Der Sternsteinhof. Ludwig Anzengruber

Der Sternsteinhof - Ludwig  Anzengruber


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lieber die dumme Geschichte mit dem Muckerl, wo doch noch nichts dahinter war, geheim gehalten! Was brauchte sie die durch ‚s ganze Ort zu tragen und von morgen an sein Schatz zu heißen? Dafür haben sie auch die Bursche genommen, als sie vorerst Muckerl ansprachen, als ob sie gar nicht da wäre, aber statt nur ihre Ansprach zu suchen und dadurch zu zeigen, hier säßen zwei, die kein Drittes neben sich leiden, hat er sie wie allein sitzen lassen, und da haben denn die andern getan, als ob er nicht da wäre, und die Hände nach ihr ausgereckt, wie nach einem Ding, das man nur aufzugreifen braucht, etwa wie die junge Katz‘ beim Fell, und er ist daneben gesessen, hat keinem auf die Finger geklopft, er hat sich nicht um sie gewehrt, nein, er hat sie sich um ihn wehren lassen, als war‘ er ihrer so ganz sicher und sie müßte sich in allem, lieb oder leid, in ihn schicken. Lachen mag er, statt in den Tisch zu schlagen, als man ihr in‘s Gesicht bietet, sie vergab‘ sich was, wenn sie mit ihm ging‘!

      Diese Gedanken schössen ihr durch den Kopf, während sie die fortdauernden Stichelreden der Burschen zungenfertig zurückgab. In augenfälligem Unbehagen saß sie da, zwischen den Händen, die sie vor sich auf den Tisch gestemmt hielt, ihr Taschentuch zerrend und zerknüllend; mit klarer Stimme, die aber etwas höher klang als sonst, schnellte sie ihre Gegenreden heraus und schielte dabei unter den zusammengezogenen Brauen nach einer leeren Tischplatte neben, nur manchmal warf sie Muckerl, der an ihrer Seite duchste, einen zornigen Blick zu, wenn der gutmütige Bursche in das allgemeine Gelächter einstimmte und dadurch die Heiterkeit auf ihrer beiden Kosten auf das Bedenklichste erhöhte. Der Klang einer Zither am Nebentische machte sie zusammenschrecken. Sie wußte, was nun kommen werde. Gegen alle Rede glaubte sie aufkommen zu können und keine schuldig bleiben zu müssen, aber singen konnte sie nicht, dazu war ihre Stimme zu schrill und dafür fehlte ihr das Gehör, das wußte sie vom Kirchengesange her, auch auf‘s Wortreimen versteht sie sich nicht und hat nie auf solche Alfanzerei etwas gegeben; gegen Trutzliedeln ist sie wehrlos.

      Da hob schon einer damit an.

      »Beim Herrgottlmachen,

      Bei‘n Heiligenschnitzen

      Tu ich mich d‘ ganz‘ Wochen

      Krump und bucklet sitzen.«

      Darauf sang ein anderer:

      »Ich kenn‘ ein jed‘s Fladerl,

      Jed‘s Maserl im Holz, —

      Und ‚s aller sauberste Maderl,

      Dös war halt mei Stolz!«

      Nun kam der Stämmige an die Reihe:

      »Spannst du dich mit der Schönsten z‘samm,

      Gib, Herrgottsschnitzer, acht,

      Am End‘, da hätt‘st damit erst dann

      Ein Herrgottsschnitzer g‘macht!«

      Das zündete. Aber ehe noch das stürmische Gelächter sich beruhigen konnte, hatte Helen‘ den Muckerl an der Hand gefaßt, emporgezogen und war mit ihm dem Ausgange zugeschritten.

      »Oh! Hoho!« schrien die Bursche. »Schon fortgeh‘n, wo‘s erst lustig wird und ‚s schönste Paar dazu?!«

      Obwohl es nun auch dem Muckerl für ausgemacht galt, daß er just nicht unter Freunden gesessen habe, wofür er ihnen, ohne »Behüt‘ Gott« zu sagen, den Rücken kehrte, so konnte ihn doch der Spott über das schönste Paar, den er, auf sich gemünzt und vom Neide eingegeben glaubte, nur schmunzeln machen.

      Die Dirne aber fühlte nur eine Spitze gegen sich heraus, weil sie mit einem gar so Ungleichen gehe, der obendrein weder Maul noch Hand zu brauchen wußte, der sie reden und sich von ihr leiten ließ. Mit einem trotzenden Blick in all‘ die spöttischen Gesichter, wandte sie sich unter der Schwelle ab und schritt Hand in Hand mit dem Burschen hinweg. Bis sie das Wirtshaus außer Sicht hatten, gingen sie so, dann gab ihn das Mädchen frei und trat von ihm zurück.

