Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
die auf die Birnen bezüglichen Verse, sowie die Worte: »dann sah ich eine Quitte, auf welche folgende Verse passen.«
Ich bemerkte auch Aprikosen, die dem Auge so wohl gefallen wie Rubin, ging dann aus diesem Garten und verschloß die Türe. Am folgenden Morgen öffnete ich eine andere Türe; hier sah ich einen großen Platz, in dessen Mitte ein Bach einen Kreis bildete, und rings umher waren allerlei wohlriechende Blumen gepflanzt: Rosen, Jasmin, weise Rosen, Narzissen, Veilchen, Levkojen, Anemonen und Lilien; es wehte gerade ein leiser Wind über diese Blumen, so daß der ganze Raum mit Wohlgerüchen angefüllt war; ich unterhielt mich hier und fing an, meinen Kummer zu vergessen. Als ich fortging, schloß ich auch diese Türe und öffnete eine dritte. Hier fand ich einen großen Saal mit verschiedenem Marmor und anderen kostbaren Steinen durchschnitten. Es waren Käfige von Sandel— und Aloeholz darin mit singenden Vögeln, Nachtigallen, Ringeltauben, Turteltauben und noch vielen anderen Tieren. Hier ward mir ganz wohl und mein Kummer verließ mich. Ich ging schlafen und am folgenden Morgen öffnete ich die vierte Türe. Hier stand ein großes Haus mit vierzig Schatzkammern rings herum, alle mit offenen Türen. Ich ging hinein und sah Perlen, Smaragd, Rubin, Karfunkel und ganze Haufen von Silber und Gold; mir schwindelte der Kopf, als ich so viele Reichtümer sah und dachte, solche Schätze können nur großen Königen gehören, und ich glaube, daß wenn alle Könige der Erde sich vereinigten, sie nicht einmal so viele zusammenbringen könnten. Ich ward ganz heiter und dachte: Jetzt bin ich der König meiner Zeit, der Herr so mannigfaltiger Dinge, Reichtümer und Mädchen, die niemand außer mir hat. So, meine Gebieterin! brachte ich meine Tage und meine Nächte zu, bis neununddreißig Nächte vorüber waren, es blieb also nur noch ein Tag übrig; schon hatte ich alle neunundneunzig Türen geöffnet, und es war die hundertste allein, die man mir eben verboten hatte. Diese verschlossene Türe beunruhigte und quälte mich, der Teufel bemächtigte sich meiner und ich hatte nicht Kraft genug, zu widerstehen. Zwar blieb nur noch eine Nacht übrig, dann wären die Mädchen zurückgekehrt, um wieder ein ganzes Jahr bei mir zu bleiben.
Aber der Teufel überwältigte mich, ich öffnete die mit rotem Golde beschlagene Tür; als ich hineintrat, umfing mich ein so feiner und zugleich starker Geruch, daß ich zu Boden stürzte. Ich machte mir aber wieder Mut und ging vollends in diese Schatzkammer hinein, deren Boden mit Safran bestreut war; ich fand wohlriechende Wachskerzen und silberne und goldene Lampen, in denen die feinsten Öle brannten; die Wachskerzen waren mit Ambra und Aloeholz besteckt; dann sah ich zwei große Rauchfässer, wie ein Waschbecken, mit Kohlen und Weihrauch, aus denen der Dampf des Moschus und Safran in die Höhe stieg. Ich bemerkte dann auch ein Pferd, so schwarz und schwärzer noch als die Nacht; vor ihm war eine Krippe von weißem Kristall, auf der einen Seite lag geschälter Sesam und auf der anderen stand Rosenwasser. Das Pferd hatte einen Zaum an und war mit einem goldenen Sattel bedeckt. Dies Pferd erregte bei mir das größte Staunen, ich dachte, es müsse eine hohe Bedeutung haben. Der Teufel trieb mich dann wieder an, und ich führte das Pferd ins Freie und bestieg es; es wich aber nicht von der Stelle; ich spornte es und es bewegte sich nicht, darüber geriet ich in Zorn und schlug es mit der Peitsche; als es den Hieb fühlte, da wieherte es wie der Donner, schlug zwei Flügel auf und flog dann mit mir vom Schlosse weg in die Luft, bis man es nicht mehr sehen konnte. Es ließ sich dann mit mir auf dem Dach eines Schlosses nieder, schüttelte mich von seinem Rücken ab, schlug mir heftig mit dem Schweife ins Gesicht, so daß mein Auge auf meine Wange auslief und ich halbblind war. Ich sagte: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer beim erhabenen Gott!« So hatte ich nicht geruht, bis ich wie die übrigen jungen Leute geworden. Als ich vom Dache herunter ins Schloß stieg, fand ich die zehn blau überzogenen Sofas; und siehe da, es war das Schloß der zehn halbblinden Jünglinge, deren Rat ich nicht befolgt. Ich hatte mich kaum auf einem dieser Sofas niedergelassen, da kamen auch schon die Jünglinge mit dem Alten herbei.
