Der Sternsteinhof. Ludwig Anzengruber
würd‘ der Morgen grau. Ich hab‘ schon g‘sagt, Almosen war‘s kein‘s, daß ich nach‘m Bedürfen oder Verdienen fragen müßt‘, mir war um‘s Schenken und von dem Mein‘m werd‘ ich wohl weggeben dürfen, was ich entbehren mag!«
»Sag‘ lieber, was andere nit entbehren mögen!«
»Mein Geld is ‚s aber doch,« sagte der Bursche trotzig, »und um das Bissel, was ich mir von mein‘ Verdienst z‘ruckb‘halten hab und wovon du gar nix wüßt‘st, wenn dir nit fremde Leut‘ davon g‘sagt hätten, brauchtest du kein so g‘waltig‘ Aufheben z‘machen! Unsere Kastenladeln hast stürzen können, wie d‘ willst, ‚s wär‘ kein luketer Sechser h‘rausg‘fallen, bis ich zun Schnitzen ang‘hob‘n hab‘; all‘s Geld, was jetzt im Haus is, rührt von meiner Arbeit her, von dem hab‘ ich dir nix g‘nommen und nimm dir nix, so kannst dich wohl zufrieden geb‘n!«
Die Kleebinderin schlug die Hände zusammen und blickte zur Stubendecke auf, wie über eine ganz unerhört unbillige Zumutung. »Zufrieden geb‘n?!« sagte sie mit weinerlicher Stimme. »Bin ich denn a schlechte Mutter, die ihr‘m Kind kein‘ Freud‘ gönnt und verlangt, dasselbe soll sich z‘tod arbeiten, daß du mir ‚s Geld vorwerfen magst?! Hast du mich je klagen g‘hört die lange Zeit über, wo ich allein hab‘ schaffen und sorgen müssen, daß wir uns ehrlich fortbringen? Ich hab‘ kein‘ Müh‘ und kein‘ Plag‘ g‘scheut, uns ‚n Mangel fernz‘halten, und dabei nie keine andere Meinung g‘habt, als daß ich tät‘, wie einer rechtschaffenen Mutter zukäm‘! Wenn alleinige Weiberarbeit was zu erübrigen vermocht‘, so hätt‘ der Kasten nit erst auf dein Geld zu warten brauchen, womit du jetzt groß tust und mit dem ich mich zufrieden geben sollt‘, auch für die Kränkung, daß zwischen uns, die wir noch kein‘ Tag geschieden waren, jetzt mit einmal eine Fremde stehen soll, mir just die Allerwildfremdeste, die du hast finden mögen! Nein, Muckerl, gegen das kommst du mit dein‘m Geld nit auf, und wenn du sagst, daß du mir nix davon nähmst, so sag‘ ich, sei ohn‘ Sorg‘, ich nimm dir nix davon, kein‘ Groschen! Bin ich dir im Weg, so geh‘ ich. Konnt‘ ich die Jahr her ‚n Unterhalt für zwei bestreiten, werd‘ ich mit Gott‘s Hilf wohl noch so viel arbeiten können, daß ich mich allein fortfristen mag.« Sie drückte schluchzend den Kopf in die Kissen.
Der Bursche streckte ratlos die Arme gegen die Alte aus. »Mutter! Ich bitt‘ dich, tu‘ doch g‘scheit! Verfall nit af Gedanken und sinn‘ Sachen aus, womit d‘ ein frei verzagt machen könnt‘st! Laß‘ dir sagen, was kann denn ich dafür, daß mir g‘rad die Dirn g‘fallt? Aber schau‘ dir nur die andern dagegen an! D‘ mehrsten tun ‚n Augen weh, wenig‘ vertragen ein näher Zuseh‘n, und keine is ihr gleich. Noch bevor ich g‘wußt hab‘, was die zweierlei Leut‘ auf der Welt bedeuten, hat mir schon kein‘ andere gefallen und jetzt erst recht nit! Kein größer Unglück könnt‘ ich mir denken, als wann die nit mein würd‘. Wahrhaftig ich will nit davon sagen, obwohl ich mir‘s oftmals schon ausgedacht hab‘, was für ein Segen das sein wird für die Arbeit, wenn mir vom früh‘n Morgen bis Feierabend so was Schön‘s im Haus unter‘n Augen h‘rumgeht, das ist just, als ob ein‘m beim Schnitzen und Pinseln was geschickt die Hand führet; aber nit, wie ich denk‘, mit ihr mein‘s Lebens froh z‘werden, muß ich dir sagen, daß d‘ mich recht verstehst, sondern, daß ‚s ohne ihr weiter für mich kein‘ Freud‘ auf der Welt gab‘! Gegen ‚s selbe Einseh‘n hab‘ ich mich a Zeit hart g‘nug g‘wehrt, denn nit nur deiner Warnung bin ich eingedenk g‘west, so viel ein‘s bei ein‘m solchen Blindekuhspiel noch z‘seh‘n vermag, hab‘ ich auch g‘seh‘n, z‘erst an mir h‘runter, daß ich mich in der Säubrigkeit nit ihr an d‘Seit stellen kann, denn ein wenig z‘nebenher an ihr hin, wo ich manch‘s g‘merkt hab‘, was mir nit hat g‘fallen mög‘n und noch nit g‘fallen mag, aber trotzdem kenn‘ ich kein‘ andern Wunsch und Will‘n, als sie zu hasdien und zu halten. Ja, sie is eitel, unwirtschaftlich und trutz‘, wie viel‘ sind das aber auch, um die sich nit d‘Müh‘ lohnen möcht‘, es ihnen abz‘gwöhnen? Sie aber – das war gleich mein Denken – könnt‘ wohl noch recht, ganz recht werd‘n, wann sie allweil um dich wär‘, wann‘s von dir zulernet! D‘rum hab‘ ich g‘hofft, weil ich nit von ihr lassen kann und sie mir doch auch gut is, daß du sie doch einmal, mir z‘lieb‘, leiden kannst!«
»Ja, weil du das eine nit kannst, soll ich‘s himmelweit andere können,« murmelte die Kleebinderin. »So sein die Kinder! Von ihr‘m ersten Schrei an müssen sich die Eltern in sie schicken. Dös klein bissel Folgsamkeit, was g‘rad‘ nur die Zeit, von wo‘s d‘Kinderschuh‘ antun, bis wo sie ‚s vertreten haben, nebenherlauft, is gar nit der Red‘ wert. Na, wolln‘s einmal überschlafen. Gute Nacht!«
»Gute Nacht, Mutter,« sagte Muckerl und zog, tief einatmend, die Decke an sich.
