Am Rio de la Plata. Karl May
Sennor! Und Ihr andern schlagt natürlich auch ein!«
Sie folgten willig dieser Aufforderung, und so war denn für den nächstliegenden Teil meiner Zukunft entschieden: ich schloß mich diesen Yerbateros an.
»So sind wir also endlich einig,« sagte Monteso im Tone der Befriedigung. »Alles weitere wird sich ganz von selbst ergeben. Jetzt noch eine Hauptsache, eine Frage, wegen der Zeit der Abreise und Ihrer Ausrüstung. Können Sie morgen vormittag von hier fort?«
»Ist mir sehr recht. Sie wissen ja, daß ich keine Veranlassung habe, mich hier länger zu verweilen, als unbedingt nötig ist.«
»Dann also morgen vormittag. Sie werden sich vorher mit der erforderlichen Ausrüstung versehen müssen.«
»Welche Gegenstände gehören zu derselben?«
»Ein Poncho; Hut haben Sie bereits. Zu demselben gehört ein Kopftuch, welches man beim Reiten über den Hut bindet, und zwar so, daß die frische Luft vorn gefangen und nach Hals und Nacken geleitet wird. Das kühlt sehr angenehm. Ich werde in der Frühe zu Ihnen kommen, um Ihnen beim Einkaufe der Sachen behilflich zu sein, da ich in dieser Beziehung wohl erfahrener bin als Sie. Außer dem Poncho brauchen Sie eine Chiripa.«
»Beschreiben Sie mir dieselbe.«
»Sie besteht in einer Decke, welche hinten am Gürtel befestigt, dann zwischen den Beinen hindurch und nach vorn gezogen wird, wo man sie wieder am Gürtel befestigt. Ferner brauchen Sie eine weite, leichte Pampahose und dazu tüchtige Gauchostiefeln ohne Sohle. Dann einen Recadosattel, Gewehr, Lasso, Bola und Messer. Mit dem Lasso und der Bola werden Sie mit der Zeit leidlich umzugehen lernen. Da ich Sie, wie sich übrigens ganz von selbst versteht, als meinen Gast betrachte, so ersuche ich Sie um die Erlaubnis, die Kosten dieser Ausrüstung tragen zu dürfen.«
»Ihre Güte rührt mich tief, Sennor. Ich würde dieselbe annehmen, wenn von Kosten überhaupt die Rede sein könnte.
Ich bin bereits mit einer guten Ausrüstung versehen. Ich werde ganz dieselbe Kleidung anlegen, welche ich in der Prairie getragen habe.«
»Aber, Sennor, die wird im höchsten Grade unpraktisch sein! Bedenken Sie den Unterschied zwischen dort und hier!«
»Es giebt keinen Unterschied, den ich in Beziehung auf die Kleidung zu beachten habe. Ein erprobtes Gewehr habe ich auch mit, ebenso meinen Lasso; im Gebrauche der Bola werde ich mich fleißig üben. Es fehlt mir nur der Sattel und das Pferd.«
»Beides besorge ich, Sennor. Pferde haben wir ja mit. Ich werde eines für Sie herauslesen, und einen Sattel besorge ich gern dazu.«
Eben jetzt kam ein neuer Gast herein. Er war sorgfältig gekleidet, ein junger Mann, grüßte höflich und ließ sich am nächsten Tische nieder, woselbst er nach einer Flasche des dort stehenden Weines langte. Da er uns den Rücken zukehrte und dann sich mit einer Zeitung beschäftigte, so war anzunehmen, daß wir ihm vollständig gleichgültig seien, und es war also kein Grund vorhanden, uns seinetwegen in unserer Unterhaltung stören zu lassen.
»Welchen Weg schlagen wir ein?« sagte ich.
»Wir reiten quer durch Uruguay und Entre Rios nach Parana und fahren dann auf dem Flusse bis nach Corrientes. Von da aus müssen wir links nach dem Chaco einbiegen.«
Der erste Teil dieser Reise war ganz genau die Route, welche Tupido mir vorgeschlagen hatte. Das war mir interessant.
