Old Surehand III. Karl May
wegen denen ich euch mißtraute und eigentlich noch jetzt mißtrauen muß.«
»Hm, mag sein! Ich hoffe, Euer Vertrauen sogleich zu erlangen, falls Euch nämlich der Name Winnetou nicht unbekannt ist.«
»Winnetou? Wer sollte diesen Namen nicht kennen!«
»Wißt Ihr, wie er gewöhnlich gekleidet und bewaffnet ist?«
»Ja. Er geht in Leder, mit einer Sandillodecke um die Hüften, das Haar lang herab und die Silberbüchse an – — —«
Er hielt inne, fixierte den Apatschen einen Augenblick, schlug sich dann mit der Hand an die Stirn und rief:
»Wo habe ich doch nur meine Augen gehabt! Das ist er ja selbst, der berühmte Häuptling der Apatschen! Da ist ja alles gut. Ihr andern mögt nun meinetwegen sein, wer ihr wollt. Wo Winnetou dabei ist, da giebt‘s nur Ehrlichkeit und keine Schelmerei. Jetzt weiß ich, daß ich Euch alles sagen darf, was Ihr wissen wollt.«
»Well! Ihr habt schon wiederholt gehört, daß wir erfahren möchten, wer Ihr seid.«
»Ich heiße Bell und bin bedienstet auf Harbours Farm.«
»Wo liegt diese Farm?«
»Zwei Meilen südwärts von hier am Flusse.«
»Die kann erst seit kurzem gegründet sein. Früher hat es keine da gegeben.«
»Das ist richtig. Harbour ist erst seit zwei Jahren hier.«
»Er muß ein mutiger Mann sein, daß er es gewagt hat, sich in dieser Einsamkeit niederzulassen.«
»Auch wieder richtig. Wir fürchten uns nicht. Mit den Indsmen sind wir bisher fertig geworden; die Tramps aber sind ernster zu nehmen. Als wir hörten, daß sich eine solche Schar oben am Nordfork herumtreibt, bin ich hingeritten, um zu erfahren, was sie vorhaben. Ich weiß jetzt, daß wir uns nicht zu sorgen brauchen, denn sie haben es auf Nebraska abgesehen. Wollt ihr heut noch weit, Mesch‘schurs?«
»Wir reiten noch eine Stunde, ehe wir Lager machen.«
»Wo?«
»Wo wir eine passende Stelle dazu finden.«
»Darf ich da eine Frage aussprechen?«
»Welche?«
»Wollt Ihr nicht lieber auf unserer Farm einkehren, als daß Ihr im Freien bleibt?«
»Wir kennen den Besitzer nicht.«
»Ich sage Euch, der ist ein Gentleman durch und durch und dazu ein großer Verehrer von Winnetou, den er schon einigemal gesehen hat. Er erzählt oft von ihm und von Old Shatterhand, welche mit ihren beiden herrlichen Rappen – —«
Er hielt wieder inne, warf einen Blick auf mein Pferd, welches er noch gar nicht beachtet zu haben schien, und fuhr dann schnell und in freudigem Tone in seiner Rede fort:
»Da spreche ich von Old Shatterhand und sehe einen Rappen, der demjenigen von Winnetou wie ein Ei dem andern gleicht! Ihr habt zwei Gewehre, Sir. Ist das eine ein Bärentöter?«
»Ja.«
»Das andere ein Henrystutzen?«
»Ja.«
»Thunder-storm! So seid Ihr wohl gar Old Shatterhand?«
»Allerdings.«
»Dann, Sir, dann müßt Ihr meine Bitte erfüllen und mit mir zu Harbour kommen! Ihr glaubt gar nicht, was für eine große Freude Ihr ihm und seinen Leuten damit machen würdet! Ein Nachtlager in einer Farm ist doch jedenfalls angenehmer als eines auf offener Prairie und unter freiem Himmel. Eure Pferde finden ein gutes Futter, welches sie vielleicht nötig haben, und Ihr, na Ihr werdet auch ein besseres Essen haben, als Ihr da in der Savanne finden könnt.«
Der Mann bat so herzlich; seine Einladung war ehrlich gemeint. Er hatte recht. Unseren Pferden war ein kräftiges Körnerfutter zu gönnen, und uns bot die Farm Gelegenheit, unsern fast auf die Neige gegangenen Proviant zu erneuern. Konnten wir uns mit neuem Vorrate versehen, so war das, wie bereits einmal gesagt, besser, als wenn wir gezwungen waren, uns durch die Jagd zu ernähren und dabei eine Menge Zeit zu versäumen. Ich warf, um Winnetous Ansicht kennen zu lernen, diesem einen fragenden Blick zu; er antwortete mit einem Senken der Augenlider und indem er dann seinen Blick auf den Osagen richtete. Ich verstand diese stumme und doch so beredte Weisung und sagte zu dem Cow-boy:
