Am Rio de la Plata. Karl May
es nicht gelungen, aber ich habe dir eine andere Falle gestellt, in welcher du ganz gewiß stecken bleiben wirst!«
Einen Augenblick hatte ich zu warten, bis die Yerbateros aufgestiegen waren. Als wir uns dann in Bewegung setzten, kam Andaro auf uns zu, schritt schnell quer vor dem Kopfe meines Pferdes vorüber und rief mir dabei in höhnischem Tone zu:
»Glück zur Reise, Sennor!«
Ich antwortete ihm natürlich kein Wort, sondern that, als ob ich ihn gar nicht gesehen hätte. Monteso aber war ganz ergrimmt über diese Frechheit. Er stieß seinem Pferde beide Sporen in den Leib, daß es emporstieg, riß es zur Seite und zwang es dann, einen Satz zu thun, durch welchen Andaro zur Erde geschleudert wurde. Seine Flüche und Verwünschungen folgten uns laut nach.
»Dieser Halunke hätte eigentlich von meinem Pferde zertreten werden sollen!« schimpfte der Yerbatero. »In seinem Gesicht lag etwas Drohendes; blieben wir noch da, so hätten wir wohl Gefahr zu befürchten.«
»Davon bin ich überzeugt. Ja, ich möchte fast glauben, daß er jetzt noch im Sinne hat, mir eine Schlinge zu legen. Vielleicht ist sie schon gelegt, und ich tappe ganz ahnungslos hinein.«
»So sah er allerdings aus. Aber worin könnte diese Schlinge bestehen? Höchstens könnte er irgendwo einen Kerl hingestellt haben, welcher auf Sie schießen soll.«
»Das ist möglich. Kommen wir durch Waldung?«
»Welch eine Frage! Von Waldung ist hier keine Rede. Das Land besteht aus lauter wellenförmigen Erhöhungen, in deren Vertiefungen, wenn es Feuchtigkeit giebt, ein lichtes Buschwerk steht. Bäume aber finden Sie nur an den Gebäuden stehen, welche über das Land zerstreut liegen.«
»So würden wir also einen Hinterhalt, den man mir gelegt haben könnte, sofort bemerken?«
»Augenblicklich. Uebrigens werde ich zwei meiner Leute beordern, in gewissem Abstande voran zu reiten, so lange wir rechts und links noch Bauten haben, hinter denen jemand stecken könnte. Indessen sind wir nicht ganz allein auf uns angewiesen, denn es reitet ein Sennor mit uns, welcher uns in dieser Beziehung von Nutzen sein kann.«
»Wie? Sie haben, ohne mich vorher zu fragen, jemanden die Erlaubnis erteilt, sich uns anzuschließen?«
»Ja, denn ich war Ihrer Zustimmung sicher, wenn es überhaupt einer solchen bedarf.«
Er sagte das in etwas wichtigem Tone. Darum antwortete ich:
»Gewiß bedarf es meiner Einwilligung. Ich pflege nur mit Leuten zu reisen, welche mir angenehm sind. Darum hätte es sich ganz von selbst verstanden, daß Sie mich vorher fragen mußten.«
»Ich bitte aber, zu bedenken, daß eigentlich ich der Anführer unserer kleinen Reisegesellschaft bin!«
»Einen Anführer giebt es nicht. Meiner Ansicht nach hat jeder gleiche Rechte. Sie mögen die Direktion haben, wenn Sie mit Ihren Kameraden in den Urwald reiten, um Yerba zu sammeln. Da ich aber kein unter Ihnen stehender Yerbatero bin, so kann ich Sie nicht als meinen Anführer anerkennen. Soll ich von den Anordnungen eines andern abhängig sein, so reise ich lieber allein.«
Hatte ich vorhin seine allzu große Vertraulichkeit zurückgewiesen, so mußte ich ihn jetzt von dem Gedanken abbringen, daß ich in irgendwelche Abhängigkeit zu bringen sei. Er war ganz gewiß ein sehr braver Mann; aber er durfte nicht glauben, auch nur den geringsten Vorrang vor mir zu haben. Leute seines Bildungsgrades greifen dann leicht weiter, als sie eigentlich sollen. Meine Worte versetzten ihn in Bestürzung.
