Die Nilbraut. Georg Ebers

Die Nilbraut - Georg  Ebers


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von meinem Vater. Als dieser Dionys seinen Sohn nach Athen auf die hohe Schule schickte, setzte er sich hin und begann für ihn ein Buch über alles zu schreiben, was ein Student auf der Universität thun und lassen soll. Er widmete sich dieser Arbeit mit allem Eifer, und als er nach vier Jahren das: ›So wäre denn dies Buch glücklich zu Ende,‹ unter das letzte Blatt der Rolle setzte, kehrte der Jüngling, dessen Studium das Werk zu leiten bestimmt war, als fertiger Gelehrter nach Kyrene zurück.«

      »Und so hätten wir unsere Freundschaft geschlossen...«

      »Und alles für ein künftiges Bündnis schön vorbereitet, um sehr bald auseinander zu gehen.«

      Da schlug Philipp heftig auf das Tischchen vor seinem Lager und rief: »Das werd’ ich zu verhindern wissen! Doch vertraue mir nun, was es zwischen Dir und denen da unten wieder gegeben?«

      »Du erfährst es zeitig genug.«

      »Und wer da denkt, daß man Dir mir nichts dir nichts den Stuhl vor die Thür setzen darf und daß damit auch zwischen uns alles vorbei ist, der könnte sich irren!« rief der Arzt, und seine Augen begannen zornig zu funkeln. »Ich habe hier im Haus auch ein Wort mitzureden, und so weit sind wir noch lange nicht, so weit darf es überhaupt niemals kommen. Verlassen sollst Du sie, ja! Aber nur freiwillig und mit hoch erhobenem Haupte...«

      Hier wurde die Thür des ersten Krankenzimmers schnell geöffnet, und im nächsten Augenblick stand Orion in dem Nebensaale, blickte die beiden, welche das Mahl vor kurzem beendet, erstaunt und befremdet an und sagte finster: »Ich seh’, daß ich störe.«

      »Durchaus nicht,« versetzte der Arzt; der Jüngling aber empfand, daß es geschmacklos und wenig am Platze sein würde, seinem eifersüchtigen Mißbehagen Ausdruck zu geben, und erwiderte lächelnd: »Wem es gestattet gewesen wäre, dies Symposion als dritter mitzugenießen!«

      »Wir genügten einander vollkommen,« entgegnete der Arzt.

      »Dem wäre die Seligkeit gewiß, der an alle Lehren der Kirche so leicht zu glauben vermöchte wie an diese Behauptung,« lachte Orion. »Ich bin sonst kein Spaßverderber, meine Verehrten, aber diesmal, es thut mir aufrichtig leid, muß ich dennoch den Störenfried spielen. Es handelt sich,« und nun war es ihm wieder vergönnt, von dem scherzhaften Tone zu lassen, der seiner Stimmung nur zu übel entsprach — »es handelt sich um eine wichtige Sache. Sie betrifft zunächst Deinen Freigelassenen, meine schöne Feindin.«

      »Ist Hiram zurück?« fragte Paula und fühlte dabei, daß sie bleich ward.

      »Sie brachten ihn ein,« versetzte Orion. »Der Vater hat die Richter sogleich zusammenrufen lassen. Bei uns hat die Justiz hurtige Beine. Der Mann thut mir leid, doch ich kann nicht hindern, daß sie ihren Lauf nimmt. Dich muß ich bitten, Dich zum Verhör einzustellen, wenn man Dich ruft.«

      »Man soll die volle Wahrheit erfahren,« entgegnete Paula fest und streng.

      »Natürlich,« versetzte Orion. Dann wandte er sich an den Arzt: »Dich, trefflicher Aeskulap, möcht’ ich bitten, meine Verwandte und mich einen Augenblick allein zu lassen. Ich habe ihr einen Rat zu erteilen, der ihr sicherlich zum Vorteil gereicht.«

      Philippus blickte die Freundin fragend an, sie aber versetzte laut und entschieden: »Ich habe kein Geheimnis mit Dir; was ich hören soll, kann auch dieser vernehmen.«

      Da zuckte Orion die Achseln und wandte sich zum Gehen; doch vor der Schwelle kehrte er um und rief erregt und voll wirklicher Besorgnis:

      »Wenn Du mich nicht um Deinetwillen anhören willst, so thu es, wie übel Du mir auch gesinnt bist, weil ich Dich anflehe, mir diese Gunst nicht zu versagen. Es handelt sich um das Leben des einen und um das Glück, die Ruhe eines andern Menschen. Sage nicht nein, ich fordere nichts Unbilliges, Philippus! Erfülle meinen Wunsch und laß uns einige Augenblicke allein!«

      Abermals fragten die Augen des Arztes die Jungfrau und diesmal entgegnete sie: »Geh!« und ihr Freund entfernte sich sogleich.

