Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
Leben bliebe, wäre es ein Wunder, da doch dieser Diener gleich starb, und dieser junge Mann sein Auge verloren hat;« er fing dann an zu weinen und ich mußte mit ihm weinen. Nach einer Weile schrie die Prinzessin wieder: »Das Feuer! das Feuer!« und siehe da, ein Funken blieb an ihrem Kleide hängen zwischen ihren Füßen, dann zog er sich zwischen ihre Lenden, sie schrie dabei immerfort: »Das Feuer! das Feuer!« Nun ergriff es ihre Brust und sie schrie dabei immerfort, bis sie ganz verbrannte und zu einem Haufen Asche geworden war. Und bei Gott, meine Gebieterin! ich wurde sehr betrübt darüber und wünschte, lieber ein Hund oder ein Affe geblieben, oder gar gestorben zu sein, um nur nicht die Prinzessin nach so vielen Kämpfen sterben zu sehen.
Als der Vater sie tot sah, schlug er sich ins Gesicht, ich tat dasselbe und rief die Diener herbei, die sehr erstaunt waren, den Sultan in einem bewußtlosen Zustande neben zwei Haufen Asche zu sehen. Sie umgaben den König, bis er wieder zu sich kam, und er erzählte ihnen, was seiner Tochter widerfahren war. Ihr Jammer war sehr groß; sie hielten sieben Trauertage, bauten ein Grabmal über die Asche der Prinzessin, die Asche des Geistes streuten sie aber in die Luft. Der Sultan war einen Monat krank, dann näherte er sich der Genesung, sein Bart wuchs wieder und Gott schrieb ihn unter die Geretteten ein. Er ließ mich dann rufen und sagte mir: »Höre, junger Mann, was ich dir sage, gehorche mir aber, sonst bist du des Todes!« Als ich ihm versprach, zu tun, was er befehlen würde, fuhr er fort: »Höre! wir brachten unsre Zeit im angenehmsten Leben zu und waren sicher vor allen Launen des Schicksals, bis deine unselige Gegenwart uns Unglück brachte; da verlor ich meine Tochter um deinetwillen, auch mein Diener wurde getötet, nur ich entging allein dem Tode. Durch dich ist all dies geschehen! Seitdem wir dich gesehen, ist aller Segen verschwunden. O, wäre es doch nie geschehen! Nun wünschte ich, da du doch nur unsrem Untergang deine Rettung zu verdanken hast, daß du in Frieden unser Land verlassest; denn sollte ich dich einst wieder schauen, so brächte ich dich um!«
Da er mir dies in einem heftigen Tone sagte, ging ich weinend aus der Stadt. Ich war halb blind, sah und hörte nichts, wußte nicht, wohin ich mich wenden sollte. Ich rief alles, was mir widerfahren, in mein Gedächtnis zurück: wie ich als Affe in die Stadt gezogen war und nun als Mensch in einem solchen Zustande sie verließ; dies alles machte mich sehr traurig. Aber ehe ich aus der Stadt heraus war, ging ich noch in ein Bad, ließ mir meinen Bart und meine Augenbrauen abscheren, hing dann einen schwarzen Sack um und ging planlos vor mich hin, Noch, o Gebieterin! denke ich jeden Tag an den unglücklichen Tod der Prinzessin und an den Verlust meines Auges, dann weine ich heftig und spreche folgende Verse:
»Ich verlor die Besinnung; Das Unglück kam ganz unerwartet, doch kennt gewiß der Barmherzige meine Lage; ich habe daher Geduld, bis Gott anders über mich verfügen wird, so bitter auch mein Schicksal sein mag.«
Ich durchreiste nun viele Länder, um nach Bagdad zu kommen, wo ich hoffte, jemanden zu finden, der mich dem Fürsten der Gläubigen vorstellen werde, damit ich ihm meine Geschichte erzählen könnte. Ich kam nun diese Nacht an, fand meinen Bruder hier stehen, grüßte und fragte ihn, ob er auch ein Fremder sei? Nach einer Weile kam dieser Dritte, der uns ebenfalls so anredete; so gingen wir miteinander, bis uns die Nacht überfiel. Das Schicksal trieb uns dann zu euch. Dies ist die Ursache des Verlustes meines Auges und des Abscherens meines Bartes.« Da sagten die Frauen: »Rette dein Leben und gehe!« Er aber erwiderte: »Bei Gott! ich weiche nicht, bis ich höre, was den übrigen geschehen.« Man entfesselte ihn hierauf und er stellte sich neben den ersten.
