Der Sternsteinhof. Ludwig Anzengruber

Der Sternsteinhof - Ludwig  Anzengruber


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»meinst du, ich denk nur vom Gründonnerstag auf Karfreitag? Ah, mein‘, nein.« Er zerrte ein kleines Päckchen hervor, das er in eine Jackentasche gezwängt hatte. »Da schau‘, was da d‘rein is.«

      Es waren Zwickelstrümpfe und hochrote Strumpfbänder mit Seidenbandschleifen.

      »Muckerl,« schrie die Dirne, vor Freude die Hände zusammenschlagend. »Du bist doch ein guter Bub‘.«

      »Ja, gut is er, der Muckerl,« sagte die Alte.

      Helen‘ setzte sich neben den Burschen. »Na, därfst auch zuschau‘n, wie ich‘s anleg‘.« Ohne sich im mindesten durch seine Nähe beirrt zu fühlen, probierte sie Strümpfe und Schuhe an. »Wie das paßt,« lachte sie, »du dürft‘st von mein‘ Füßen ‚s Maß g‘nommen haben.«

      »Das hab‘ ich auch mit‘n Augen; drauf muß ich mich ja verstehen, von welcher Größ‘ Hand, Fuß und Kopf zu eines Menschen sein‘m Leib paßt.«

      Die Dirne hielt den Saum des Rockes in der Höhe, wo die Strumpfbänder saßen, um die Beine geschlagen und betrachtete selbstgefällig ihre Füße. »Bis daher,« sagte sie lächelnd, »ist die Prinzessin fertig, von da ab fangt ‚s Bettelweib an, und das ist weitaus ‚s größere Stück.«

      Muckerl erhob sich. »Nur nit verzagt. Kommt Zeit, kommt Rat. Noch is nit aller Tage Abend. Gut‘ Nacht, ‚s ist jetzt Zeit, daß ich geh‘, sonst ängstet sich d‘Mutter oder schilt gar. Gute Nacht, miteinander.«

      Schon am andern Morgen hatte er Ursache, zu bereuen, daß er an seine Gutmütigkeit so gar keinen Vorbehalt geknüpft. Helene kam vorbeigelaufen, als sie aber ihn und die alte Kleebinderin in der Küche stehen sah, verweilte sie sich ein wenig. »Guten Morgen,« rief sie und rasch einen Fuß nach dem andern vorstreckend, fuhr sie fort, »eine närrische Freud‘ hab‘ ich mit den Schuhen und Strümpfen, ‚s is gleich ein anderes Gehen. Dank‘ dir schön dafür, Muckerl.«

      Die alte Frau sah ihren Sohn mit einem Blicke an, vor dem er sich verlegen zur Seite krümmte.

      Die Dirne wies die glänzenden Zähne, warf beiden einen boshaft lachenden Blick zu und lief weiter.

      Die Kleebinderin faltete die Hände ineinander und ließ sie in den Schoß fallen. »Muckerl!« Mehr war sie außerstande hervorzubringen, die Überraschung verschlug ihr die Rede, über welchen Umstand der gewissenhafte Bursche sich jedes heuchlerischen Bedauerns enthielt, dagegen fand er es sehr unbehaglich, daß sie diesen Tag über, so oft sie seiner ansichtig wurde, mit dem Kopfe schüttelte.

      Etwa eine Woche darnach kam Muckerl wieder einmal aus der Stadt zurück, aber diesmal umging er das Dorf nicht, er hielt sich auf der geraden Straße und schlenkerte auffällig mit den Armen, als wollte er die Leute, die eben um die Wege waren, sehen lassen, daß er mit leeren Händen käme.

      Gleichen Weges war eine gute Weile zuvor Helene mit flinken Füßen durch das Dorf gerannt, sie hielt dabei ein schweres Bündel mit beiden Armen gegen die Brust gepreßt. Jetzt kniete sie inmitten ihrer Stube, vor ihr auf dem Boden lagen Wäschestücke, Latzschürzen, Röcke und ein Sammetspenser ausgebreitet, und sie sah unter den langen Wimpern auf all‘ die Herrlichkeiten herab, ein Lächeln innerster Zufriedenheit in den Winkeln der aufeinandergepreßten Lippen.

      Die alte Zinshoferin schlug ein über das andere Mal die Hände zusammen. Endlich fragte sie: »Vom Muckerl?«

      Das Mädchen nickte.

      »Wofür hat er dir‘s gegeben?« fragte die Alte mit scharfem Tone, der jedoch bei ihrem lauernden Blick und gemeinen Lächeln nicht nach mütterlicher Strenge klang, sondern nach rüder Neugierde, die zu wissen verlangt, woran man sei, und Herrischkeit, die bestimmen will, wohin es weiter solle.