Als sie mich sahen, sagten sie weder Willkomm noch Gruß dem Gaste, sondern die Worte: »Bei Gott, wir beherbergen dich nicht mehr, denn auch du bist nicht der Gefahr entronnen.« Ich erwiderte ihnen: »Es geschah so, weil ich nicht ruhte, bis ich euch nach der Ursache eurer beschmierten Gesichter gefragt hatte.« Sie aber sagten: »Es ging einem jeden von uns wie dir: auch wir hatten das schönste und angenehmste Leben und konnten uns nicht vierzig Tage gedulden, um dann wieder ein Jahr zu essen, zu trinken und uns zu belustigen, auf seidenen Stoffen zu schlafen, den Wein aus kristallnen Gefäßen zu schlürfen und an einem schönen Busen auszuruhen, wir begnügten uns nicht in unserem Übermute, bis unsere Augen ausgeschlagen waren, und nun weinen wir über das, was vorüber ist.« Ich sagte ihnen dann: »Nehmt mir nicht übel, da ich doch nun Euresgleichen bin, so reicht mir die rußigen Schüsseln, daß ich auch mein Gesicht schwärze«, wobei ich heftig weinte. Sie sprachen aber: »Bei Gott, wir beherbergen dich nicht, du kannst nicht bei uns bleiben, ziehe fort nach Bagdad, dort findest du vielleicht Hilfe gegen dein Mißgeschick.«
Nun war mir sehr bang, als mich diese fortjagten, ich überdachte alles Unglück, das mir widerfahren, wie ich den jungen Mann getötet und meinen sonstigen Gram und Kummer und sagte: »Es ist wahr, es war mir wohl, da ließ mir mein Übermut keine Ruhe.« Nun ward ich so verzweifelt, daß ich meinen Bart nebst meinen Augenbrauen abscheren ließ, der Welt entsagte und als halbblinder Kalender ins Land Gottes wallfahrtete. Gott ließ mich nun glücklich diesen Abend nach Bagdad gelangen, wo ich diese beiden fand, die nicht wußten, wohin sie wollten; ich grüßte sie und sagte ihnen, daß ich fremd wäre; sie sagten, auch sie wären Fremde; so trafen wir drei Halbblinde am rechten Auge zu unserm größten Erstaunen zusammen. Dies, o meine Gebieterin! ist die Ursache, warum ich mein Auge verloren und meinen Bart abgeschoren habe.
Da sprach das Mädchen: »Dein Leben ist dir geschenkt, ziehe fort mit deinen Kameraden und dem Träger;« aber alle riefen: »Bei Gott! wir weichen nicht von hier, bis wir die Geschichte unserer Gefährten hier vernommen.« Das Mädchen wandte sich jetzt zum Kalifen, zu Diafar und Masrur, und sagte zu ihnen: »Erzählt mir eure Geschichte!« Da entgegnete Diafar: »Wir sind aus Mosul und kamen mit Waren hierher; als wir in eurem Land einkauften und verkauften, lud uns diese Nacht einer eurer Kaufleute zu einer Mahlzeit, zugleich aber auch von unserer Gesellschaft alle, die in demselben Wirtshause wohnten. Wir gingen zu ihm und brachten eine schöne Zeit bei ihm zu; der Wein war klar, der Saal hübsch, nicht minder die Sängerinnen. Man hatte von verschiedenem gesprochen, da kam es zu einem lauten Wortwechsel zwischen den Gästen; der Polizeibeamte erschien, nahm einige von uns fest, während andere die Flucht ergriffen. Zu letzteren gehörten auch wir; fanden aber das Haus geschlossen, das erst des Morgens wieder geöffnet wird. Nun waren wir in Verlegenheit und wußten nicht, wohin wir uns wenden sollten, auch fürchteten wir, von der Polizei eingeholt und festgenommen zu werden, was unserm Rufe hätte schaden können. Nun leitete uns das Geschick zu euch; wir hörten schönen Gesang und fröhliches Gespräch und dachten, daß hier ein großes Fest gehalten würde, wo viele Leute beisammen sind, und entschlossen uns, einzutreten, um euch unsere Dienste anzubieten und die Nacht bei euch angenehm zu vollenden. Ihr glaubtet uns, waret so gütig, uns einzulassen, und seid sehr gefällig und achtungsvoll gegen uns. Jetzt wißt ihr, warum wir hierher gekommen.« Da riefen die Kalender: »Wir wünschen sehr, o Gebieterin! daß du uns diese drei Leute schenktest, damit wir alle gut von hier entlassen werden.« Das Mädchen wandte sich sogleich zu der ganzen Gesellschaft und sprach: »Es sei so!« und alle gingen nun fort aus dem Hause.
Der Kalif fragte dann die Kalender, wo sie hin wollten, da doch die Morgenröte noch nicht angebrochen sei. Jene antworteten: »Bei Gott, wir wissen es nicht.« Da versetzte er: »Kommt, schlaft bei uns.« Der Kalif sagte dann heimlich zu Djafar: »Diese Leute werden bei dir übernachten, morgen aber bringe sie zu mir, damit wir eines jeden Geschichte und Abenteuer aufzeichnen.« Djafar befolgte den Befehl des Kalifen. Dieser ging in sein Schloß, konnte aber vor vielem Nachdenken über die Geschichte der Kalender nicht schlafen, die Königssöhne waren, und sich nun in einem solchen Zustande befanden. Auch war er sehr mit der Geschichte der Frau mit den schwarzen Hündinnen, so wie der andern, mit der Peitsche geschlagenen, beschäftigt. Er konnte nicht schlafen und den Morgen kaum erwarten, wo er sich dann auf den Thron setzte und dem Vezier Djafar, der zu ihm hereintrat und die Erde vor ihm küßte, sagte: »Es ist keine Zeit zu verlieren, hole mir schnell jene Frauen, damit ich die Geschichte der zwei schwarzen Hunde höre, bring auch die Kalender mit, eile aber schnell!« Als der Kalif dies sehr heftig ausrief, eilte Djafar fort, und nach einer Weile kam er mit den drei Mädchen und den drei Kalendern