Geschichte des dritten Kalenders
Der dritte Kalender sprach hierauf: Gebieterin! meine Geschichte ist nicht wie die der andern, sondern viel wunderbarer und befremdender; aber sie enthält auch die Ursache meines ausgestochenen Auges und abgeschorenen Bartes. Denn während meine Freunde vom Schicksal und der Bestimmung überfallen wurden, habe ich mir selbst ein trauriges Geschick bereitet. Mein Vater war nämlich ein mächtiger, angesehener König, und nach seinem Tode erbte ich sein Reich. Unsere Stadt war sehr groß, das Meer dehnte sich neben ihr aus und es waren in der Nähe mitten im Meere viele große Inseln. Mein Name war: König Adjib, Sohn des Königs Haßib. Ich hatte für meinen Handel fünfzig Schiffe auf dem Meere, fünfzig kleinere zur Belustigung und dabei noch fünfzig Kriegsschiffe. Als ich einmal eine Spazierfahrt nach den Inseln machen wollte, nahm ich auf einen Monat Lebensmittel mit, begab mich auf die Reise, belustigte mich einen Monat lang und kehrte dann wieder in mein Land zurück. Hierauf bekam ich Lust zu einer zweiten Reise, und diesmal nahm ich Proviant auf zwei Monate mit, und so gewöhnte ich mich an Seereisen, bis ich einst mit zehn Schiffen auslief und 40 Tage lang immer fort segelte; da kamen aber in der 41. Nacht heftige Gegenwinde, das Meer trieb uns mächtige Wogen entgegen, und schon verzweifelten wir an unserem Leben, denn es war ganz finster um uns. Da dachte ich: Wer sich in Gefahr begibt, verdient kein Lob, wenn er auch glücklich durchkommt. Wir flehten und beteten zu Gott; der Wind blies bald von dieser, bald von jener Seite und die Wellen schlugen immerfort gegen unser Schiff, bis der Morgen heranbrach, da legte sich endlich der Wind und das Meer ward wieder klar. Nach einer Weile schien die Sonne und das Meer lag ruhig, wie das Blatt eines Buches, vor uns; wir näherten uns dann einer Insel und bestiegen das Land, kochten, aßen, tranken und verweilten zwei Tage dort, dann reisten wir wieder zehn Tage lang; das Meer dehnte sich jeden Tag weiter vor uns aus und wir entfernten uns immer mehr vom Lande, so daß der Lenker des Schiffes zuletzt die Küste gar nicht mehr kannte. Er sprach nunmehr zu dem Späher: »Steige auf den Mastkorb und sieh dich einmal um!« Der Späher ging hinauf, blieb eine Weile oben und sah sich um, kam dann wieder herunter und sagte: »O Hauptmann! ich habe zu meiner Rechten nichts als den Himmel über dem Wasser gesehen, und zu meiner Linken sah ich vor mir etwas Schwarzes leuchten, sonst aber nichts.« Als der Hauptmann dies hörte, warf er seinen Turban vom Kopfe, riß sich den Bart aus, schlug sich ins Gesicht und sagte weinend: »O König, wir sind alle verloren, es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer beim erhabenen Gott.« Er weinte dann lange und wir weinten mit ihm; hierauf sagten wir: »O Hauptmann, erkläre uns doch die Sache ein wenig!« Da sprach er: »Mein Herr, von dem Tage an, wo der Sturm so heftig war, sind wir vom rechten Wege abgeirrt und nun können wir nicht mehr zurückkehren; morgen gegen Mittag werden wir an einen schwarzen Berg kommen, der aus einem Mineral besteht, das Magnet heißt. Das Wasser wird uns mit Gewalt an diesen Berg hintreiben, das Schiff wird zerschellen und jeder Nagel wird sich am Berge befestigen, denn der erhabene Gott hat dem Magnetsteine die Kraft verliehen, das Eisen anzuziehen; am Berg ist viel Eisen, denn mit der Zeit ist der größte Teil desselben durch die vielen Schiffe, die vorüberfuhren, damit bedeckt worden. Auf dem Gipfel des Berges ist eine Kuppel aus andalusischem Messing, die von zehn messingenen Säulen getragen wird; auf der Kuppel ist ein messingenes Pferd und ein messingener Reiter, auf der Brust des Reiters ist eine bleierne Tafel, auf der viele Eidesformeln gemalt sind.« Der Hauptmann setzte dann noch hinzu: »Dieser Reiter ist‘s, der alles tötet, sobald der fällt, werden die Menschen Ruhe haben.« Er weinte dann wieder heftig und wir sahen unsern Untergang mit Gewißheit vor uns und bangten um unser Leben. Einer nahm vom anderen Abschied, jeder von uns übergab dem anderen sein Testament für den Fall, daß einer gerettet würde; wir schliefen die ganze Nacht nicht. Gegen Morgen waren wir dem Magnetberge sehr nahe und gegen Mittag schon am Fuße des Berges. Da trieb uns das Wasser mit Gewalt hin, und sogleich zerschellten die Schiffe, die Nägel fuhren heraus und flogen gegen den Berg und befestigten sich darin, manche von uns ertranken, andere kamen davon, doch unter diesen Letztern wußte einer vom anderen nichts. So, ihr Frauen, hat auch mich Gott zu meiner Qual und meinem Elend gerettet! Ich bestieg nämlich ein Brett vom Schiffe, der Wind trieb es gegen den Berg, ich fand einen Pfad, der, wie eine Treppe mit ausgehauenen Stufen, auf die Höhe des Berges führte.
Als ich diesen Pfad erblickte, nannte ich den Namen Gottes und stieg langsam den Berg hinan. Der erhabene Gott half mir ihn ersteigen, ich kam glücklich auf den Gipfel, freute mich sehr über meine Rettung und trat in die Kuppel, wusch mich hier, betete und dankte Gott, der Gefahr entronnen zu sein. Als ich unter der Kuppel einschlief, hörte ich eine Stimme zu mir sagen. »O Adjib! wenn du von deinem Schlafe erwachst, grabe unter deinen Füßen, dort wirst du einen kupfernen Bogen und drei bleierne Pfeile finden, auf denen mancherlei Talismane gemalt sind. Nimm den Bogen und die Pfeile, stürze damit den Reiter von seinem Pferd ins Meer; wenn dann das Pferd neben dir hinfällt, so begrabe es an dem Orte, wo der Bogen gelegen. Auf solche Weise wirst du die Welt von diesem großen Unheil befreien. Wenn du dies