Im Lande des Mahdi I. Karl May
die Kadirine auf den Hals gehetzt habe.«
»Richtig! Ich überlasse es Ihnen, dieses Schriftstück zu entwerfen. Papier und alles dazu Nötige ist da.«
Nachdem noch einige nähere Bemerkungen über diesen Gegenstand ausgetauscht worden waren, begaben wir uns in meine Schlafstube, wo Selim mit geschultertem Gewehre und drohendem Gesicht vor den Gefangenen stand. Eben als wir eintraten, hörte ich ihn sagen:
»Also dürft ihr ja nicht denken, daß ihr euch hier an ihm rächen könnt. Er ist viel zu klug dazu, indem er den guten Rat befolgt, den ich ihm gegeben habe.«
»Von wem redest du?« fragte ich ihn, da mir diese großsprecherischen Worte auffielen. Sie schienen sich auf mich zu beziehen, auf irgend einen Beschluß von mir, welchen mir angeraten zu haben er sich fälschlicherweise rühmte. Er machte ein ziemlich verlegenes Gesicht und zögerte mit der Antwort.
»Heraus damit!« gebot ich ihm. »Hast du etwa von mir gesprochen?«
Ich fühlte mich zu dieser Frage besonders dadurch veranlaßt, daß ich die Augen Abd el Baraks mit einem höhnischen Blick auf mich gerichtet sah.
»Nein, nicht von dir,« antwortete er endlich. »Von Murad Nassyr, meinem Herrn. Er geht unter meinem Schutze nach Chartum und hat also die Rache dieser Leute nicht zu befürchten.«
»Du bist ein Faselhans und solltest dich im Schweigen üben, anstatt jedermann Geschichten zu erzählen, welche doch ganz anders verlaufen, als du die Meinung hast. Gehe hinauf an die Thüre des Harems, und melde dem Neger, was geschehen ist, damit die Bewohner wissen, woran sie sind, wenn sie bemerken, daß wir nicht schlafen!«
Ich schickte ihn fort, damit er nicht Zeuge unserer Verhandlung mit Abd el Barak sei. Wenn dieser Mensch sich von seiner Plauderhaftigkeit hatte hinreißen lassen, zu erzählen, daß ich morgen mit den Negern Kairo verlassen wolle, konnte ich mich auf alle möglichen Hindernisse oder gar Fährlichkeiten gefaßt machen. Er war am Hafen gewesen, um ein Schiff für mich zu suchen; ich hatte aber keine Gelegenheit gefunden oder vielmehr es im steten Denken an den Geist außer acht gelassen, ihn nach dem Ergebnisse seiner Nachforschung zu fragen. Als er fort war, band ich Abd el Barak los, so daß er seine Glieder wieder bewegen und sich aufsetzen konnte. Dann zeigte ich ihm den Revolver und drohte:
»Zunächst bist du noch ein Gespenst, auf welches ich schießen werde, wenn es eine Bewegung macht, zu welcher ich meine Erlaubnis nicht gegeben habe. Ich erwarte also, daß du genau in deiner jetzigen Stellung verbleibst.«
Er sah mich mit einem Blicke an, in welchem nichts als tierische Wut zu finden war; dann zuckte ein überlegenes Grinsen um seinen aufgeworfenen Mund, und er antwortete:
»Wenn du für den mächtigen Mokkadem der heiligen Kadirine irgendwelche Befehle hast, so sprich!«
»Ich habe dir ebensowenig etwas zu befehlen wie du mir, doch stehe ich im Begriffe, dir einige Vorschläge zu machen.«
»Ich höre!«
Er schlug die Arme stolz übereinander und nahm die Haltung und Miene eines Regenten an, welcher einem tief stehenden Unterthan in Gnaden Audienz erteilt. Am liebsten hätte ich ihm einen Faustschlag versetzt, um ihm in Erinnerung zu bringen, daß er hier nicht der Gebietende sei, mußte aber leider in Anbetracht der vorliegenden Umstände meine Empörung beherrschen. Hier gab es einen frappanten Anlaß, den Einfluß des Islam mit demjenigen des Christentumes zu vergleichen. Welche Liebe, Sanftmut, Demut und milde Freundlichkeit beobachtet man bei den Angehörigen christlicher Kongregationen, und wie hochmütig, verstockt und frech trat dieser Mitleiter einer moslemitischen Verbrüderung auf! Und so sind sie alle, diese unwissenden Moslemim, deren Frömmigkeit sich meist nur im gedankenlosen Herleiern einiger Gebete bethätigt, verbissene und verständnislose Menschen, welche mit Verachtung selbst auf ihre Glaubensgenossen herabsehen, falls diese nicht Mitglieder einer Verbrüderung sind.