Die Kleebinderin begann nun eine ernste Selbstschau zu halten. Wozu war auch das leidige Gezänk? – rückte sie sich vor. – Bin doch nit gar so alt, daß ich mir nimmer vorstell‘n könnt‘, wie ein‘m jung z‘Mut is. Warum will ich Heu gegen ‚n Wind häufeln und mein‘m Bub‘n die Dirn verleiden, ohne die er nit sein mag, statt mich z‘freu‘n, daß sie ihm gut is? Weil ich nit will, daß ein‘m andern g‘fallt, was mir nit, und eigentlich hab‘ ich‘s doch nur gegen die alte Zinshoferin, die hat nie was taugt, aber was kann die junge für ihr‘ Mutter? Muß ‚s just derselben nacharten? Kreuzbrave Eltern hab‘n oft schlechtgeratene Kinder; ‚s kann doch auch einmal umkehrt der Fall sein. Wenn d‘Helen‘ erst da im Haus sein wird, wo ‚s nix Unrecht‘s sieht noch hört, und sie laßt sich bedeuten, gar so unlenksam wird sie ja nit sein, warum sollt‘ sie nit a brav‘ Weib abgeben, für‘n Muckerl schon gar, der g‘wiß a braver Mann wird?! Eher als nit! Aber all‘ dös hätt‘ ich vorhin bedenken soll‘n, statt, daß ich unvernünftig mich in d‘Hitz‘ red‘, bis ich vor Gift und Gall nimmer ausweiß. Bin doch wahrhaftig recht a bösartig‘, eigensinnig‘ alt‘ Weib! —
»Muckerl,« rief sie halblaut, »schläfst schon?«
»Nein, Mutter.«
»Ich denk‘ just, daß mer der Leut‘ G‘red‘ und Zwischentragerei ein End‘ macht und die Sach‘ fein schicksam einfädelt, dürft‘ wohl g‘raten sein, die Zinshoferischen zu uns z‘laden. Taugt dir‘s, so hätt‘ ich nix dagegen, wann du ‚s am nächsten Sonntag herüberbitt‘st.«
»Ja, Mutter.«
Mehr sagte er nicht, aber darüber, wie er es sagte, war die alte Frau recht vergnügt.
So fanden sich denn am Sonntag-Nachmittag die vier Leute im Kleebinderhäusel zusammen. Die beiden Bäuerinnen saßen sich gegenüber und sagten sich weder Liebes noch Leides, sondern sprachen vom Wetter und vom Wirtschaften: die Kleebinderin, ihrer Überlegenheit bewußt, redete ein Langes und ein Breites, und die Zinshoferin, öfter verstohlen gähnend, warf Kurzes und Schmales dazwischen. Helene bezeigte sich mehr respektvoll als freundlich, sie sah meist vor sich nieder, selten blickte sie nach Muckerl, der ihr gegenüber saß und kein Auge wandte. Er war der einzige, den die Langeweile nicht anfocht, weil er sich ganz rückhaltlos zufrieden und glücklich fühlte.
Vom nächsten Tage ab galt es im Dorfe für ausgemacht, daß nunmehr alles zwischen dem Kleebinder Muckerl und der Zinshofer Helen‘ in Richtigkeit sei. Die Dirne blieb sich übrigens in ihrem Verhalten ganz gleich, was die alte Kleebinderin veranlaßte, immer nachdrucksamer mit dem Kopfe zu schütteln. Es eilte der Helen‘ gar nicht, sich bei der Mutter Muckerls einzuschmeicheln, sie suchte deren Umgang nicht und hielt ihr bei Begegnungen gleichmütig Stand, so wie sie auch die Neigung des Burschen weder ermutigte noch ablehnte; ja, einem weniger Gutmütigen hätte sie sicher das Schenken verleidet, sie verstand sich zu keiner Bitte und zu keinem Danke.
Hatte sie Kleider oder Schuhwerk abgetragen, so sagte sie zu Muckerl: »Nun, schau‘ einmal, wie schnell das ruiniert! Sein doch recht betrügerische Leut‘, die so was verkaufen mögen, und du laßt dir auch alle schlechte War‘ aufhängen.« Oder wenn es sie nach irgend etwas verlangte, einem Schmuckgegenstande und derlei, so fragte sie: »Meinst nit auch, daß das schön wär‘ und mich kleiden möcht‘?« Er suchte dann bessere Ware und auch das Schöne und Kleidsame herbeizuschaffen.
Sie