      Die Dirne sah stirnrunzelnd empor. »Wofür? Dafür, daß ich ihm auf der Straßen nit ‚n Weg und daheim nit d‘Tür weis‘. Für weiter nix.« Sie lachte höhnisch auf. »Du mußt wohl dein‘ Zeit a dankbar‘s Gemüt g‘habt haben, weil d‘ so fragen magst!«

      Als Muckerl der weit außerm Ort, im Busche, ihn erwartenden Dirne das Bündel einhändigte, ließ er sich von ihr zwei Dinge in die Hand versprechen, daß sie in ihrem neuen Putz seiner Mutter nicht unter die Augen gehe und daß sie sich nächsten Sonntag von ihm in‘s Wirtshaus führen lasse. Ob er auch nur einen Augenblick daran dachte, wie ungereimt es war, der Mutter verheimlichen zu wollen, was sonntags jeder als Neuigkeit von der Schenke mit heimtragen wird? Ach, der Bursche dachte wohl an gar nichts, als wie schön, wie gar aus der Weis‘ schön, die Dirne war!

      In der Samstag-Nacht, vor dem Einschlafen, drehte sich Helen‘ im Bette nach der Mutter um. »Hörst? Ich hab vergessen dir zu sagen, morgen führt mich der Muckerl in‘s Wirtshaus.«

      »Und du geh‘st?«

      »Warum nit? Wozu hätt‘ ich mein‘ Putz? Jetzt, wo ich unter d‘Leut gehen kann, hab‘ ich kein‘ Ursach‘ mehr, ihnen fern z‘bleiben.«

      »Na, da heißt d‘ aber auch schon vom Montag ‚s Kleebinder Muckerls sein Schatz.«

      »Mein‘twegen, mir schadt‘s nit, und ihm macht‘s ein‘ Freud‘, und die gönn‘ ich ihm.«

      »Die gönnst ihm?« murrte die Alte. »Spiel du dich nit auf die Erkenntliche hinaus! War‘ dir so um‘s Herz, so ging wohl dein‘ Mutter allen andern voraus! Nit? Aber wann nur du dich z‘zammstatzen kannst, so mag ich nebenherrennen wie ein‘ Hadernkönigin. Der Muckerl würd‘ mich auch bedenken, wenn du ihm nur ein gut‘ Wort gäbest.«

      »Ich hab‘ um mein‘ Sach‘ keins an ihn verlor‘n, werd‘ ich doch nit um fremde betteln.«

      »Ja, das stund‘ dir nit an, du hochfahrig‘s Ding? Halt‘st dich ‚leicht schon vor‘m Bettelngehen sicher? Nimm nur dein‘ Holzschneider. Fahrt ihm einmal unversehens der Schnitzer in d‘Hand und bleiben ihm die Finger verkrümmt, is ‚s mit der ganzen Herrlichkeit vorbei. Hätt‘st wohl auch auf was G‘scheiter‘s warten können.«

      In selbstgefälliger Eitelkeit, die Worte dehnend und singend, entgegnete die Dirne: »Zuwarten und aufdringen ist nit mein‘ Sach‘.« Sie befühlte ihre vollen Arme, die sie vor sich über der Bettdecke liegen hatte, den einen mit dem andern. »Mit solche Arm‘ braucht mer nur festz‘halten, was einem taugt, unter dö, was darnach greifen.«

      »Freilich wohl, dalkete Gredl! Aber laßt mer sich einmal d‘rauf ein, dann halt‘t mer nit nur, mer wird auch g‘halten und mag nit loskommen.«

      Das Mädchen kehrte sich gegen die Wand und gähnte. »Pah, wär‘ mir d‘rum, riskieret ich halt ein blaues Fleckel.«

      3. Kapitel

      Der Sonntag hat seine festliche Stimmung vom ersten Läuten der Kirchenglocken, das in der Morgenluft verklingt, bis nachmittags, wo man, vom Segen heimkehrend, wieder über die heimische Türschwelle tritt; darnach aber, wenn die Sonne sich neigt und die Vögel zu lärmen aufhören, während »Manner und Buben« im Wirtshause damit anheben, beginnt für jene, die in den Stuben sitzen, für die Bäuerinnen, für die Bursche, die kein Geld haben, für die Bauern, die es sparen wollen, für die Unkräftigen, die vom Siechtum eben erstanden sind oder sich in dasselbe gelegt haben, eine verlassene, nachdenkliche, ja, langweilige Zeit.

      Gegen das Verlassensein hilft freundnachbarlicher Besuch, gegen die Nachdenklichkeit unterhaltsame Ansprache, welche auch der Langweile nicht aufzukommen gestattet. Es war daher recht christlich von der alten Matzner Resl am oberen Ende des Ortes, daß sie sich entschloß, die Kleebinderin am unteren Ende desselben heimzusuchen. Die alte Resl befand sich nicht einmal allein auf ihrem Stübel, sie hatte da jederzeit ihr einzig Kind, die Sepherl, um sich, mochte sie übrigens auch einen kleinwenig selbstsüchtigen Anlaß zu dem Besuche bei der Mutter Muckerls haben, so soll das der Christlichkeit ihres Unternehmens keinen Abbruch tun; wer kann im Verkehr unter Menschen diese Schwäche hoch aufnehmen, die selbst der Frömmste im Verkehr mit Gott nicht los wird, durch den er für sich die ewige Seligkeit zu gewinnen hofft.

      So gingen denn Mutter und Tochter die schmale Straße zwischen der Häuserzeile und dem Ufer des Baches dahin. Sepherl war eine mannbare Dirne, mittelgroß, mehr sehnig als


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