»Ich höre!« Das klang so oberherrlich, als ob dieser Gespensterspieler der zur Erde niedergestiegene Geist des Propheten selber sei. Es verursachte mir nicht geringe Überwindung, ihm ruhig zu antworten:.
»Kennst du die Kutub [Bücher]el Kadirine, welche in vielen geschriebenen Heften durch alle Länder gehen, in denen es Anhänger eurer Verbrüderung giebt?«
»Ich kenne sie,« nickte er.
»Wer schreibt dieselben?«
»Jeder, der ein Schriftsteller ist, kann so ein Heft verfassen.«
»Nun wohl, ich bin ein Muallif und möchte ein solches Heft schreiben.«
»Du?« lachte er. »Du bist ja ein Giaur!«
»Sprich dieses Wort nicht wieder aus! Du hast erfahren, wie ich solch eine Beleidigung bestrafe. Wenn ich es schreibe, wird es gelesen werden; dafür laß mich sorgen! Der Titel wird lauten: Abd, el Barak, el Dschinni, Abd el Barak, das Gespenst, und jeder Leser wird erfahren, welch eine jämmerliche Rolle der berühmte Mokkadem der frommen Kadirine heute abend hier gespielt hat.«
»Wage es!« fuhr er mich zornig an.
Ich erkannte daraus, daß meine Berechnung richtig war. Aus einer Drohung mit der Obrigkeit machte er sich voraussichtlich weniger, als aus einer solchen Beschämung vor den Genossen seiner Verbrüderung. Nur auf diesem Wege ließen sich Zugeständnisse von ihm erlangen.
»Ich wage dabei gar nichts,« erklärte ich kaltblütigen Tones. »Ich mache dich vor allen deinen Genossen zu schanden und du wirst nicht die mindeste Macht besitzen, dich an mir zu rächen. Aber aus Rücksicht für die braven Mitglieder eurer Verbrüderung möchte ich es unterlassen, die Kadirine durch dich zu beschimpfen. Ich bin vielleicht bereit, auf mein Vorhaben zu verzichten, wenn du mir beweisest, daß du das Geschehene bereust und auf alle Rache gegen uns verzichtest.«
Bei der Erwähnung der Reue zuckte es grimmig über sein Gesicht; er überwand aber seinen Zorn und fragte in verhältnismäßig ruhigem Tone:
»Worin soll dieser Beweis bestehen?«
»Erstens darin, daß du allen Rechten auf diese Negerkinder entsagest.«
»Ich entsage,« antwortete er sofort mit einer wegwerfenden Bewegung seiner Hand. Meine Drohung hatte also einen solchen Eindruck gemacht, daß ihm diese Bedingung als etwas sehr geringes erschien.
»Damit ich ganz sicher bin, wirst du mir eine schriftliche Quittung darüber geben, daß ich dir das Geschwisterpaar abgekauft habe!«
»Du sollst sie haben.«
»Ferner fertigst du mir einen Empfehlungsbrief aus, des Inhalts, daß alle Mitglieder der Kadirine mir Schutz und Unterstützung zu erweisen haben.«
»Ich werde ihn schreiben.«
Das sagte er ebenso schnell wie seine vorherigen Antworten. Ich glaubte, viel verlangt zu haben. Durfte ich seiner so raschen Zusage Vertrauen schenken? Er sah mich in einer Weise, welche mich bedenklich machte, von der Seite an. Dieser versteckte Blick schien einen Hinterhalt zu bedeuten. Doch hatte ich keine Zeit zum Überlegen, was jetzt auch zu nichts führen konnte, und fuhr also fort: »Und endlich setzen wir eine kurze Schrift auf, welche die Erzählung dessen enthält, was heute hier geschehen ist. Diese Schrift hast du zu unterzeichnen.«
Da fuhr er ergrimmt auf:
»Beim Leben des Propheten, das thue ich nicht!«
»Schwöre nicht bei Muhammed, denn du wirst und kannst diesen Schwur nicht halten!«
»Ich halte ihn, Warum soll ich mich unterschreiben? Was willst du mit dieser Schrift machen?«
»Wenn du dich nicht feindlich zu uns verhältst, wird kein Mensch sie zu sehen bekommen; aber wenn du uns zu schaden trachtest, werden wir Gebrauch von derselben machen.«
»Was werdet ihr machen, wenn ich es nicht thue?«
»Es giebt hier in Kahira noch andere Verbrüderungen, deren Mokkadems ich sofort kommen lassen werde. Diese Männer sollen dich hier sehen und von uns erfahren, auf welche Weise du zu uns gekommen bist. Dann wird man bald allüberall erfahren, daß deine Frömmigkeit im Nachahmen der Gespenster besteht.«
Das war der letzte aber auch der höchste Trumpf, den ich auszugeben hatte, und