Versuch einer Ethnographie der Philippinen. Blumentritt Ferdinand

Versuch einer Ethnographie der Philippinen - Blumentritt Ferdinand


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gewesen wären; im Gegentheile erst die Ankunft der edlen Castilianer lockte sie in grösseren Mengen nach den Philippinen, der Acapulco-Handel, der so viele chinesische Waaren mit dem in China so hochgeschätzten amerikanischen Silber baar bezahlte, war es, der die Chineseneinwanderung nach unserem Archipel lenkte. Die Spanier fanden bei ihrer Ankunft nirgends Chinesenansiedlungen vor, sondern nur einzelne chinesische Kauffahrer. Die Chinesen haben seit ihrer Niederlassung im Lande durch Erzeugung einer Mischlingsrasse, der Mestizos de Sangley, einen neuen Bevölkerungsbestandtheil den Philippinen zugebracht, der durch seine Intelligenz berufen ist, einst eine grosse Rolle zu spielen.

      Die Japanesen traten in ähnlicher Weise wie die Chinesen in dem Archipel auf; seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts aber, wo die letzten derselben Manila verliessen, kamen keine mehr nach den Philippinen.

      In den ersten Zeiten der Conquista wurden auch Neger- und Kaffer-Sclaven von portugiesischen Händlern eingeführt; die aber noch unter Philipp II. erfolgte Aufhebung der Sclaverei auf den Philippinen machte diesem Handel zum Glücke ein rasches Ende und ersparte den Indiern die Verseuchung durch Negerblut. Von diesen Schwarzen ist keine Spur mehr vorhanden.

      Von „kaukasischen” Völkern kommen zunächst die Spanier in Betracht, welche mit den Eingeborenen sich vermengten und so die Kaste der Mestizos españoles schufen. Portugiesen wanderten besonders im XVI. und Anfangs des XVII. Jahrhunderts ein, von ihnen haben sich keine Spuren mehr erhalten, sie gingen in die Spanier auf. Andere europäische Nationen kommen gar nicht in Betracht. Unbedeutend war auch die im XVII. und XVIII. Jahrhundert dann und wann Statt findende Einwanderung von Armeniern4, Klings und anderen Stämmen Südindiens, diese Einwanderung beschränkte sich übrigens nur auf Manila. Die wenigen Araber, welche als Proselytenmacher und Kaufleute nach Mindanao und Sulu kamen, waren auch nur Tropfen im Meere.

      Die Linientruppen, welche die Spanier im XVII. und XVIII. Jahrhundert in Manila und Zamboanga unterhielten, bestanden der Hauptmasse nach aus mejicanischen, zum Theile auch peruanischen Indianern und Mestizen, welche alle mit Tagalinnen sich verheiratheten. Für Manila bedeutet diese Blutmischung bei der geringen Anzahl der Truppen und der starken Bevölkerung so viel wie Nichts, für Zamboanga aber, welches früher eine nur unbedeutende Bevölkerung und eine verhältnissmässig starke Garnison besass, fällt diese Blutmischung stärker in die Wagschale.

      I. Negritos

      Die Negritos oder Aëtas sind beinahe im ganzen Archipel der Philippinen zu finden, jedoch nirgends in grösserer Anzahl, und nur an der Nordostküste Luzons sind sie noch Strandbewohner geblieben, sonst haben sie nur die Gebirgswildnisse der Binnenlandschaften inne, wenngleich sie in jenen Landschaften, wo sie mit Spaniern und Malaien in freundlichem Verkehre stehen – diess ist nicht überall der Fall – , auch zu den Gestaden des Meeres kommen, um dort Waaren einzutauschen. Sie bilden, besonders auf Luzon, eine grosse Anzahl von Rassen-Inseln, welche durch weite Strecken von Malaien bewohnten Landes von einander getrennt sind.

      Ihr Hauptgebiet liegt im Nordosten Luzons, den Provinzen Nueva Écija (nördlicher Theil), Príncipe, Isabela und Cagayán. Hier sind sie, wie kurz vorher erwähnt, auch Strandbewohner, indem sie den nördlichen Theil der Ostküste von Luzon von Palanan im Süden bis zum Cap Engaño im Norden bewohnen (Semper, Skizzen 49) und zwar ausschliesslich, denn bis zu diesen sturmgepeitschten Gestaden sind die malaiischen Eroberer nicht vorgedrungen. Diese Küste ist der letzte Fleck Bodens der Philippinen, in welchem die ursprünglichen Herren des Archipels, die Negritos, sich im ungeschmälerten Besitze des heimischen Bodens behaupteten. Auch der Ostabhang jener gewaltigen Cordillere, welche sich längs dieser Küste hinzieht, ist ihr unbestrittener Besitz, während am Westabhange die Negritos bereits das Land mit Stämmen malaiischer Abkunft theilen müssen. Auf diesem Boden besitzen sie auch ihre „grösste Reinheit der physischen wie der geistigen Charaktere” (Semper, a. a. O.). Im Thale des Rio Cagayán (Grande) oder Tago leben sie gleichfalls, bei Furao, Gamú, Ilagan, Tumauini, Cabagan und Tuguegarao (Mas, pobl. p. 39–40), aber auch im Stromgebiete des Rio chico de Cagayan bei Tuao und Malaueg begegnen wir ihnen (Mas, a. a. O., p. 41). Die Nordküste der Provinz Cagayán wird von ihnen nur in der Nähe des C. Engaño berührt, wo wir sie beim Vulcane Cagua häufig antreffen, von dem Meere durch Malaien, die Cagayanen oder Ibanags, getrennt, wohnen sie südöstlich und westlich von Abulug und in den Waldwildnissen von Masi (Mas, pobl. 42).

