Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen

Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin  Mollhausen


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der hin und wieder durch Fenster und geöffnete Türen auf die Straße fiel, diente mehr zum Blenden als zum Leuchten. Auch die nach dem Regen dick gewordene und mit giftigen Dünsten angefüllte Atmosphäre, die in geringer Höhe über dem marschigen Boden zu lagern schien, veranlaßte mich, früh mein Lager an Bord der »Northern Light« aufzusuchen. Die Morgennebel ruhten noch auf der spiegelglatten Bucht, als wir am folgenden Tag unsere Plätze im Eisenbahnzug einnahmen und die Lokomotive sich langsam der Südsee zu in Bewegung setzte. Der Tag war drückend heiß, selbst die durch die schnelle Bewegung der Wagen erzeugte Luftströmung hatte nichts Erfrischendes und glich mehr einem glühenden Hauch, vor dem man sich gern in einen Winkel rettete. Vier Stunden rollten wir auf der Eisenbahn dahin, einer Eisenbahn, die mit Recht als eine der schlechtesten und gefährlichsten bezeichnet werden kann; auch bewiesen die am Weg zerstreut umherliegenden Trümmer von Wagen, daß dort Unglücksfälle nichts Ungewöhnliches waren. Wie viele Menschenleben aber auf der Landenge von Panama durch Habgier, Spekulation und Gleichgültigkeit hingeopfert wurden, das läßt sich nur ahnen; denn wer auf Panama stirbt, der ist verschollen — sei es nun der vom grimmigen Fieber hingeraffte Eisenbahnarbeiter, dessen rückständigen Lohn seine Brotherren oder, besser gesagt, Käufer sich zueignen, oder sei es der durch unverantwortliche Fahrlässigkeit verunglückte Reisende, dessen Passagegeld sich schon in den Kassen der Dampfschiffahrts-Gesellschaft befindet. Die östliche Hälfte der Eisenbahn hatte ich schon im Jahre 1854 kennengelernt, als ich von San Franzisko kommend nach New York reiste; der westliche Teil erschien mir daher beinahe wie eine Wiederholung der ersteren. Überall erblickte ich dieselbe undurchdringliche tropische Vegetation, deren prachtvolle, frische grüne Schattierung, malerisch durchwebt von dem reizendsten Blumenflor, durch die Regen noch bedeutend gewonnen hatte. An den niedergestochenen Uferwänden zu beiden Seiten der Eisenbahn beobachtete ich auf der ganzen Strecke denselben farbigen Lehmboden, den vielfach Lagen fossiler Seemuscheln durchzogen, der zuweilen aber auch Sandstein durchblicken ließ, welcher wiederum auf den Höhen von Grünstein verdrängt wurde.

      Als ich in Panama den Wagen verließ, befand ich mich augenblicklich in einem dichten Gewühl von Passagieren, die auf die rücksichtsloseste Art gegen ihre Mitreisenden in wütender Eile dem Kai zustürzten. Dort nun lag ein Schleppdampfer, der dazu bestimmt war, Passagiere und Güter zum Dampfboot nach Kalifornien hinüberzuschaffen, das in der Entfernung von einigen Meilen in dem tiefen, ruhigen Wasser zwischen einer Felseninsel und dem Festland vor Anker lag. Es wäre zuviel, das Drängen und Stoßen beschreiben zu wollen, dem ich während einer Stunde ausgesetzt war und das mich mehr für unsere Barometer als für meine eigenen Glieder fürchten ließ. Auf der Landungsbrücke, die weit ins Meer hineinreichte, befand sich ein dichter Knäuel zankender, klagender und suchender Menschen, die sich zeitweise nach den Seiten des Bollwerks drängten, um den auf Eisenbahnschienen heranrollenden Gepäckwagen eine Straße zu öffnen.

      Das Gewühl auf dem Dampfboot meidend, begab ich mich auf einen der unförmigen Kasten, die, beladen mit Gütern und Lebensmitteln, ins Schlepptau genommen wurden. Ich saß dort ziemlich gut und hatte dazu eine freie Aussicht nach allen Richtungen hin, eine Aussicht, die mich reichlich entschädigte für die Unannehmlichkeiten, die ich während meines kurzen Aufenthalts in Panama erfahren hatte.

      »Alle an Bord!« rief endlich der Kapitän des Schleppbootes. »Alle an Bord!« brüllten wilde Stimmen am Ufer. Das Ventil, durch das der Dampf seinen Weg ins Freie fand, schloß sich, und langsam arbeitete das Fahrzeug mit seiner schweren Last ins offene Wasser.

      Das schöne Bild der altertümlichen Stadt, die, umgeben und halb versteckt von dunkelgrüner Vegetation, sich lieblich in dem ruhigen Wasser spiegelte, dehnte sich zu beiden Seiten in dem Maße aus, als die Entfernung bis zum Strand sich vergrößerte. Tiefblaue Bergkuppen tauchten im Hintergrund auf, die Felsvorsprünge schienen in der Ferne weiter ins Meer hineinzureichen, und zahlreicher wurden die Inselchen und Klippen, die sich allmählich in das Bild hineindrängten. Über dieser ganzen Landschaft nun hing der tropische Regenhimmel mit seinen schweren, lichtumsäumten Wolken, die sich träge dahinwälzten; und wie die Beleuchtung in einem Bild jedesmal den Eindruck desselben bestimmt, so schien auf der in Schatten gehüllten Landschaft von Panama eine melancholische Ruhe zu schweben, eine Ruhe, die unterbrochen wurde von einzelnen Sonnenstrahlen, welche durch kleine Öffnungen im Gewölk ihren Weg an die grünen Abhänge der Hügel fanden und langsam an denselben hinschlichen.

