Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer

Der Ochsenkrieg - Ludwig  Ganghofer


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weiß ich mir schon, nit weit von deiner Burg.«

      »— und meine Schlachten verlier ich. Da wirst kein Raubrecht haben.«

      »Ist auch nit schlecht. Fasten und arm sein können, ist eines Kriegsmanns beste Kunst.«

      »Gilt’s, Malimmes?«

      »Topp!«

      »Topp!«

      Runotter wollte gleich zu seinem Gaul. Aber Malimmes faßte ihn am Gürtel. »Halt, Herr, jetzt muß ich Treu schwören!«

      »Geh, Mensch, laß die Fasnachtspossen!«

      »Das muß sein!« sagte Malimmes ernst. Er stellte die Beine breit, legte die Linke auf seinen hageren Brustkasten, hob die Rechte mit gespreizten Fingern und sagte, wie ein Frommer sein Gebet spricht:

      »Meinem Herren tu ich den Eid,

      Will ihn schützen und ehren allzeit

      In Fried und Gefecht.

      Treu deinem Recht,

      Bin ich dein Knecht,

      Mit Herz, Haut, Fleisch, Blut und Sinn

      Hast mich, wie ich bin.

      Und tät ich nit, wie du befohlen,

      Soll mich der Teufel holen!«

      Freundlich sagte der Richtmann: »Bist noch allweil der gleiche Narrenschüppel, der du als Bub, gewesen.« Er wollte gehen.

      »Halt, Herr! Jetzt muß ich das Knie beugen.«

      »Geh, laß doch! So was mag ich nit.«

      »Herr, das muß sein!«

      »Sag doch nit allweil Herr zu mir! Ich bin keiner.«

      »Der meinig bist!« Malimmes beugte auf höfische Weise das Knie. »Meinem Herren zur schuldigen Ehr!« Als er aufstand, streckte er dem Runotter die Hand hin. Es war etwas Warmes und Schönes in der Art, wie er sagte: »Sei mir ein guter Herr, so bin ich ein guter Knecht, bei Tag und Nacht, in Glück und Elend.«

      »Auf mich ist Verlaß, Malimmes!«

      »Auf mich nit minder!« Der Soldknecht lachte. »Also, morgen mit der Sonne steh ich ein bei dir. Mit wem hast Fehd? Heut vor Nacht, da schleif ich noch meinen Bidenhänder. Da können wir morgen gleich losschlagen.«

      Fast ein bißchen schmunzelnd machte der Richtmann eine abwehrende Bewegung mit der Hand. »Da wirst dich nit tummeln brauchen.«

      Wie brennendes Blut lag der rote Schimmer des Abends über allen Dingen der Erde.

      Als Runotter schon gehen wollte, sah er zum Haus hinüber und sagte leis: »Von mir aus hast Urlaub bis zum Winter. Deiner Mutter könnt’s unrecht sein, daß du gehst.«

      Jede Spur von Heiterkeit erlosch in den Augen des Malimmes. »Die hat nit gemerkt, daß ich kommen bin. Wird nit merken, daß ich geh. Sieben Täg lang bin ich gelaufen in einem Saus von Nüremberg bis zum Taubensee. Allweil ein Freud vor mir. Jetzt bin ich da. Wo ist die Freud?« Er sah dem andern in die Augen. »Runotter! Wie von Nüremberg zum Taubensee, so ist der Weg von der Wiegen bis zur Grub.« Seine Brust hob sich. »Auf morgen! Ich komm. Und hast nit Kriegsmannsarbeit für mich, so laß mich die Säu hüten. Sind liebe Viecher.«

      Herzlich sagte der Richtmann: »Bei mir sollst es gut haben! Du und ich, paß auf, das gibt zwei feste Kameraden.«

      Sie gingen voneinander, Runotter zu seinem Gaul, Malimmes hinüber zum Haus.

      Neben der Mutter blieb er stehen und strich ihr mit zärtlicher Hand über den weißen Scheitel.

      Sie schob seine Tatze fort.

      »Steht am Zäunl. Und geht nit herein zu mir!«

      Malimmes blieb noch immer bei ihr stehen und wartete. Dann streckte er die langen Glieder und trat ins Haus.

      Durch den glühenden Abend trabte der Schimmel gegen das enge Waldtal hinauf. Den Weg zum Hängmoos kannte er gut. Im Walde fing es schon zu dunkeln an. Der Schimmel fand sich zurecht, ohne daß sein Reiter ihn lenken mußte.

