Der Sternsteinhof. Ludwig Anzengruber

Der Sternsteinhof - Ludwig  Anzengruber


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war.

      »Der Himmelherrgottssakkermenter,« murmelte er ziemlich laut, »hat mir‘s Ganze verschänd‘t.« Erschrocken fuhr er zusammen und bekreuzte sich.

      Das war aber doch nicht recht vom hochwürdigen Herrn, daß er einen solchen hat über die Sach‘ lassen! Hält‘ er nit dazu ein‘ andern finden können? War es nit ganz unaufrichtig, daß er überhaupt gar nit hat verlauten lassen, daß eine Farbe dazu soll, und daß er sie darauf haben will? Die Farb‘ mag der Muckerl nit verreden, sie mag ja ‚m Messer nachhelfen, aber decken darf sie nicht, was das gut gemacht. Wer aber soll das machen? Wer kann sich wohl besser dazu anschicken, als der, dem ‚s selbe Schnitzwerk von der Hand ‚gangen ist? Das Lernen wird keine Hexerei sein, und der Muckerl will‘s erlernen.

      Er erlernte es. Bald wunderte sich das ganze Dorf über die bunten Holzstatuetten, die er zwischen den Fenstern zur Schau stellte, kein Heiliger des Kalenders brachte ihn in Verlegenheit, denn da er mit der himmlischen Familie fertig geworden, wird er doch Aposteln, Nothelfern, Märtyrern, heiligen Frauen und Jungfrauen beizukommen wissen.

      Nicht lang‘, so hatte man es auch in der Umgegend Rede, was für ein Geschickter da drüben in Zwischenbühel sitze, und wenn einer ein‘ Herrgott, eine Gnadenmutter oder ein‘ Heiligen brauche, so dürfe er nur zu dem gehen. Aber nur wenige kamen, und die feilschten rechtschaffen, am meisten ängstigten den Muckerl die sogenannten Herrgottlkramer, die mit solcher frommen Ware das Land abliefen, sie dachten ihn als billige Bezugsquelle auszunützen und verhielten sich ihm gegenüber wie Kunsthändler in einer Großstadt gegen einen talentierten Anfänger in der Malerei.

      Schwere Sorge beschlich oft den Muckerl. Selten, gar selten war es, daß ein Bäuerlein, ein altes Mütterchen, eine junge Dirne Nachfrage hielt, noch seltener, daß er nach stundenlangem Feilschen einen Herrgott, der nicht genug blutig sein konnte, einen Namenspatron, der nie »andächtig« genug schien, verkaufte; die Herrgottlkrämer bekam er öfter zu Gesichte, die aber machten ihn mit ihren Ausstellungen schwitzen, mit ihren Angeboten ganz verzagt, und oft rief er sie unter Tränen in den Augen zurück, wenn sie an der Türe in wegwerfendster Weise fragten: »Na, gibst mir‘s diesmal mit oder nit? Noch ein‘ Gang her, is mir der ganze« – folgte ein sehr derber Ausdruck – »nit wert!«

      Aber da fand sich mit einmal ein Absatz. Eines Abends trat ein Mann in Muckerl‘s Hütte, nannte sich einen Handels-Agenten für religiösen Hausrat, hätte das Beste sagen hören über den Heiligenschnitzer zu Zwischenbühel und wäre gekommen, dessen Ware zu sehen. Er äußerte sich über die vorgelegten Proben sehr freundlich, lächelte mitleidig, als er den Preis erfuhr, um den bisher diese Arbeiten abgegeben wurden, bot sofort das Fünffache, gab Vorschuß und bestellte nach Dutzenden. In der Stadt, beteuerte der Herr Agent, hätte man derlei nötiger als im Lande, dort wäre mehr Geld, aber auch mehr Gottlosigkeit. Darum gehe man jetzt daran, den religiösen Sinn zu heben, was am Besten durch massenhaften Umsatz von billigem und gefälligem religiösen Hausrat zu bewerkstelligen sein dürfte, wofür denn eine Handelsgesellschaft aufkommen wolle. Der Herr Kleebinder möge nur darauf achten, immer gleich gute Ware zu liefern, so würde ein lohnender Absatz für längere Zeit gewiß sein.

      Muckerl schwamm in Seligkeit, fast hätte er sich vergessen und wäre dem kleinen, säbelbeinigen Männlein um den Hals gefallen, aber ein leider in den unteren Volkskreisen eingewurzeltes Vorurteil ließ ihn davon abstehen, denn der Mann, der sich mit der Hebung des christlich-religiösen Sinnes befaßte, war, beschämenderweise, ein Jude.

      Nun rückte gute Zeit in‘s Haus, mit ihr aber auch manches, das die alte Kleebinderin derselben nicht recht froh werden ließ und sie ihr endlich gar verleidete.

      Es war an einem Samstagsabende, als Muckerl den Hügel hinter den Hütten herabkam. Er trug seine kurze Jacke mit blanken Knöpfen, seinen saubern Brustfleck, seine guten Schuhe, kurz, sein Feiertagsgewand, seine bestaubten Füße, sein erhitztes Gesicht ließen schließen, daß er nicht von nah, wohl gar von der Kreisstadt, heimkehrte.

