Der Sternsteinhof. Ludwig Anzengruber

Der Sternsteinhof - Ludwig  Anzengruber


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Wirtshaus lag am andern Ende des Dorfes. Da der Garten etwas anstieg, so war eine Kegelbahn in demselben nicht anzubringen, weder in der Höhe noch der Quere nach; bergauf hätte kein Spieler die Kugel bis zu den Kegeln zu treiben vermocht, sie von selbst bergunter laufen zu lassen, dabei wär‘ weder Kunst noch Spaß gewesen, und quer, nach einer Seite überhängig, mußte es ja jeden Schub verreißen und käm‘ der beste Scheiber vor lauter Anwandeln zu keinem Spiel. Aber kegeln wollten die Bauern, und so war denn die Bahn vor dem Hause, längs der Straße angebracht und, wer einkehren wollte, mußte unter dem Vordach hindurch, an den lärmenden, meist hemdärmeligen Spielern vorbeigehen.

      Als der Kleebinder Muckerl mit der Zinshofer Helen‘ herankam, blickten alle verwundert auf.

      »Je, Muckerl, getraust du dich auch einmal von deine Herrgottl‘n weg?« rief der Wirt und folgte den beiden durch den Hausflur, an Gaststube und Küche vorbei, in den Garten nach.

      Der Bursche, der eben zum Schub angetreten war, verzog das Maul, verdrehte die Augen und ließ, als ob er über diese Begegnung auf das nächste vergäße, die schwere Kugel aus der Hand fallen, worauf er einen Schrei tat und auf einem Beine herumhüpfte, als sei das andere geschädigt worden.

      Es mußte das ein guter Spaß sein, weil ihn alle belachten.

      Im Garten war es kühl und fast einsam. An einem Tische saßen zwei alte Bauern und an einem zweiten ein Knecht mit einer Dirn.

      »Was soll ich bringen?« fragte der Wirt. »Wirst wohl ein‘ Wein woll‘n, ein‘ bessern, versteht sich und ein Backwerk? Wirst dich nit spotten lassen?«

      Versteht sich, daß der Muckerl sich nicht spotten ließ.

      »Sapramost,« rief einer der Bursche draußen, »ist aber die Zinshoferische sauber, die is die Schönst‘ word‘n von all‘n!« Auf der Bank hinter dem langen Tische, auf dem die Spieler ihre Krüge stehen hatten, saßen etliche Dirnen, die mochten, während der Schatz kegelte, zusehen oder untereinander plaudern, durften auch ab und zu einen Schluck nehmen. Hatte eine ein Glas mit süßem Weine vor sich und etwa gar ein Zuckerbretzel dazu, so war das eine große Aufmerksamkeit, oder sie – bezahlte sich‘s selbst.

      Bisher hatten sie ziemlich fremd gegeneinander getan und sich nur wenige Worte gegönnt. Oft sah eine die andere mißtrauisch von der Seite an und dann wieder von ihr weg, nach der Kegelbahn und verfolgte eifrig den Gang des Spieles oder tat wenigstens so, während sie mit dem Schatz zu liebäugeln versuchte und dabei auch beobachtete, »ob nit die daneben ein schlechts Mensch mache« und ihn ihr abzuwenden verlangt, wobei es allerdings vorkam, daß die Betreffende selbst einen Augenblick darauf vergaß, daß sie seit acht Tagen mit einem »Neuen« gehe und aus alter Gewohnheit dem »Früheren« zulächelte. Jetzt aber, wo mit einmal die Zinshoferische die Schönste sein sollte, rückten sie naserümpfend zusammen, zogen bedauernde und spöttische Gesichter und wußten wohl, wem das Bedauern und der Spott galt.

      »Merkwürdig,« sagte der Wirtshannsl, nebenbei bemerkt, seines Vaters beste Kundschaft, »merkwürdig, daß bis heut‘ keiner von uns um der ihr Sauberkeit g‘wußt hat!«

      »Kein Wunder,« sagte ein anderer, »wann hat man‘s voreh‘ auch zu G‘sicht kriegt? Nit außer, nit unter der Arbeit. Ihr Hütten liegt am untersten, untern End‘ und müß‘t mer erst g‘wußt hab‘n, was mer dort z‘suchen hat, eh‘ man sich nach Feierabend dahin müd‘ lauft, und in‘s Tagwerken hat‘s ihr Mutter nit g‘schickt.«

      Das war richtig, die Helen‘ hatte noch niemand arbeiten gesehen.

      Als jetzt ein stämmiger Bursche in die Ärmel seiner Jacke schlüpfte und sagte: »Die Schnur is aus, scheibt‘s ohne meiner weiter. Ich geh‘, mir die zwei Leuteln anschau‘n,« da schrien die Dirnen lachend: »Tu‘ dich nur nit in Kleebinder Muckerl verschau‘n!« Sie bildeten jetzt eine Kette und hatten gegenseitig die Arme um Nacken und Hüften geschlungen.

      »Sorgt‘s nur, daß euch keiner von euere Muckerln ausreißt,« sagte der Stämmige mit pfiffigem Augenblinzeln.

