Versuch einer Ethnographie der Philippinen. Blumentritt Ferdinand
wird gleichfalls getragen, doch ist es meist europäischen oder chinesischen Ursprunges oder doch fremden Mustern entlehnt. Die Füsse stecken bei allen Bemittelten in eigenthümlichen Pantoffeln, den sogenannten Chinelas, deren Oberdecke so kurz ist, dass sie kaum die Zehen bedeckt.
Die Tagalen leben vom Fischfang und Ackerbau. Der Reis ist ihre Hauptnahrung, deshalb wird er auch am meisten gebaut. Auf einer Ausstellung zu Manila wurden 60 angeblich verschiedene Reisgattungen ausgestellt, welche sämmtlich in den Philippinen gebaut werden (Jagor, Skizzen 37). Dem Reisbau wenden sie auch die grösste Sorgfalt zu, obwohl sie nicht viel mehr zu bauen pflegen, als sie selbst zum Unterhalte brauchen. Wo die Äcker an Waldwildnisse grenzen, werden sie durch lebendige Hecken aus einer sehr stacheligen Bambusart geschützt (Semper, Skizzen 135). Die Ackergeräthe sind sehr plump und meist aus Bambus zusammengesetzt. Den Pflug zieht der Carabao-Büffel, von dem ich noch weiter unten sprechen will. Reis ist ihre tägliche Nahrung, und man sieht die Weiber stets damit beschäftigt, den noch in der Hülle steckenden Reis – „pálay” genannt – durch Stossen in einem Holzmörser – lusong – zu enthülsen. Diejenige Speise, welche bei ihnen nicht nur die Stelle unseres Brotes vertritt, sondern für viele die ausschliessliche Nahrung ist, besteht nur aus in Wasser gekochtem, oft ungesalzenem Reis, der Name derselben ist: Morisqueta oder Canin. Auch ihre Leckereien und Delicatessen bestehen meistentheils aus Reis, so die Bibinca (gekochter Reis mit Cocosmilch) &c. Aus Reis wird auch ein Branntwein gebrannt. Die Vorliebe für den Reis ist so gross, dass selbst der Chocolade gerösteter Reis zugesetzt wird.
Nächst dem Reis werden noch Camóte und Mais gebaut. Camóte (Convulvulus batatas) wuchert beinahe ohne jede Pflege, sie ist „eine unversiegbare Vorrathskammer für den Besitzer, der das ganze Jahr hindurch seinen Bedarf dem Felde entnehmen kann” (Jagor 122). Von Nahrungspflanzen für heimischen Bedarf werden noch Gabi (Caladium), Ubi (Dioscorea) und zwei Arumarten cultivirt. Der Cacaobaum wird zwar gepflanzt, liefert aber bei der Indolenz der Eingeborenen und der Empfindlichkeit des Baumes einen schlechten Ertrag. Der Caffeebau, für den Export bestimmt, nimmt immer mehr zu, Zuckerrohr wird von den Tagalen nicht in der Menge gebaut, wie von den Visayern. Die Fruchtbäume des ostindischen Archipels werden auch von den Tagalen gezogen, ich gebe hier die wichtigsten nach der „Ilustracion filipina” (1859, n. 12, p. 99) mit den tagalischen Namen an: Manga (Mangifera indica), Saguing (Musa paradisiaca) von den Spaniern „plátano” genannt, Atte (Annona squamosa), Sapote (Sapote nigra), Tampoy (Eugenia Malaccensis), Piña (Bromelia ananas), Mangostan (Garciana mangostana), Sagú (Sagus Rumphii). Die Cocospalme ist nächst der Musa paradisiaca der wichtigste Fruchtbaum. Sie wird in grossen Wäldern oder Hainen (Cocales) gepflanzt, bekannt sind die Cocoteros von Pagsanjan, die Cocosnüsse werden von dort in haushohen Pyramiden über die Laguna de Bay und den Pasig nach Manila gerudert: „diese Massen haben keine weitere Unterlage als die Cocosnüsse selbst, deren unterste Schicht mit Stricken zusammengebunden ist” (Hügel 236). Aus der Milch der Cocosnuss bereiten sie verschiedene süsse Speisen und Bäckereien, insbesondere die Speise Macapumi (Scheidnagel 75), diese Palme liefert ihnen den so beliebten Tuba-Wein, und das Cocosöl dient zum allgemeinen Leuchtmaterial, sowie zur Pomade. Aus dem Zuckerstoffe der Buripalme bereiten sie die Zuckerspeise Chancaca, desgleichen aus Pilikörnern8 (Scheidnagel, l. c.). An den Flussläufen wird Nipa littoralis gezogen, von welcher auch Branntwein gewonnen wird. Von Nutzpflanzen werden von den Tagalen Baumwolle, Indigo und Abacá (Manilahanf) gebaut. Der Tabak wurde vor der Einführung des Monopols von den Tagalen fleissig gepflanzt, jetzt (seit 1781) ist sein Anbau auf bestimmte Provinzen beschränkt. Von den erwähnten Pflanzen sind folgende erst durch die Spanier eingeführt worden: Indigo(?), Tabak, Mais, Caffee, Cacao und Camóte.