      Es war im Richtmann eine Ruhe, über die er sich selber wunderte. Aber war denn nicht die angedrohte Pfändung eine Narretei geworden, jetzt, seit er wußte, daß der gewächsnete Rechtsbrief in der Truhe des Seppi Ruechsam lag? Oder kam diese Ruhe aus seiner Vaterfreude? Weil er seine Kinder sehen sollte? Oder war diese Ruhe in seinem Herzen seit dem Handschlag des Malimmes? Wird das Leben ein besser Ding in der Stunde, in der man einen Menschen findet, aus dessen heiteren Augen die Treue redet?

      Im steilen Walde stieg Runotter ab, damit dem Schimmel das Klettern leichter würde. Als die beiden das dunkle Almfeld erreichten, nahm der Richtmann dem Gaul das Zaumstricklein und den Gurt herunter und ließ ihn laufen. Der Schimmel wälzte sich gleich in der nächsten Schlammwanne des Bruchbodens.

      »Guck, wie gescheit! Der zieht ein warmes Jäckl an, daß er sich nit verkühlt.«

      Raschen Ganges schritt Runotter über die Alm hinauf. Es war schon finster. In der Höhe und im stahlblauen Osten glänzten die großen Sterne. Gegen den Westen lag noch ein schwefelgelber Streif des versinkenden Lichts über dem Lattengebirge. Warm, wie aus einem Backofen, strich die Nachtluft über das Gehänge herunter. In den Sümpfen des Bruchbodens sangen mit viel hundert Stimmen die Frösche. Diese Stimmen, von denen eine wie die andre klang, schwammen zu einem gleichmäßig flutenden Rhythmus ineinander. Ein endloses Lied mit einem einzigen Wort: »Wogwogwogwogwog ...« Fast klang es, als hätte die Erde irgendwo — in der Nähe oder fern? — eine verborgene Kehle, durch die eine geheimnisvolle Stimme der Tiefe heraufsang.

      Dazu noch, weit in der Finsternis draußen, das Rauschen eines Baches. Und hier und dort, ganz leise, tönte zuweilen eine Almschelle. Die Rinder ruhten schon. Doch plötzlich kam etwas heftig Rasselndes durch die Dunkelheit heran, sehr schnell, dumpf schnaubend, eine finstere Tiergestalt mit plumpem Kopf: ein vierjähriges Öchslein, das seinen Heimherrn gewittert hatte. Sah wie ein Schreck der Finsternis aus — und war tierische Zärtlichkeit. Der Atem des Rindes ging dem Richtmann heiß und wohlriechend gegen die Wange, gegen die Hand.

      »Dunnerli, bist du’s?«

      Ruhig ging das Öchslein neben dem Bauer her bis auf einen Steinwurf vor der Hütte, aus deren Tür ein matter Rotschein herausgloste.

      Im Dunkel eine leise, froh erschrockene Stimme: »Vater?«

      »Wohl, Kindl!«

      Jula, die neben der Tür auf der Hüttenbank gesessen, gab dem Vater die Hand. »Wird der Bub sich freuen!« Ihre Knabenstimme war wie ein linder Flötenton in der Nacht.

      »Wo ist er?«

      »Schlafen tut er schon. Der wird Augen machen, wenn du ihn weckst.«

      Runotter schwieg. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf. »Soll er lieber schlafen. Der Schlaf ist das best. Da ist der Mensch dem Himmel näher und weit von der Welt.«

      Die Hirtin nickte. »Ist schon wahr. Besser, der Jakob schlaft. Das tut ihm gut. Heut schon gar. Er muß sich ein lützel geärgert haben.« Sie meinte den Auftritt mit Marimpfel; aber davon mochte sie dem Vater nichts erzählen. »Du weißt, nach einem Ärger tut er sich allweil mit dem Schnaufen hart. Zum Abend ist’s wieder besser gewesen. Gut, daß er schlaft.«

      »Freilich, ja!« Runotter tat einen schweren Atemzug. »Daß du noch nit zur Ruh bist?«

      »Zum Abend sitz ich allweil so und schau hinaus. Und die Frösch, die mag ich leiden.«

      Runotter streifte die Schuh von den Füßen. Lautlos, mit nackten Sohlen, trat er in den Käser und ging zum Heukreister hin, der in der Ecke war. Von der Kohlenglut des Herdes strahlte ein rotes Zwielicht aus. Und unter diesem roten Schimmer lag in der breiten, mit Heu gefüllten Schlaftruhe ein Häuflein mühsam atmenden Lebens. Eine graue Wolldecke verhüllte den winzig zusammengehuschelten, bresthaften Körper. Das


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