      Nicht lange, so war ein Bursche nach dem andern verschwunden und bei den Dirnen, die nun aneinanderrückten wie Schafe, wenn‘s donnert, blieb niemand zurück als der Wirtshannsl. Der Schalk wußte, daß er nun als der »einzig G‘scheite« bei den armen, vernachlässigten Geschöpfen einen Stein im Brette haben werde, und da verletzte Eitelkeit gar manche veranlaßte, sich so zu benehmen, als wäre ihr darum zu tun, die widerfahrene Kränkung auch zu verdienen, so sah er einem recht unterhaltsamen Abend entgegen. Wirklich schallte es bald unter dem Vordache vor lautem Gelächter und Geschrei, das manchmal in ein grelles Aufkreischen ausartete. —

      Der Kleebinder Muckerl war im Orte wohlgelitten, in besonderer Achtung stand er nicht, kam ihm ja auch gar nicht zu. Körperstärke, Arbeitstüchtigkeit, erwirtschaftetes, auch überkommenes Geld wertet der Bauer frischweg, darauf versteht er sich, das bewährt sich unter seinen Augen als zu Nutz‘ und wünschenswert; vor dem Manne, dem man nicht auf den Grund der vollen Tasche zu sehen vermag, rückt er den Hut und gibt ihm, als einem, dem Gott über die andern emporgeholfen hat, wie der hohen Obrigkeit, aus Respekt, kurze Reden. Alle andere Schätzung und Wertung ist ihm überkommen, selbst was unseres lieben Herrgotts und all‘ seiner Heiligen Gnad‘ und Barmherzigkeit anlangt, verläßt er sich auf seines Pfarrers Wort und Lehr‘. Alles, was in seinem Kreise dem Hergebrachten zuwiderläuft, macht ihn verlegen und mißtrauisch, ‚s mag ja von Gott gegeben sein, ‚s könnt‘s aber auch der Teufel geschenkt haben, wer weiß sich da schnell aus? Und gar, was so inmitten zwischen dem Weltlichen und Heiligen liegt, das Gebiet der Kunst, das ist ihm allzeit nebelgrau geblieben und dürfte es ihm wohl bleiben; vor einem Kunstgegenstande wagt er sich kaum über das reservierte Urteil hinaus: Das schaut schön aus! Da war denn nun der Kleebinder Muckerl, klein und knirpsig, sicher außerstand, auf dem Felde seinen Mann zu stellen, freilich war sein Glück, daß er findig und geschickt genug war, sich daheim mit leichterer Arbeit mehr Geld zu verdienen, als manche andere mit der harten, aber feiern durfte er auch nicht, und sein‘m Sack war wohl noch auf‘n Grund zu seh‘n, übrigens, war solche Arbeit überhaupt welche zu nennen und Ehr‘ dabei aufzuheben? Wohl heißt‘s, zu Zwischenbühel da sitzt einer, der versteht‘s Herrgottlmachen und Heiligenschnitzen, aber (die guten Zwischenbüheler empfanden instinktiv, daß ihr Dorfkind kein Genie sei) wenn er‘s gar so ausbündig, so aller Welt ungleich verstünd‘, säß‘ er nit mehr unter uns. Eben dieses Gefühl der Gewöhnlichkeit Muckerls, das dem unzureichenden Grunde, ihn als etwas Besonderes zu betrachten, entsprang, machte ihn wohlgelitten, nur wollten ihn die Bursche unter sich nicht als einen gleichen gelten lassen, und schau‘ ein‘s, nun möcht‘ mit einmal das Halbmännel, der Stub‘nschaffer gar vor allen was voraushaben und mit der Schönsten vom Ort gehn?!

      Dazu dürft‘ ihm doch wohl der Weg zu verlegen und zu verleiden sein.

      Wär‘ anders denen unter‘m Vordache draußen die Lustigkeit vom Herzen gegangen, so hätten sie die Gesellschaft, die da rückwärts im Garten saß, verlachen können, denn die kam zu keinem Behagen.

      Der Stämmige, der zuerst herbeigeschlichen war, hatte sich ohne viele Umstände an Muckerls Tisch gesetzt, nachdem er dem Herrgottlmacher ein paar kurze Reden gegönnt, wobei er, über dessen Achsel hinweg, Helenen zublinzelte, ging er sofort daran, sich dieser gegenüber als den Spaßhaften und Zutätigen zu bezeigen, denn er hielt dafür, daß der Deckel rasch vom Korbe müsse, wenn er Hahn darin sein wollte, denn die andern Bursche würden nicht lang wegbleiben, aber schon der nächste, der hinzukam, fand ihn verdrossen mit einer hochgeröteten Backe dasitzen.

      Und alle Bursche, wie sie sich nun hinzufanden, richteten erst vorab paar Worte an den Muckerl, dann reckten sie die Hälse und sprachen von dem nächsten Tische herüber zu der Dirne, als säße die allein unter ihnen.

      »Zinshofer Dirn‘, anschau‘n is wohl erlaubt?«

      »Wenigstens nit verboten,« sagte sie.

      »Könnt‘st uns ein G‘fallen erweisen —«

      »Wüßt‘ kein Grund.«

      »Sag‘ uns, wie d‘ so sauber sein magst?«

      »Dank für‘s Kumplament, is mir leid, daß ich‘s nit z‘ruckgeben kann.«

      »Macht


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