Am Rio de la Plata. Karl May

Am Rio de la Plata - Karl May


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hätte ich über diese Worte lachen müssen und über den Ton, in welchem sie dieselben vorbrachte. Sie war eine heißblütige, leichtlebige Südländerin und nicht gewöhnt, über das, was sie that, viel nachzudenken. Es war vorauszusehen, daß sie zu Grunde gehen werde; aber ich konnte ihr nicht helfen. Darum schwieg ich und trat nach den abgelaufenen fünf Minuten den Weg mit ihr an.

      Der Mond beschien sehr hell die ganze Fläche, welche zwischen uns und der Hütte lag. Man mußte uns von dem Fenster derselben aus kommen sehen. Als wir noch nicht die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten, fragte mich das Mädchen:

      »Was meinen Sie, Sennor, werden die Männer, welche uns anhielten, mit meinem Vater schlimm verfahren?«

      »Sie haben wohl keine Veranlassung, ihm viel Gutes zu erweisen.«

      »So muß ich die Leute in der Hütte warnen.«

      Ich war auf einen Fluchtversuch nicht gefaßt und hielt infolgedessen ihre Hand nicht mehr so fest wie vorher. Sie riß sich los und eilte davon. Aber mit einigen Sprüngen hatte ich sie wieder erreicht und ergriff sie beim Arme.

      »Halt, Sennorita; so schnell und ohne allen Abschied wollen wir uns doch nicht trennen. Es würde unhöflich sein, den Schutz ohne Dank zu verlassen, in den Sie sich begeben haben.«

      Sie stieß einen tiefen, ärgerlichen Seufzer aus, sagte aber von jetzt an kein Wort mehr und folgte mir willig weiter. So kamen wir an die Hütte. Noch ehe wir die Thüre öffnen konnten, wurde dieselbe von innen aufgestoßen, und beim Scheine der drin brennenden Lampe sah ich einen Mann, welcher ein buntes Tuch um den Kopf trug, ungefähr wie die Gauchos sich ähnliche Tücher über den Hut weg um das Kinn binden. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, da er das Licht im Rücken hatte.

      »Endlich, endlich!« sagte er. »Deine Großmutter hat mit Schmerzen auf die Medizin gewartet.«

      »Du, Vetter, bist da?« fragte sie erstaunt. »Dich konnte man heute und so spät nicht erwarten.«

      »Die Sorge um die Kranke trieb mich her. Aber, du bist nicht allein. Seit wann läßt sich mein Mühmchen in so später Stunde in Herrenbegleitung sehen?«

      »Seit heute, wo ich von einem wüsten Menschen angefallen wurde. Dieser Sennor befand sich glücklicherweise in der Nähe und hat mich von dem Zudringlichen befreit. Wollen wir ihn bitten, hereinzukommen, um dem Großmütterchen Gelegenheit zu geben, ihm zu danken?«

      Das gewandte Mühmchen spielte ihre Rolle ganz so, wie sie ihr aufgetragen worden war, obgleich sie wußte, daß nun der Erfolg ausbleiben werde. Sie wußte wohl nicht, welches andere Benehmen in ihrer Lage besser einzuschlagen sei.

      »Ganz natürlich!« antwortete der Vetter. »Bitte, Sennor, treten Sie herein! Sie sind uns auf das herzlichste willkommen.«

      Er trat zur Seite, um die Thüröffnung freizugeben; das Licht fiel auf sein Gesicht, und ich erkannte – — den Bravo. Der Kerl verstand es sehr gut, seine Stimme zu verstellen. Daß er anstatt des Hutes ein Tuch um den Kopf trug, gab ihm ein verändertes Aussehen. Hätte ich sein Gesicht nicht am Nachmittage genau betrachten können, so wäre ich jetzt getäuscht worden.

      »Danke, Sennor!« antwortete ich zurückhaltend. »Ich will nicht stören. Ich habe die Sennorita bis an ihre Wohnung gebracht, was ich ihr versprochen hatte, und meine Zeit ist mir nicht so reichlich zugemessen, daß ich hier verweilen könnte.«

      »Nur auf einen Augenblick, auf einen einzigen Augenblick, Sennor!«

      »Nun gut, um das Großmütterchen zu begrüßen. Oder befinden sich noch andere Personen drin?«

      »O nein. Nur mein Pate ist noch da mit seinem Sohne, sonst weiter niemand. Sie müssen einen Schluck mit uns trinken, bis der Vater der Sennorita kommt, welcher in einigen Minuten von seinem Ausgange zurückkehren wird. Mein Mühmchen ist ein liebenswürdiges Wesen; Sie müssen sie kennen lernen. Kommen Sie also, kommen Sie, Sennor!«

      Er sagte das in so freundlichem und dringendem Tone, daß er jeden andern getäuscht hätte. Ich aber zögerte, seiner Aufforderung zu folgen. Da erklang es hinter mir:

