Versuch einer Ethnographie der Philippinen. Blumentritt Ferdinand
auf der nackten Erde (Semper, l. c. und Ilustracion 1860, n. 17, p. 193), diese Schutzdächer tragen sie bei ihren Wanderungen mit sich herum.
Um sich vor der Nachtkälte in den Bergwäldern zu schützen, legen sie sich so nahe an das Feuer, dass man glauben sollte, ihre Haut müsse versengt werden, oder sie legen sich sogar in die heisse Asche hinein. Da sie sonst auch sehr unreinlich sind, so ist es kein Wunder, wenn ihr Körper mit Schmutzkrusten bedeckt ist.
Bis zum Eintritt der Pubertät laufen sie ganz nackt herum (Mundt-Lauff, Natur V, 458), dann schlagen sie sich ein Tuch um die Lenden oder tragen ein oft ungenügendes Suspensorium (Meyer, Negr. 15). Die Weiber jener Horden, welche in einem freundschaftlichen Handelsverkehre mit den Christen stehen, tragen ein kurzes Jäckchen (auf den Philippinen Hemd – camisa – genannt) und den Tapis der philippinischen Malaien (Ilustr. 1860, n. 17, p. 193). Unter den Männern tragen einige auch einen erhandelten Mantel um die Schultern und auf dem Kopfe ein Tüchlein (Ilustr., l. c.). Die Leibbinde besteht aus einem selbstbereiteten Baumrindenstoff oder aus gekaufter Baumwolle. Es giebt aber auch Negrito-Horden, welche die Tracht der christlichen Malaien angenommen haben (Cavada I, 221; II, 127).
Sie kennen und üben die Sitte des Tätowirens. Bei den Negritos von Zambales und Bataán (Sierra Mariveles) werden die Tätowirungsmuster, welche aus geradlinigen Mustern bestehen, durch Hauteinschnitte mittelst geschärfter Bambussplitter erzeugt. Dadurch entstehen schwach erhöhte Narben, welche aber erst in grosser Nähe in die Augen fallen (Meyer 16). Auch die Dumagat-Negritos tragen geradlinige Muster auf Brust, Oberleib, Schultern und Rücken, hier (Nordost-Luzon) aber werden keine Hauteinschnitte gemacht, sondern jene Muster wie bei den umliegenden Malaien mittelst einer Nadel eingestochen (Semper, Skizzen 50). Sobald die Tätowirung vollständig ist, wird der Negrito-Jüngling ein selbständiger Mann, er kann jetzt heirathen und eine Familie gründen (Schadenberg 136).
Bei einigen Horden werden die Schneidezähne sägeförmig zugefeilt (Jagor 374; Meyer, Negr. 23 u. 27), diese Sitte ist aber nicht allgemein, denn Mas (pobl. I) sagt ausdrücklich, er hätte nur einige Negritos gesehen, welche die Zähne spitzgefeilt trugen, was auch Schadenberg bestätigt (136). Semper will diese Sitte nur auf die Negritos von Mariveles oder Zambales beschränkt wissen (Palau-Inseln 364). Über künstliche Schädeldeformation ist wenig bekannt, doch muss dieselbe wenigstens theilweise Statt finden (Schadenberg 135).
Ledige Männer tragen in den Haaren Kämme aus Rohr (m. vgl. die Abbildungen bei Schadenberg), angeblich zum Zeichen ihres ehelosen Standes (Ilustr. 1850, n. 17, p. 193), doch scheint letzteres nicht für alle Horden zu gelten, am allerwenigsten für die Negritos der Sierra Mariveles. D. Sinibaldo Mas (pobl. 2) erwähnt, dass bei den Negritos der Waldwildnisse des Mte. Camachin die Mädchen Halsbänder aus Palmenblättern trugen. Von ähnlichen Halsbändern aus Bast- oder Bejucoschnüren spricht Dr. Schadenberg (S. 141). Die Negritos von Zambales tragen nur selten Ohrgehänge, welche mitunter aus Muscheln bestehen, die Dumagat-Männer sowie alle Negrito-Weiber tragen in ihren Ohren verschiedene Schmuckgegenstände oft der verwunderlichsten Art. Es sind oft nur Stücke Rohr oder Holzsplitter, welche an den Enden ganz zerfasert sind, so dass faustgrosse leicht gekräuselte Büschel dadurch entstehen; Semper (Erdk. XIII, 253) fand diesen Schmuck bei den Dumagat-Negritos. Die Weiber benutzen ihre Ohren auch als Transportmittel, indem sie Rollen jener Pflanzenrinde, welche ihnen zur Bereitung ihrer Kleiderstoffe dient, in die Ohrlöcher stecken (Semper, Erdk. XIII, 253). Manche Weiber tragen auch ein Zweiglein sammt seinem Blüthenschmucke in den Ohren (Ilustr. 1860, n. 17, p. 193), die Weiber tragen auch schön verzierte Bambuskämme in den Haaren (Schadenberg 141). Ringe werden an Armen und Beinen getragen (Semper, Skizzen 50). Glasperlen und Messingdraht (um den Hals zu tragen) dienen den Frauen zum Schmucke (Meyer, Negr. 15). Sonst schleppen sie noch selbstverfertigte Beutel mit sich herum, in denen sie den leidenschaftlich begehrten Tabak und Betel verwahren. Da ich schon vom Tabak spreche, so sei erwähnt, dass sie ihn nur in Cigarrenform rauchen, wobei sie das glimmende Ende zwischen die Zähne nehmen (Schadenberg 146). Eine Zierde der Männer ist der Hayabung, d. h. eine mit Wildschweinborsten, Glasperlen und Fledermausfellen verzierte Schnur, die oberhalb der Wade getragen wird (Schadenberg 141). Nach Dr. Jagor legt diesen Schmuck nur derjenige an, dem es geglückt ist, ein Wildschwein zu erlegen.