      Er trug ein kleines Päckchen, es war in sein rotes geblümtes Taschentuch eingeschlagen und kam in keiner seiner Hände, noch sonst zur Ruhe; er faßte es bald in die Rechte, bald in die Linke, drückte es gegen seine Brust, barg es im Rücken, schob es unter die eine oder die andere Achsel und holte es sofort wieder hervor.

      Vorsichtig lugte er durch die Zweige des lebenden Zaunes in seinen Garten, und als er seine Mutter nicht um die Wege sah, war er mit einem Sprunge auf Nachbarboden und trat durch die rückwärtige Tür in die Zinshofer‘sche Hütte.

      Er fand Helene mit der Alten zusammensitzen, Rüben schälen und in einen Topf schneiden.

      »Guten Abend, miteinander,« sagte er.

      »Guten Abend,« sagten die beiden.

      »Wie geht‘s?« fragte er. »Wie geht‘s? So weit ich‘s euch abzusehen vermag, nit übel, denk‘ ich. In der Stadt bin ich g‘wesen. Halt ja. Müd‘ bin ich, erlaubt‘s schon, daß ich mich setz‘.«

      Das Mädchen wies mit der Hand, in der es das Messer hielt, nach der Gewandtruhe, die in der nahen Ecke stand.

      Muckerl setzte sich. Er hielt das Paket an beiden Enden angefaßt und drehte es zwischen den zehn Fingern fortwährend herum.

      Nach einer Weile sah die Alte auf, wobei ein finsterer Blick die Tochter streifte, und sagte: »Na, wie schaut‘s denn aus in der Stadt?«

      »Ich dank‘ der Nachfrag‘,« entgegnete Muckerl, »es ist völlig schön dort und so gangbare Wege haben‘s, ganze Steinplatten. Ja, Helen‘, wie ich da drauf gleichen Schritt‘s getrabt bin, hab‘ ich an dich gedacht.«

      »An mich? Ich wüßt‘ nit, was ich mit‘m Stadtleuten ihren Pflaster zu schaffen hätt‘.«

      »Dort tritt sich nit leicht ein‘s ein‘ Scherbe, ein‘ Nagel oder solch‘s Teufelszeug‘ ein, wie da bei uns schnell g‘schehen is und erst neulich dir.«

      »Ach, ja so. Das ist längst wieder heil. Schau mal.« Die Dirne streckte vom niedern Schemel, auf dem sie saß, den rechten Fuß dem Burschen hin.

      »Mein Seel‘,« sagte der, »ganz sauber verheilt. War auch schad‘ um die fein‘ Füß‘, wann‘s ein‘ Narbe verschandeln möcht‘.«

      »Is dir Leid d‘rum, so breit‘ mir halt, wo ich geh‘ und steh‘, eine Strohdecken d‘runter.«

      »Da weiß ich mir eine bessere Abhilf‘. Ich gib ein Futteral d‘rüber.« Der Bursche sagte das mit kurzem, wie Husten klingendem Lachen und ward darnach rot bis unter die Haare. »Das heißt,« fuhr er stotternd fort, »das heißt, wenn halt d‘Zinshofer Mutter damit einverstanden wär‘, so wären da ein Paar Schuh‘.«

      Die Dirne blickte ihn von der Seite an. »Nur der Mutter Einverständnis braucht‘s, meinst du? Ich denk‘, es ist die Frag‘, ob ich‘s tragen will?«

      »Du wollt‘st sie nit?« stammelte Muckerl.

      »Dir, seh‘ ich, muß mer schon z‘Hilf kommen,« sagte die Alte. »Du mußt auch erst bei jungen Weibsleuten aufhorchen lernen, die verreden oft, wonach ihnen Herz und Hand giert.«

      »Was du alles weißt,« höhnte die Dirne, dann wandte sie sich an Muckerl. »Wirst wohl auch was recht‘s eingekauft haben? Laß‘ mal schau‘n, daß ich ein‘ Ung‘schickten auslach‘. Werd dir wohl für‘n guten Willen danken müssen, passen werd‘ns mer eh‘ nit.«

      »Wird sich ja weisen,« schrie Muckerl, der plötzlich wieder in scherzhafte Laune geriet, in hochgehobener Hand das Bündel schwang, als ziele er in bedrohlicher Weise nach dem Kopfe der Dirne. »Gleich kommt‘s.«

      »Na, sei so gut,« kreischte Helene, fuhr vom Sitze empor und entrang ihm das Tuch. Nachdem sie dasselbe aufgeknüpft hatte, betrachtete sie die Schuhe. Sie stützte das rechte Bein auf den Schemel und hielt die Sohle des Schuhs an die des Fußes. »Schau‘,« sagte sie, »wahrhaftig, die könnten mir recht sein und schön sein‘s auch, recht schön.« Sie drehte sie eine Weile in den Händen, bot sie ihm dann zurück. »Da nimm‘s wieder,« seufzte sie.

      »Ja, warum denn?« fragte ganz ratlos der Bursche. »Warum denn, Helen‘?«

      »Nein,


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