      »Aber warum denn, warum denn?« fragte der Bursche, der den kräftigen Druck ihrer Hand nicht ungerne weiter empfunden hätte.

      »Es war nit deshalb,« sagte sie.

      Sie sprach es nicht aus, weshalb sie nach seiner Hand hätte fassen können, noch was anderes sie veranlaßte, es zu tun, aber der Bursche verstand sie und schritt, vor sich hinblickend, neben ihr her.

      Sie sprachen kein Wort und gingen mit raschen, hallenden Schritten durch das Dorf.

      Bei seiner Hütte angelangt, bot ihm die Dirne kurz: »Gute Nacht!« Sie übersah wohl in der Dunkelheit des Burschen dargereichte Hand und war ihm rasch aus den Augen.

      Ihre Türe hörte er knarren, ein paar keifende Worte der Alten, dann war alles ringsum stille. Die Sterne brannten hoch am Himmel, die Mondsichel glänzte. Fern bellte ein Hund, und nun hörte er auch den Bach leise gurgeln.

      Seufzend wandte er sich ab und schritt nach seinem Häuschen.

      4. Kapitel

      Als Muckerl in die Schlafkammer trat, richtete sich die Kleebinderin im Bette auf.

      »Noch wach, Mutter?«

      »Ja.«

      »Aber wie kommt denn, daß d‘ so spät noch auf bist?«

      »Ich denk‘ wohl daher, weil ich nit schlafen kann.«

      »Ei, mein..«

      »Hast dich gut unterhalten?«

      »So, so.«

      »Warst allein?«

      Muckerl blieb die Antwort schuldig.

      »Ob d‘ allein warst, frag‘ ich. Druckt dich doch ‚s G‘wissen, du falscher, hinterhälterischer Bub‘ du, weil d‘ dich mit der Sprach‘ nit heraustraust? Meinst, die Sach‘ bessert, wenn mir‘s fremde Leut‘ zutrag‘n?«

      »Ah, mischen sich schon welche ein?«

      »Mit der Zinshofer Helen‘ bist g‘wesen.«

      »Na, so war ich halt mit ihr.«

      »Ja, leider Gott‘s, wär‘s ein‘ andere —«

      »Mir steht kein‘ andere an.«

      »Kein Wort verlieret ich, aber g‘rad die!«

      »Ich weiß, du kannst s‘ nit leiden, und so verlierst mehr als ein Wort d‘rüber und hebst nachtschlafender Zeit zun Streiten an. Ich aber hab‘ kein‘ Lust mit dir z‘warteln und ‚n Schlaf versäumen, taugt mer auch nit, wo ich morgen früh an die Arbeit will. Gute Nacht!«

      »Schön! Der Mutter ‚s Maul verbieten und aus‘m G‘sicht geh‘n, das hast also schon abg‘lernt von ihr und glaubst, daß dabei ein Segen sein kann?«

      »Jesses! Was du dir einbildst! Gott soll mich strafen, wann von dir a Red‘ war. Nix als mein‘ Ruh‘ will ich, weil da d‘rüber doch nit ruhig mit dir z‘reden is.«

      »Weil d‘ nit ruhig zuhören magst, so sag‘. Ich glaub‘ dir ja recht gern, daß sie über mich kein Wort verloren hat, sie wird‘s schon so zu Stand bringen, dich deiner Mutter abwendig zu machen, wie sie ‚s ja auch ohne ein Wort zu Stand gebracht hat, daß du dir ihr z‘lieb‘ über deine Kräften Auslagen machst.«

      »Selb‘ war mein freier Willen.«

      »Du hast noch ein‘ freien Willen!«

      »Und über meine Kräfte war‘s nit.«

      »So? Hast du ‚s so überflüssig? Hast du ‚s scheffelweis steh‘n, daß du nur zuz‘greifen und nit rechnen brauchst? Na, is mir lieb, aber ‚s ist auch ‚s erstemal, daß ich davon hör‘! Doch laß‘ dir sagen, wenn d‘ dich schon auf‘n Guttäter z‘nausspielen willst, so gib dein Almosen an Bedürftigere und an Leut‘, die ‚s verdienen.«

      »Es war kein Almosen.«

      »Freilich nit, glaub‘s wohl, ein Präsent war‘s, wo du noch hast schön bitten müssen, daß ‚s ja möcht freundlich ang‘nommen werden; denn ein Almosen z‘nehmen, sind d‘Zinshoferschen viel z‘stolz, obwohl nit eins im Ort is, das


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