Man hat ihnen früher jede Religion abgesprochen. Bastian (Reisen V, 268) berichtet, dass sie ausser Gott („Cambunian”) Mond und Sterne verehren. Beim Donnern opfern sie Schweine und dem Regenbogen bringen sie Gebete dar. Nun ist aber der Cambunian eine Igorroten-Gottheit, ebenso ist, was Mas (pobl. 4) von der Religion der Negritos vom Mte. Camachin erwähnt, der alte Glaube der Tagalen. Nur was den Mondcultus anbelangt, ist Bastian im Rechte, denn Schadenberg erzählt (S. 144), dass sie in Vollmondnächten mit Bogen und Pfeil auf den Schultern Tänze abhalten, an denen auch die Weiber theilnehmen. Dr. A. B. Meyer konnte bei den Negritos der Sierra Mariveles weder Götzen oder den Göttern geweihte Stätten entdecken. Bei den Dumagat-Negritos existiren einige „rohe Mythen, die sich um Essen und Trinken drehen”; auch feiern sie in Gesängen eine grosse Schlange, welche ihnen im Traume die Orte weist, wo das Wild oder der Honig zu finden ist (Semper, Erdk. X, 254).
Die Frauen gebären leicht und schnell, bei schweren Geburten vertritt ein altes Weib die Stelle der Hebamme. Die Nabelschnur wird durch einen scharfen Bambus abgetrennt und das Kind abgewaschen, und zwar mit Wasser, welches an der Sonne gestanden hat. Die Kinder werden rittlings auf der Hüfte und später auf dem Rücken getragen (Schadenberg 135); das Stillen dauert beiläufig zwei Jahre (l. c.).
Die Ehen werden frühzeitig vereinbart, aber erst später nach erlangter Pubertät vollzogen, es giebt Eheleute oder vielleicht richtiger gesagt Verlobte, welche nur 8 oder 9 Jahre zählen (Ilustr. 1860, n. 17, p. 193). Nach Mundt-Lauff (Natur V, 458) heirathen die Männer nicht vor dem fünfzehnten, die Weiber nicht vor dem dreizehnten Jahre. „Monogamie ist bei ihnen Regel” berichtet Schadenberg (135). Bei den Negritos von Albay wird die Braut durch Kauf vom Schwiegervater erworben; wird die Ehe durch Untreue der Gattin gelöst, so muss dieser Kaufpreis dem Schwiegersohne rückgestellt werden (Cavada I, 221). Die heutigen Negritos von Zambales-Bataán suchen ihre Frau sich womöglich aus der eigenen Verwandtschaft, während bei den Negritos auf Negros Ehen innerhalb derselben Horde, wenigstens am Ausgange des XVII. Jahrhunderts, nicht gestattet waren, man konnte die Weiber nur durch Raub von fremden Horden erlangen, und diess führte zu endlosen Kriegen (Allg. Hist. XI, 412). Die Hochzeit selbst wird durch Gesang und Tanz gefeiert, wobei Braut und Bräutigam in festlichem Schmucke erscheinen (Schadenberg 137). Die Frau hat alle Lasten des Lebens zu tragen, dem Manne obliegt nur die Jagd, er hat auch eine unumschränkte Macht über alle Glieder seiner Familie (l. c.). Ein angenehmer Zug im Charakter der Negritos ist die hohe Achtung vor dem Alter, erwerbsunfähige Greise werden von ihren Angehörigen liebevoll gepflegt (Schadenberg 135).
Da sie nur mit Misstrauen sich den Christen nähern, so ist uns auch über ihre sonstigen Bräuche wenig bekannt. Ihre Festlichkeiten bestehen in Tänzen und Gesängen. Der Tanz Acubac wird in folgender Weise ausgeführt: ein oder mehrere Mädchen stellen sich in die Mitte eines Kreises, welcher von Männern gebildet wird. Diese halten einer den anderen beim Gürtel fest und drehen sich um die Weiber, indem sie mit den Füssen den Boden nach dem Takte eines monotonen und langweiligen Gesanges stampfen. Ähnliches berichtet Dr. Schadenberg. Dieser Gesang heisst „inalug” und wird von den Weibern gesungen, die Männer wiederholen oder antworten mit einem ähnlichen Wechselgesang (Ilustr. 1860, n. 17, p. 194). Der Text besteht aus sinnlosen und zufälligen Phrasen (Meyer 16), alte Männer halten es unter ihrer Würde mitzusingen, diess gebührt nur den jungen. Mas (pobl., p. 3) vergleicht diese Gesänge der Negritos mit dem Comintan der Tagalen, jedenfalls müssen diess andere sein, wie der eben beschriebene Acubac. Nach Semper besingen sie auch kriegerische Grossthaten. Die Negrito-Weiber vom Mte. Camachin besassen eine Art von Guitarre oder Zither, welche aus Rohr verfertigt war, die Stelle der Saiten vertraten drei dünne Fäden, welche aus Wurzelfasern bestanden, doch gab es auch solche von Sehnen. Das Instrument besitzt keinen Griff und wird mit der linken Hand gespielt (Mas, l. c.). Mit dieser Zither oder Guitarre begleiteten sie im 2/4 Takte den Gesang anderer Mädchen, wobei die Spielenden mit dem Fusse taktförmig stampften, auch die Männer