Arbeit des Wiederkauens Sinn zu haben schienen. Die beiden Fremdlinge fühlten sich augenscheinlich ganz heimisch in der fremden Umgebung, welche dagegen durch deren Anwesenheit etwas von dem heimatlichen Aussehen eingebüßt hatte. Mr. Bishop empfing uns auf seinem Hof und lud uns sogleich ein, bei ihm zu übernachten. Die Anwesenheit seiner Frau aber, einer jungen, hübschen Amerikanerin (beiläufig, wenn auch nicht gerade zart, gesagt, in dortiger Gegend und zu damaliger Zeit eine fast ebenso seltene Erscheinung wie die Dromedare), veranlaßte uns, die gastfreundliche Aufforderung nur insoweit anzunehmen, daß wir unsere Gesellschaft für den ganzen Abend zusagten, zum nächtlichen Aufenthalt dagegen das Zelt in einem geeigneten Winkel aufschlagen ließen. Nach den ersten Begrüßungen, die gemäß eines sehr lobenswerten Brauches von zeremoniellen, gefüllten Bechern begleitet waren, mußten vor allen Dingen die Dromedare in Augenschein genommen werden, die bei unserer Annäherung ihre Unzufriedenheit über die in Aussicht stehende Störung zu erkennen gaben, indem sie auf mürrische Weise gurgelnde Töne ausstießen. Wie sich nicht anders erwarten ließ, mußten die Tiere, wie gewöhnlich bei der Ankunft von Fremden, ihre Gelehrigkeit dadurch beweisen, daß sie sich auf Befehl niederlegten und wieder aufstanden, wobei es natürlich nicht an der entsprechenden Bewunderung fehlte.

      Ich kann es nicht leugnen: die Anwesenheit der ägyptischen Lastträger auf dem amerikanischen Boden gewährte mir viel Freude, doch unterhielt unseres Negers Erstaunen mich an diesem Abend mehr als alle Kunststückchen, zu denen die armen Tiere fortwährend gequält wurden. Sprachlos vor Erstaunen schritt Louis um die Dromedare herum und besah sie genau von allen Seiten; endlich fand er Worte: »I want to know«, rief er aus, »ich möchte wissen, ob des Niggers Vaterland wirklich das Vaterland dieser schrecklichen Tiere ist.« »Natürlich, Einfaltspinsel!« antwortete Lieutenant Mercer. »Wenn in Afrika ein Neger geboren wird, so setzt man ihn auf ein Kamel, und dann muß er sein ganzes Leben hindurch auf demselben sitzen bleiben!«

      »Mighty strange, mighty strange«, bemerkte Louis, »sehr merkwürdig, aber ich kann’s nicht glauben.« Nach einer Pause fuhr er fort: »Ich möchte wohl der erste Nigger sein, der in Amerika auf einem Kamel gesessen ist!«

      »Das kannst du haben, Freund«, rief Bishop, indem er das größere Dromedar zum Niederknien zwang. »Jetzt stell dich nur hinter dieses, und schwing dich hinauf!«

      Louis machte sich bereit, das Tier aber, nicht gewohnt, sich auf diese Art besteigen zu lassen, wandte seinen Kopf rückwärts, zeigte Louis die langen Zähne und schnob ihn verdrießlich an. Louis zauderte, fragte, ob ihn das »Monster« beißen würde, und als man ihm die Frage verneinte, sprang er hinauf und versuchte sich mit seinen langen Armen an dem breiten Höcker festzuklammern. Kaum berührte er aber den Rücken des Tieres, als dieses, noch ehe er Zeit gewann, sich ins Gleichgewicht zu bringen, wie ein Blitz emporschnellte und durch die ungestüme Bewegung den armen Neger hoch in die Luft schleuderte. Louis’ Schädel kam, als Schwerpunkt der


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