»Natürlich ist das für Sie eine große Anstrengung,« fuhr der Yerbatero fort. »Darum werden wir zuweilen an geeigneten Orten Halt machen, damit Sie sich erholen können.«
Er hielt die Meinung, welche er von mir hegte, fest. Ich war kein „Greenhorn“ mehr wie damals, als ich zum erstenmale den fernen Westen betrat. Darum sagte ich:
»Sie brauchen nicht so ungewöhnliche Rücksicht zu nehmen, Sennor. Ich reite ausdauernd.«
»Weiß schon!« lächelte er. »Den ersten Tag hält man es aus; am zweiten bluten die Beine; am dritten ist die Haut von denselben fort, und dann liegt man wochenlang da, um später ganz dasselbe durchzumachen. Zum Reiten muß man in der Pampa geboren sein. Wir werden also morgen nur bis San José reiten, übermorgen bis Perdido, und dann wenden wir uns kurz vor Mercedes nördlich ab, um auf der Estancia eines Vetters von mir auszuruhen. Die weitere Tour müssen wir dort beraten. Sie führt nach der Grenze, also nach einer Gegend, welche grad jetzt sehr wenig sicher ist.«
»Von dieser Unsicherheit haben doch wir nichts zu befürchten! Was geht uns die politische Zerfahrenheit der hiesigen Bevölkerung an!«
»Sehr viel, Sennor. Es giebt hier eben ganz andre Verhältnisse als in Ihrem Vaterlande. Besonders hat der Reisende sich in acht zu nehmen. Sie reiten früh als freier, unparteiischer Mann aus, und des Abends kann es vorkommen, daß Sie als Soldat aus dem Sattel steigen und später für eine Partei kämpfen müssen, für welche Sie nicht das mindeste Interesse haben.«
»Das wollte ich mir verbitten! Ich bin ein Fremder, ein Deutscher, und niemand darf sich an mir vergreifen. Ich würde mich sofort an den Vertreter meiner Regierung wenden.«
»Sofort? Man würde das sehr leicht verhindern; ein Fluchtversuch würde Ihnen die Strafe der Desertion einbringen, den Tod. Und ehe Sie Gelegenheit finden könnten, sich an Ihren Vertreter zu wenden, würden Ihre Gebeine auf der Pampa bleichen. Gewalt hilft da nicht, sondern nur Vorsicht allein. Uebrigens stehen Sie unter unserm Schutze, und können sich denken, daß wir Sie in keine Gefahr führen werden, da wir uns dabei ja selbst derselben aussetzen würden. Lassen wir also diesen Gegenstand fallen. Wir haben ihn bis zur Erschöpfung erörtert.
Das Mädchen mag den Tisch frei machen, damit wir Platz zu einem Spielchen bekommen.«
Dieses Wort wirkte wie elektrisierend auf die andern. Sie sprangen auf, um selbst zu helfen, das Speisegeschirr fortzuräumen. Monteso holte eine Karte herbei. Dann wurde Geld aus den Taschen gezogen, und zwar so viel, daß ich unwillkürlich mit meinem Stuhle vom Tische rückte.
»Bleiben Sie, Sennor!« sagte der Yerbatero. »Natürlich sind Sie eingeladen, sich zu beteiligen.«
»Danke, Sennor! Ich spiele nicht. Ich möchte aufbrechen.«
Er sah mich ganz und gar ungläubig an. Dort zu Lande spielt eben jedermann, und zwar sehr leidenschaftlich und sehr hoch. Eine Weigerung, mitzuspielen, kommt gar nicht vor und würde die andern beleidigen.
»Aber, Sennor, was fällt Ihnen ein! Sind Sie krank?« fragte er.
»Nein, aber sehr müde,« lautete meine Ausrede.
»Das ist für Sie freilich eine Entschuldigung, zumal Sie morgen den ersten und anstrengenden Ritt vor sich haben.«
Glücklicherweise trat jetzt der zuletzt angekommene Gast herbei und erklärte, daß er gern bereit sein werde, meine Stelle einzunehmen, wenn man ihm die Erlaubnis dazu erteile. Er erhielt sie sofort, und ich stand auf, um ihm Platz zu machen und zu gehen. Meinen neuen Kameraden die Hand reichend, verabschiedete ich mich von ihnen. Um Bezahlung der Zeche hatte ich mich nicht zu bekümmern, wie Monteso schnell erklärte, als ich mit der Hand in die Tasche griff und mich zum Mädchen wendete.
»Lassen Sie das, Sennor!« sagte er. »Sie würden uns beleidigen. Früh neun Uhr bin ich mit dem gesattelten Pferde vor Ihrem Hotel. Aber wäre es nicht besser, daß ich Sie jetzt begleite? Sie wissen ja – — —!«
»Danke, Sennor! Von hier bis zum Hotel wird mir nichts geschehen. Ich nehme mich in acht. Buenas noches!«
»Gute Nacht, Sennor! Träumen Sie von dem See und dem vermauerten Schachte! Vielleicht zeigt Ihnen der Traum den richtigen Weg.«
Zweites Kapitel: Bei den Bolamännern
Am andern Morgen war ich sehr zeitig wach, und lange vor der Zeit, in welcher der Yerbatero kommen wollte, hatte ich meine kleinen Angelegenheiten in Ordnung gebracht. Dazu bedurfte es keiner großen Mühe und Arbeit. Ich war echt amerikanisch gereist. Ein kleiner Koffer hatte all mein Eigentum enthalten, und diesen Inhalt trug ich jetzt auf dem Leibe. Den leeren Koffer hatte ich dem Kellner und den gestern getragenen Anzug dem Hausknecht geschenkt. Einige Hemden, Taschentücher und sonstige Notwendigkeiten lagen in Leder geschnallt