      »Gehen Sie getrost hinein, Sennor! Es ist wirklich so, wie Ihnen dieser gute Sobrino (* Vetter.), sagt. Es wird Ihnen außerordentlich gefallen. Ich gehe auch mit hinein. Gehen Sie – gehen Sie!«

      Es war der Yerbatero, welcher mich nach der Thüre schob. Der Bravo fragte überrascht:

      »Noch einer! Wer sind Sie, Sennor?«

      »Ich bin der Begleiter des Vaters, welcher soeben von seinem Ausgange zurückkehrt,« antwortete der Yerbatero. »Nur immer hinein, hinein!«

      Er schob mich; ich schob die Sennorita, und diese schob den Bravo zur Seite. So gelangten wir in die Stube, denn die Thüre führte aus dem Freien direkt in dieselbe. Ich hatte das erbeutete Messer bei mir und griff nach demselben. Die Sache kam mir verdächtiger vor, als sie war. Eine Art von Mißtrauen wollte sich auch gegen den Yerbatero in mir regen. Ich kannte ihn eigentlich noch gar nicht. Sein Benehmen ließ immerhin die Möglichkeit offen, daß er ein Mitglied der saubern Bande sei. Aber mein Vertrauen wurde augenblicklich wieder hergestellt, als ich bemerkte, daß noch fünf Yerbateros hinter mir sich hereindrängten. Jeder von ihnen hatte sein Messer in der Hand. Das Haus hatte keine Glasfenster, und die Läden standen offen. Nur aus dem Parterre bestehend, war es durch eine dünne Wand in zwei Hälften geteilt. Die Verbindungsthüre war geschlossen. Auf einem in der Ecke stehenden Stuhle saß eine alte, sehr runzelige Frau, deren Augen mit sichtbarer Sorge auf den vielen Menschen ruhten, welche so unerwartet eingetreten waren. Einige am Boden liegende Strohmatten und ein Schemel, welcher als Tisch benutzt zu werden schien, bildeten das Möblement dieses Raumes.

      Der Sobrino machte auch große Augen, als er die Yerbateros bemerkte.

      »Wer sind Sie? Was wollen Sie? Wer hat Ihnen erlaubt, hier einzutreten?« fragte er.

      »Wir selbst,« antwortete Monteso. »Dieser Sennor hat die Sennorita beschützt, und wir beschützen ihn. So hängt einer am andern, und wir sind mit ihm gekommen. Wo befindet sich denn der liebe Pate mit seinem Sohne?«

      »Jedenfalls hier nebenan,« antwortete das Mädchen schnell, auf die Verbindungsthüre zeigend. »Ich werde sie holen.«

      »Ja, thun Sie das! Ich möchte die liebenswürdige Gesellschaft vollständig kennen lernen.«

      Sie ging in den Nebenraum. Die Yerbateros standen unbeweglich an der Eingangsthüre; die Alte saß starr in ihrem Stuhle und sagte kein Wort; Mauricio Monteso musterte den Bravo mit einem verächtlichen Blicke und fragte ihn:

      »Haben wir uns nicht heute bereits getroffen, Sennor? Sie standen doch in der Nähe des Geschäftes des Sennor Tupido?«

      »Es ist möglich, daß ich da vorübergegangen bin.«

      »Nein, Sie standen wartend da. Und sodann hatten Sie sich um die Ecke der Plaza gegenüber der Confiteria aufgestellt, sind durch mehrere Straßen bis zum Dome gegangen, in welchem Sie gewartet haben, bis das Orgelspiel zu Ende war.«

      »Sennor, was gehen Sie meine Spaziergänge an!«

      »Sie interessieren mich außerordentlich, wenigstens heute haben sie das gethan. So weiß ich auch, daß Sie dann bis an das Häuschen gegangen sind, in welchem der Organista wohnt. Und eigentümlich, daß überall, wo Sie gingen, gerade dieser Sennor vor Ihnen ging! Und noch viel eigentümlicher, daß da, wo Sie gingen, ich mit diesen meinen Kameraden Ihnen folgte!«

      »Ich habe mit Ihnen nichts zu schaffen!«

      »Aber wir mit Ihnen. Leider war es uns nicht vergönnt, Ihnen bis zum Hause des Organisten zu folgen; wir wurden gestört. Glücklicherweise aber gelang Ihr Vorhaben nicht, welches Sie dort ausführen wollten. Dieser Sennor bedurfte unsers Beistandes nicht, da er selbst auf seiner Hut war. Er begab sich zu Sennor Tupido, und Sie hatten sich indessen hierher verfügt. Sie sprachen mit dem Bewohner dieses Häuschens und bemerkten nicht, daß ich draußen am Fenster stand und alles hörte.«

      Der Bravo erbleichte.

      »Was Sie mir da sagen, ist mir vollständig fremd,« wendete er ein. »Ich weiß von alledem kein Wort.«

      »Leugnen


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