      Da zog Orion die Thür zu und rief mit fliegendem Atem:

      »Was hab’ ich Dir gethan, Paula, daß Du mich seit gestern wie einen Aussätzigen fliehst, daß Du darauf ausgehst, mich ins Unglück zu stürzen?«

      »Ich denke für das Leben eines treuen Dieners einzutreten, nichts weiter,« entgegnete sie gelassen.

      »Auf die Gefahr hin, mich zu verderben?« versetzte Orion bitter.

      »Auf diese Gefahr hin, wenn Du den fluchwürdigen Mut findest, die eigene Schuld auf den redlichen Mann zu wälzen.«

      »Du hast mich in der vergangenen Nacht belauscht!«

      »Nur der Zufall fügte es, daß ich Dich aus dem Tablinum...«

      »Ich forsche jetzt nicht, was Dich so spät dahin führte,« unterbrach sie der Jüngling. »Denn es widersteht mir, von Dir etwas anderes als das Beste, das Höchste zu glauben. Aber Du? Was hast Du anderes von mir erfahren als Freundschaft, ja — verbergen, verstecken wäre hier Thorheit — als was der Liebende der Geliebten...«

      »Der Liebende?« fiel ihm Paula empört ins Wort. »Der Liebende, wagst Du zu sagen, Du, der Hand und Herz einer andern geboten, Du, der...«

      »Wer sagt Dir das?« fragte Orion dumpf.

      »Deine eigene Mutter.«

      »Das! Also das?« rief der Jüngling und faltete die Hände krampfhaft fest in einander. »Nun erst versteh’ ich, begreif’ ich... Aber halt... Wenn es das ist, was Dich zum Haß, zur Verfolgung gegen mich reizt, dann mußt Du mich lieben, dann liebst Du mich, Mädchen, und dann, Du hohes, einziges Wesen...«

      Damit streckte er die Hand nach ihr aus, sie aber stieß sie zurück und rief mit bebender Stimme:

      »Irre Dich nicht! Ich gehöre nicht zu den schwachen Lämmern, gegen die Du Deine Gaben und Vorzüge mißbraucht hast und die sich beeilten, Dir die Hände zu küssen. Ich bin des Thomas Tochter, und der Bräutigam einer andern, den es auf dem Weg zur Hochzeit nach meiner Umarmung gelüstet, der wird zu seinem Schaden erfahren, daß es Frauen gibt, die seine verruchten Wünsche zurückzuweisen und den Schimpf, der ihnen zugedacht war, zu strafen verstehen. Fort nun zu Deinen Richtern. Du, falscher Ankläger, nennst meinen Hiram, ich aber nenne Dich, Dich, den Sohn dieses Hauses, den Dieb. Sehen wir zu, wem sie glauben!«

      »Mir!« versetzte Orion und seine Augen begannen nicht weniger empört und vernichtend zu glühen wie die ihren. »Mir, dem Sohn des Mukaukas! O, daß Du kein Weib wärest! Auf die Kniee wollt’ ich Dich nieder drücken und Dich zwingen, mich um Vergebung zu bitten! Wie darfst Du es wagen, auf einen Mann, dessen Wandel bisher so makellos rein war wie Dein weißes Gewand, mit dem Finger zu weisen, als ob er ein Nichtswürdiger wäre? Ja, ich bin in das Tablinum gegangen, ich habe den Smaragd aus dem Teppich gerissen, aber es ist in übermütiger Laune geschehen und in dem Bewußtsein, des Vaters Gut sei das meine. Fortgeschleudert hab’ ich dann den Stein, einer wunderlichen Liebhaberei, einem flüchtigen Einfall zu gefallen. Verflucht sei die Stunde, in der es geschehen ist, nicht um der That selber, sondern um der Folgen willen, die sie nach sich ziehen kann durch Deinen wahnsinnigen Haß; Eifersucht, kleine, unwürdige Eifersucht ist es, die ihn erzeugte! Und gegen wen ist sie gerichtet?«

      »Gegen niemand, auch nicht gegen Deine Braut Katharina,« versetzte Paula mit erzwungener Ruhe. »Was bist Du mir noch, daß ich, um Dir eine Demütigung zu ersparen, das Leben des bravsten Mannes aufs Spiel setzen möchte? Es bleibt dabei: die Richter sollen entscheiden.«

      »Nein, sie sollen es nicht!« brauste Orion von neuem auf, »wenigstens nicht in Deinem Sinne! Hüte Dich, hüte Dich, mich zum Aeußersten zu treiben. Noch seh’ ich in Dir das Weib, das ich liebte, noch biete ich auf, was in meiner Macht steht, auch für Dich alles zum Besten zu wenden...«

      »Für mich? So bin auch ich bestimmt, Deine Schuld mit zu tragen?«

      »Hast Du vorhin da unten Gebell vernommen?«

      »Ich hörte kläffende Hunde.«

      »Nun wohl, der Freigelassene ist eingebracht worden, die Meute hatte seine Witterung gewonnen


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