      Auf der anderen Seite befand sich das offene Meer; am fernen Horizont zeigten sich einzelne Segel; kleine Küstenfahrer kreuzten in allen Richtungen, und nicht weit von unserem Dampfboot lag, um mich eines dort gelernten Seemannsausdrucks zu bedienen, »leicht und zierlich aufgeschürzt wie eine Jungfrau« eine Kriegskorvette der Vereinigten Staaten, sich auf den Wellen nachlässig schaukelnd. — Seit den Unruhen, die zwischen den Kalifornienreisenden und den Eingeborenen auf dem Isthmus stattgefunden hatten, war nämlich vor Panama sowie vor Aspinwall ein bewaffnetes Fahrzeug stationiert worden, um den Reisenden nötigenfalls Schutz gegen die Eingriffe der dortigen Bevölkerung gewähren zu können.

      Mit einem gewissen Widerwillen ging ich an Bord der »Panama«, des Dampfbootes, das uns nach Kalifornien bringen sollte. Obgleich dasselbe kein unsicheres Fahrzeug war, so hatte man es doch seiner Langsamkeit wegen, mehr aber noch wegen fühlbaren Mangels an Raum auf demselben, durch ein größeres und schnelleres Dampfboot ersetzt und bereits drei Jahre lang unbenutzt im Hafen liegen lassen. Als sich nun plötzlich den Eignern Gelegenheit bot, das Fahrzeug zum Oregon-Verkehr auf vorteilhafte Weise verwenden zu können, schickten sie einen Kapitän und eine Mannschaft von San Franzisko, um das alte Schiff und in demselben die von New York angekommenen Reisenden nach Kalifornien zu bringen. Es sollten also die 600 Passagiere der »Northern Light« auf Räumlichkeiten beschränkt werden, die nur auf die Hälfte dieser Zahl berechnet waren.

      Eine Seereise, die statt der gewöhnlichen dreizehn oder vierzehn Tage volle drei Wochen dauert, wird durch diesen Umstand allein schon unangenehm; ist man aber in engem Raum mit so vielen fremden und dazu noch mit teilweise charakterlosen und unsauberen Menschen zusammengepfercht, so wird eine solche Reise fast unerträglich. Auf der »Panama« gesellte sich noch zu diesen Übelständen, daß wir während der ersten zehn Tage und besonders vor dem Golf von Tehuantepec mit den heftigsten Nordweststürmen zu kämpfen hatten und daß die anhaltenden Regen fast alles auf dem unvollkommen eingerichteten Verdeck durchnäßten. Erst von Acapulco aus, wo wir Kohlen einnahmen und wo wir die nördliche Grenze der Regenzeit überschritten, begünstigte uns wieder besseres Wetter. So arbeitete sich die »Panama« langsam an der Küste von Kalifornien hinauf, und aus vollem Herzen begrüßte ich endlich am 22. Oktober die Golden Gate und hinter dieser Felsenpforte den Hafen und die Stadt von San Franzisko.

      Dr. Newberry, ein Amerikaner, der als Arzt und Geologe der Colorado-Expedition angehörte, und Herr von Egloffstein, ein Bayer, der als Topograph mit uns demselben Ziel zueilte, waren schon von New York aus meine Gefährten gewesen. Beide waren alte Reisende, und wir hatten manche Stunde auf dem einsamen Ozean, inmitten einer geräuschvollen Umgebung, damit hingebracht, Erzählungen früherer Erlebnisse in den Urwildnissen gegenseitig auszutauschen, dann aber auch unsere verschiedenen Ansichten über das von uns zu durchforschende Terrain aufzustellen und zu verteidigen. Schon aneinander gewöhnt und geleitet von demselben Interesse, trennten wir uns auch in San Franzisko nicht und bezogen daher zusammen das uns empfohlene Metropolitan-Hotel, wo wir mit noch zwei anderen Mitgliedern der Expedition, Mr. Taylor und Mr. Booker, zusammentrafen. Beide Herren waren noch vollständig unbekannt mit dem Leben im Feld und schienen daher mit ganzer Seele für die kommenden interessanten Zeiten zu schwärmen, ohne zu ahnen, daß bei dergleichen Unternehmungen nur zu oft die gesammelten Erfahrungen und die Rückerinnerungen das einzige Angenehme sind; und letztere auch nur dann, wenn man nach einer glücklichen und erfolgreichen Reise nicht den Verlust eines guten Kameraden oder auch der eigenen Gesundheit zu beklagen hat.

      Die Vorbereitungen fanden wir so weit gediehen, daß unsere Gesellschaft, die durch Mr. Peacock, unseren Trainmaster,Der Trainmaster führt die Oberaufsicht über den ganzen Train und überwacht zugleich die Austeilung der Lebensmittel. und Herrn Bielawski, unsern Hydrographen, vervollständigt war, zu gleicher Zeit in den ersten Tagen des November von San Franzisko aufbrechen konnte. Lt. Ives beabsichtigte, in der Begleitung des Maschinenmeisters Mr. Carrol, eines Schmieds, eines Zimmermanns und einiger Bootsleute, in dem Schoner, auf dem sich unser Dampfboot, die Lagerequipage und Lebensmittel


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