      Ihr Vorhandensein in Ilócos ist von Semper (Erdk. XIII, 89) abgesprochen worden, doch ist diess wohl nur ein Versehen, indem Semper nur, so fasse ich es wenigstens auf, ihre Existenz im südlichen Theile jener Landschaft, d. h. in den heutigen Districten Benguet, Lepanto, der Provinz Union und dem südlichen Theile der Provinz Ilócos Sur verneinte, und diess ist auch richtig, denn jener Landstrich wird von den Igorroten bewohnt, einem ungemein kriegerischen Malaienstamm, der gewiss schon vor Jahrhunderten die Negritos, die in seinem Gebiete wohnten, vernichtet hat. Für den Militärdistrict Lepanto bestätigt Lillo de Gracia (Dist. de Lep., p. 18) diese Thatsache, indem er ausdrücklich erwähnt, dass sich in dem ganzen Districte keine Negritos befinden. In dem nördlichen Theile der Provinz Ilócos Sur existiren aber Negritos, Diaz Arenas nennt uns sogar die Ziffer, welche die den Spaniern unterworfenen Angehörigen dieses Stammes in Ilócos Sur ausmachen: 145 Köpfe. Buzeta erwähnt einer Negrito-Ranchería (kleine Niederlassung) bei Candon. In Abra dürften nur wenige Negritos anzutreffen sein, dagegen ist ihre Anwesenheit in Ilócos Norte sichergestellt (Ilustr. 1860, Nr. 12, p. 153; Hügel, S. 359). Die Zahl der die Autorität der spanischen Behörden anerkennenden Negritos der Provinz Ilócos Norte betrug 1848 nach Diaz Arenas 113 Seelen, neuere Daten sind mir nicht bekannt.

      In Pangasinán begegnen wir ihnen wieder (Mas, pobl. p. 1), Diaz Arenas erwähnt einer Ranchería bei S. Miguel, sie zählte nur 32 Köpfe, offenbar sind es bereits unterworfene Leute. Was Diaz Arenas von 4000 Negritos in dem Grenzgebirge zwischen Pangasinán und Zambales spricht, ist ein offenbarer Irrthum. Denn die Grenze Pangasináns gegen Zambales berührt jenes Gebirge nur in seinen äussersten Ausläufern, kann also unmöglich eine so grosse Zahl dieser Wilden beherbergen, und schliesslich bemerkt Drasche (Fragm., S. 21) ausdrücklich, dass der nördliche Theil jener Cordillere unbewohnt sei. Es ist also jene (jedenfalls übertriebene und auf roher Schätzung beruhende) Ziffer nur auf die in der Provinz Zambales (südl. Theil) wohnenden Negritos zu beziehen. In Zambales und Bataán sind sie häufig, Dr. A. B. Meyer hat sie dort selbst aufgesucht und uns nicht nur genaue Nachrichten, sondern auch Skelette mitgebracht, desgleichen Dr. Schadenberg. 1848 zählte man nach Diaz Arenas 825 den Spaniern unterworfene Negritos. In dem centralen Theile von Luzon leben sie nur in vereinzelten Horden: in der Provinz Bulacán (beim Monte Angal und S. José), in den Wäldern von S. Mateo und Bosoboso in der nächsten Nähe der Hauptstadt (Waitz, V, 57.Mas, pobl. 1.Jagor, Phil. 51.Meyer, Negr., S. 25). In Cavite und Taal scheinen sie zu fehlen, doch deutet eine Sage über die Laguna de Bombon auf ihre frühere Anwesenheit. Über ihre Existenz in Tayabas berichtet nur ein Gewährsmann, Diaz Arenas, der von 516 unterworfenen Negritos spricht, und Cavada 1, 198. Auf der Insel Alabat (Ostküste Luzons) sind sie auch vorhanden (Semper, Skizzen 49).

      Das Südende Luzons bildet die langgestreckte, stark gegliederte Halbinsel Camarínes, auf welcher sich die Provinzen Camarínes Norte, Camarínes Sur und Albay befinden. Ob hier Negritos wohnen, war früher zweifelhaft. Semper (Skizzen, 49) sagt: „im südlichen Luzon scheinen sie zu fehlen” und Jagor (Phil. 106): „reine Negritos kommen, so weit meine Erkundigungen reichen, in Camarínes nicht vor”. Dem entgegen berichtet Drasche (Fragm. 66), dass am Vulcan Iriga eine Ansiedlung von Negritos und eine andere von Mischlingen von Negritos und Vicol-Malaien existirte. Da aber Jagor ausführlich über jene wilden Stämme am Iriga berichtet und sie nicht zu den Negritos zählt, so schien jene Meldung ein Irrthum des Geologen Drasche zu sein. Andererseits befindet sich in den Sammlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft ein männliches Negritoskelett vom Iriga, welches Dr. Schetelig mitgebracht hatte (Virchow, Verh. d. Berl. Anthr. Ges. 1871, S. 36). Drasche erwähnt (Fragm. 61), dass in den Gebirgswildnissen von Camarínes Norte Negritos leben, woran gewiss nicht gezweifelt werden kann, denn jene Territorien sind sehr dünn bevölkert, und die Vicol-Malaien, welche an den Küsten und in den Flussthälern wohnen, eine indolente und unkriegerische Rasse, somit alle Vorbedingungen zur


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<p>4</p>

Sind nicht unter diesen „Armenios” richtig Parsis zu verstehen?