»Ihr seht, daß wir einen Gefangenen haben. Es ist uns von großer Wichtigkeit, daß er uns nicht entkommt. Können wir darauf rechnen, daß man auf der Farm nichts unternehmen wird, ihn zu befreien?«
»Ich versichere Euch, Sir,« antwortete er, »daß, er Euch bei uns grad so sicher ist wie im tiefsten Verließe einer alten Ritterburg!«
»Well, so sollt Ihr Euren Willen haben. Wir werden mit zu Harbour reiten. Hoffentlich sind wir ihm so willkommen, wie Ihr uns versprochen habt.«
»Keine Sorge, Mr. Shatterhand! Eure Ankunft wird den heutigen Tag zum Festtag für ihn machen. Darauf könnt Ihr Euch verlassen!«
Wir standen also im Begriff, die Stelle, an welcher wir gehalten hatten, wieder zu verlassen. Schahko Matto war mit den Füßen an sein Pferd gebunden, konnte es aber mit den Händen lenken, weil wir ihm die Arme freigelassen hatten. Er hielt es zurück und zögerte, uns zu folgen. Ueber den Grund zu diesem Verhalten befragt, erklärte er uns:
»Der Häuptling der Osagen wünscht, Old Shatterhand und Winnetou etwas zu sagen, bevor wir weiterreiten.«
»Er mag sprechen!« forderte ich ihn auf.
»Ich weiß, daß ihr mir nicht nach dem Leben trachtet, sondern mich freilassen werdet, sobald wir weit genug geritten sind, daß es mir unmöglich wird, schnell heimzukehren und euch mit meinen Kriegern zu verfolgen. Ich habe Honskeh Nonpeh den Befehl über die Söhne der Osagen erteilt, weil ich nicht wollte, daß sie euch folgen sollten. Er war gegen den Kampf und gegen den Ueberfall der Bleichgesichter, und daß ich grad ihm den Befehl überlassen habe und ihm dabei sagen ließ, er werde schon wissen, was er zu thun habe, wird ihm meinen Willen erraten lassen, daß er von allen Feindseligkeiten absehen soll. Werden Old Shatterhand und Winnetou mir diese meine Worte glauben?«
»Wir schenken dir weder Vertrauen noch Mißtrauen; wir werden dich prüfen. Ein Feind wird nicht so schnell zum Freunde!«
»So hört, was ich euch jetzt noch sage! Wenn ich jetzt die Freiheit von euch zurückerhielte, ich würde doch nicht von euch gehen.«
»Uff!« antwortete Winnetou.
»Der Häuptling der Apatschen mag sich wundern; es ist doch so, wie ich gesprochen habe: ich würde wirklich mit euch weiterreiten.«
»Aus welchem Grunde?« erkundigte ich mich.
»Wegen Tibo taka.«
»Wegen diesem? Diese Ursache will mir sehr unklar erscheinen.«
»Weil Old Shatterhand bisher angenommen hat, daß ich gestern abend etwas nicht beobachtet habe, was mir doch außerordentlich wichtig war.«
»Was meint der Häuptling der Osagen?«
»Es wurde gesagt, daß Tibo taka jetzt Medizinmann der Naiini sei. Ich habe dazu geschwiegen, um darüber nachzudenken. Heut bin ich zum Entschluß gekommen: Ich werde mit euch reiten, auch wenn ich frei geworden bin, denn ich will mir die Freundschaft von Apanatschka, dem Häuptling der Komantschen, erwerben.«
»Warum das?«
»Wenn er mein Freund geworden ist, wird er mir behilflich sein, den Medizinmann der Naiini-Komantschen in meine Hand zu bekommen.«
Da warf Apanatschka die Hand wie zum Schwure empor und rief aus:
»Nie werde ich das thun, niemals!«
Ich streckte meine Hand gegen ihn aus und rief in demselben Tone:
»Du wirst es thun!«
»Niemals!« behauptete er.
»Sehr gern sogar!« antwortete ich bestimmt.
»Lieber sterbe ich! Ich hasse ihn, aber er ist mein Vater!«
»Er ist es nicht.«
»So