»So ist es nicht gemeint, Sennor!« sagte er schnell. »Ich habe Ihnen nicht zu gebieten; das weiß ich ja. Es fällt mir gar nicht ein, Ihnen gegenüber den Anführer spielen zu wollen. Wenn ich ja ein kleines Vorrecht beanspruche, so ist es nur dasjenige, Sie beschützen zu dürfen.«
»Dagegen habe ich freilich gar nichts.«
»Und darüber, daß ich diesem Caballero erlaubt habe, mit uns zu reiten, dürfen Sie nicht zürnen. Sie haben keine Veranlassung dazu.«
»Also ein Caballero ist er, kein gewöhnlicher Mann?«
»Er ist ein fein gebildeter Herr, ein höherer Polizeibeamter.«
»So habe ich nichts gegen seine Begleitung einzuwenden, vorausgesetzt, daß er das auch wirklich ist, wofür er sich ausgiebt.«
»Natürlich ist er es. Warum sollte er es nicht sein und mich belogen haben?«
»Hm! Aus Ihren Worten ist zu vermuten, daß Sie ihn eigentlich nicht genau kennen?«
»Ich kenne ihn, und zwar sehr gut.«
»Seit wann?«
Er wurde ein wenig verlegen.
»Nun,« antwortete er, »eigentlich erst seit – gestern.«
»Ah! Das nennen Sie eine gute Bekanntschaft?«
»Unter diesen Umständen, ja. Sie selbst kennen ihn ja auch. Erinnern Sie sich nur des Herrn, welcher sich gestern abend in unsere Nähe setzte und um die Erlaubnis bat, mit uns spielen zu dürfen. «
»Dieser ist es? Hm!«
Ich brummte nachdenklich vor mich hin. Dies veranlaßte ihn zu der Frage:
»Haben Sie etwa ein Bedenken?«
»Ja. Für ein so wichtiges Amt, welches große Erfahrungen und eine ziemlich bedeutende Karriere voraussetzt, scheint der Mann doch wohl zu jung zu sein.«
»Denken Sie das nicht! Hier macht man schneller Karriere als anderwärts. Es giebt noch höhere Beamte, welche nicht viel älter sind. Sie werden ihn als einen hochgebildeten und sehr unterrichteten Mann kennen lernen. Als ich ihm mitteilte, daß ein vielgereister Deutscher mit uns reite, war er ungemein erfreut davon.«
»Wo befindet er sich jetzt? Holen wir ihn an seiner Wohnung ab?«
»Nein. Wir verabredeten, daß wir draußen vor der Stadt mit ihm zusammentreffen würden.«
»Das ist mir nicht lieb. Ein Beamter von solcher Stellung gesellt sich nicht draußen vor der Stadt wie ein Wegelagerer zu seinen Reisegenossen. Warum kam er nicht in das Hotel, sich mir vorzustellen? Warum läßt er sich nicht an seiner Wohnung abholen? Kennen Sie überhaupt dieselbe?«
»Nein.«
»Aber wenigstens ist Ihnen sein Name bekannt?«
»Ja. Er heißt Sennor Carrera.«
»Der Name klingt gut. Wollen hoffen, daß er zu dem Manne stimmt! Wären wir nach seiner Wohnung geritten, um ihn abzuholen, so hätten wir den Beweis gehabt, daß er wirklich derjenige ist, für den er sich – — ah, Sennor, welch eine Nachlässigkeit!«
Ich hatte während der letzten Worte an meine Tasche gegriffen, als ob ich etwas suche. Jetzt hielt ich mein Pferd an und ließ ein möglichst beunruhigtes Gesicht sehen.
»Was ist‘s? Was fehlt Ihnen?« fragte er.
»Soeben bemerke ich, daß ich meinen Geldbeutel im Hotel auf dem Zimmer liegen gelassen habe.«
»Das ist kein Unglück, denn er liegt jedenfalls noch dort. Ich werde einen meiner Leute zurücksenden, ihn zu holen.«
»Danke! Ich hole ihn selbst. Mein Pferd ist wohl schneller als die Ihrigen. Wenn Sie langsam reiten, werde ich Sie bald einholen.«
Ohne seine Gegenrede abzuwarten, wendete ich mein Pferd und galoppierte zurück, aber nicht nach dem Hotel, denn ich hatte den Geldbeutel in der Tasche, vielmehr nach dem Polizeigebäude, welches in der Nähe des Domes lag. Dort angekommen, band ich das Pferd an und ließ mich dann zu dem obersten der anwesenden Beamten führen. Der Mann machte große Augen, als er mich in dem hier so fremdartigen Trapperanzug eintreten sah. Ich stellte mich ihm vor und fragte, ob es einen Comisario criminal Carrera gebe.
»Nein, den gibt es nicht, Sennor,« lautete die Antwort. »Wahrscheinlich haben Sie als Fremder den Namen verhört?«
»O nein. Der Mann hat sich selbst als einen Polizeibeamten dieses Ranges bezeichnet.«
»Gewiß war es ein Scherz.«
»Dann scheint aber Grund vorhanden zu