Die Hausthiere der Tagalen vor Ankunft der Spanier bestanden nur aus dem Carabao-Büffel, dem Schweine, Hunde und Geflügel, unter letzterem besonders Hühner und Enten. Erst die Spanier brachten Rind, Pferd, Schaf und Esel, doch haben diese beiden letzteren Thiergattungen sich in diesem Lande nicht bewährt und werden demgemäss auch nicht mehr oder nur hie und da gezüchtet. Der Carabao dient nicht nur als Zugthier, er wird auch zum Reiten benutzt (Cañamaque, Recuerdos I, 152). Das Schwein galt bei den Tagalen der Conquista als ein äusserst wichtiges Thier, wesshalb es bei Opferfesten stets als Schlachtopfer diente, bei vielen religiösen Ceremonien war wenigstens Schweineblut erforderlich. Auch heute noch bildet Schweinefleisch eine Lieblingskost der Tagalen, doch pflegen sie gar keine Sorgfalt auf diese Thiere zu verwenden, welche sich meist nur von menschlichen Excrementen nähren (Jagor, Phil. 124). Vom Rinde kommen zwei Gattungen vor, die spanische, im XVI. Jahrhunderte über Neuspanien eingeführt und der indische Zebu (Scheidnagel 104), der erst in neuerer Zeit eingeführt worden sein muss, da ältere Werke hierüber gar Nichts erwähnen. Beide Rindergattungen werden hauptsächlich des Fleisches wegen gezogen, zur Arbeit gebraucht man nur den Büffel. Ziegen sind sehr selten (Scheidnagel 105), ebenso wie Schafe. Die Pferderasse ist ein kleiner Schlag, gemischt aus andalusischem, chinesischem und japanischem Blute (Jagor 123 und 315, nach Morga fol. 130 und 161).
Von Geflügel werden hauptsächlich Hühner und Enten gehalten, erstere nicht blos des Fleisches oder der Eier wegen, sondern, wie ich es weiter unten ausführlicher besprechen werde, um die Hähne zum Kampfsport aufzuziehen. Die Entenzucht der Tagalen hat auf den Philippinen einen weiten Ruf, insbesondere sind es die Ortschaften am Pasig und der Laguna de Bay, deren Bewohner sich mit der Entenzucht im grossartigsten Maassstabe befassen, besonders Pateros erfreut sich einer grossen Berühmtheit, und zwar werden die Eier künstlich ausgebrütet. Die Ilustracion filipina (1860, n. 4, p. 38) berichtet darüber folgendes: Das Weib – mit dieser „Industrie” befassen sich nur die Weiber – richtet 1000–1500 Enteneier zu, dann schlägt sie Pálay (Reis in der Hülse) in ein rohes Gewebe („tigbó”) und macht diesen Haufen entweder durch ein Feuer oder die Glut der Sonnenstrahlen warm. Darauf wird ein grosser Korb genommen und in diesem eine Schicht des gewärmten Pálay’s ausgebreitet, darauf folgt eine Schicht Eier und so abwechselnd fort, bis die oberste Schicht wieder von Pálay gebildet wird. Diese Operation wird durch mehr als zwei Wochen täglich zwei Mal ausgeführt, hierauf werden die Eier in einen Trog, der mit Reishülsen gefüllt ist, gelegt und mit Zeug bedeckt, um ein Ausstrahlen der Wärme zu verhindern, andererseits wird wieder gelüftet, um die nöthige gleichmässige Temperatur zu erhalten. 12 oder 14 Tage nachher kriegen die jungen Enten aus den Eiern hervor, 800–1000 an der Zahl. Sie werden sofort in eingezäunte Wasserplätze gebracht. „Vor jeder Hütte befindet sich gegen den Fluss (Pasig) zu ein grosser eingezäunter Platz, wo diese Thiere sich sonnen und nach Belieben im Wasser baden können. Der vom Fluss bespülte Boden des kleinen Geflügelhofes wird jeden Morgen mit Sorgfalt gereinigt, umgegraben und täglich von Neuem mit einer grossen Menge von Schalthieren angefüllt, welche den Enten zum Futter dienen und von den Eingeborenen in kleinen Canoës aus dem See (Laguna de Bay) geholt werden, wo dieselben zu Milliarden im Schlamm leben. In Pateros werden jährlich Millionen von Enten als Handelsartikel gezogen, indem die Tagalen, gleich den Chinesen, halbausgebrütete Eier und Küchlein für besondere Leckerbissen halten” (Scherzer, Novara-Reise I, 602). Gänse wurden von den Spaniern aus China importirt (Jagor, l. c.).
Nächst dem Reis und der Camóte bilden Fische die Hauptnahrung der Tagalen. Die Hauptbeute liefert der Dalag-Fisch (Ophicephalus vagus, Peters). „Wenn in der Dürre die Bäche zu einer unzusammenhängenden Kette von Tümpeln einschrumpfen, dann beginnt der Dalag-Fang. Der Dalag gräbt sich im Schlamme weiter fort, deshalb werden zunächst flussabwärts in den Schlamm engmaschige Bambusgitter gesteckt, um ein Entweichen des Fisches zu verhindern, darauf wird das Wasser aus den Lachen herausgeschöpft und die Fische ausgegraben” (Jagor, Phil. 47). In der nassen Zeit sind sie auch so häufig in allen Gräben und Reisfeldern zu finden, „dass sie mit Knitteln todtgeschlagen werden” (Jagor, l. c.). In Flüssen und Bächen werden die Fische dadurch gefangen, dass man die betäubende Frucht des Tuba-Tuba-Baumes in das Wasser wirft oder in der Nacht sie durch Fackeln, besonders die Aale, in den Handbereich lockt (Scheidnagel 151). Die Strandbewohner des Meeres und der Binnen-Seen fangen die Fische auf ähnliche Weise und durch Harpunirung (Semper, Skizzen 31), oder sie fangen sie durch besonders construirte Netze und Fangapparate, welche die Küstenschifffahrt behindern. Die Netze beruhen auf einem Hebelapparate, der auf einem grossen von Bambusrohr gebauten Floss steht (Semper, Skizzen 111). Die kleinen Fische werden
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Pili, eine Art Canarium.