Versuch einer Ethnographie der Philippinen. Blumentritt Ferdinand

Versuch einer Ethnographie der Philippinen - Blumentritt Ferdinand


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von Zambales vor.

      Ackerbau ist ihnen als herumstreifenden Jägern und Fischern fremd, nur die unter den Irayas wohnenden und die Negritos von Tarlac bauen Reis, sonst nähren sie sich durchweg von Waldfrüchten und anderen Vegetabilien, Honig, Wildpret und Fischen. Unter den ersteren sind es die Herzen der Palmensorten und die Wurzeln wilder Aroideen, welche ihnen die meiste Nahrung aus dem Pflanzenreiche liefern (Semper, Skizzen 52). Ihr Hauptleckerbissen ist der Honig der zahlreichen wilden Bienen; die Zeit, wo die von den Bienen besiedelten Bäume gefüllt sind, ist ihre Erntezeit. Das Wachs verhandeln sie an Christen und Chinesen für Tabak und Betel, denn sie sind nicht nur leidenschaftliche Tabakraucher, sondern auch Betelkäuer (Semper, l. c.). Das Fleisch der erlegten Thiere braten sie in Gruben (Schadenberg 144, nach P. Felipe Calayag). Was sonst kriecht und fliegt und schwimmt wird von ihnen gegessen, wenn sie nur dessen habhaft werden können, aber diess ist bei dem elenden Zustande ihrer Waffen nicht so leicht. Letztere bestehen aus Bogen, Pfeil und Waldmesser, die Pfeile haben eine eiserne Spitze, die sie durch Handel erlangen; früher bestand die Pfeilspitze, wie Gemelli-Carreri berichtet, meist aus Kieselsteinen, Knochen oder Holz. Die Pfeile werden in einem primitiven Köcher – einem Stück Bambusrohr getragen (Ilustr. 1860, n. 17, p. 193). Dr. Meyer (Negr. 15) und Dr. Mundt-Lauff (Nat. V. 479) haben keine vergifteten Pfeile bei ihnen vorgefunden, dagegen aber Dr. Jagor (Phil. 51), desgleichen Mozo, welcher (Misiones, p. 110) erzählt, dass sie das Pfeilgift aus der Rinde eines von ihnen Camandag genannten Baumes und mehreren anderen Wurzeln und Kräutern bereiten. Vergiftete Pfeile erwähnt Cavada nicht bei ihnen, wohl aber bei den mit ihnen wahrscheinlich identischen Balugas. Sie haben drei Gattungen Pfeile, nämlich für Vögel, Wildschweine und grösseres Wild (Schadenb. 138). Gut wissen sie auch Steine zu schleudern, seltener trifft man bei ihnen Lanzen an (l. c., p. 140 f.). Bei der Jagd werden sie von Hunden, ihren einzigen Hausthieren, unterstützt (Mozo 106, Schadenberg 146).

      Selten gelingt es ihnen, ein grösseres Thier zu erlegen, so dass ihre animalische Kost sich nur auf das Fleisch von Schlangen, Fröschen und Fischen reducirt (Meyer, N. 14), letztere werden nicht geangelt, sondern mit Pfeilen geschossen (Semper, Skizzen 52).

      Stirbt ein Negrito (in Ilócos Norte), so wird er im Gebirge begraben, in das Grab werden ihm Feuerstein, Waffen und Stücke Wildpret mitgegeben, desgleichen von allem, was dem Verstorbenen nahe ging, wenigstens ein Theil (Ilustr. 1860, n. 12, p. 153). Dr. Meyer fand die Leichen der Zambales-Negritos in ausgehöhlten Baumstämmen6, nur einen Fuss tief unter der Erdoberfläche, in diesen rohen Särgen fand sich nur hie und da eine Eisenspitze. Der Kopf der Todten wird in ein rohes Gewebe gehüllt (Schadenberg 148). Die Gräber waren auch äusserlich kenntlich: sie besassen ein Schutzdach von Bambus und Palmzweigen, ein Bambusgitter umgab das Grab (Meyer 17), letzteres sah auch Mas bei den Negritos vom Mte. Camachin (Mas, pobl. 4). Diese pflegen ein Jahr lang die Grabstätte gänzlich zu meiden, die Negritos von Nordost-Luzon verlassen zwar den Ort, bleiben aber in der Nähe, um zu verhindern, dass jemand die Stätte betritt. Wer diess thut, wird aus sicherem Verstecke durch Pfeilschüsse getödtet7 (Semper, Erdk. X, 255); sollte diess nur eine Strafe für die Entweihung der Stätte sein, oder soll durch die Tödtung des Fremden der Verlust des eigenen Stammes gleichsam wettgemacht werden?

      Ihre Zersplitterung macht sie ihren Feinden gegenüber ohnmächtig, selbst die kleinen, 20–30 Köpfe zählenden Horden haben gar keine feste Organisation oder irgendwelche Disciplin, sie kennen eben nur die Bande der Familie (Meyer, Negr. 15), doch geniessen die älteren Männer ihrer Erfahrung wegen einen freilich nicht schwerwiegenden Einfluss. Der Häuptling bestimmt die Lagerplätze und die Zeit des Aufbruches (Schadenberg 137). Die Negritos der Provinz Ilo-ilo erkennen diejenigen als Häuptlinge an, welche von den spanischen Missionären eingesetzt werden (Buzeta II, 103 f.). Einzelne Horden zahlen der spanischen Regierung eine Abgabe in Naturalien als Zeichen der Unterwerfung, doch geschieht diese Zahlung sehr unregelmässig und hängt nur von dem guten Willen der Negritos ab, da die spanischen Behörden ihren Wildnissen gegenüber machtlos sind. Solche „unterworfene” Negritos besitzen dann einen „Gobernadorcillo (Gemeindevorsteher)”, eine Puppe, welche den Verkehr zwischen der Behörde und den Negritos vermittelt. Der Gobernadorcillo wird aus den ältesten der Horde erwählt, hat aber unter seinen Stammesgenossen gar keine Macht, sein Amt ist sehr einträglich, denn die spanischen Beamten und Pfarrer pflegen ihn reichlich zu beschenken. Manche Horden stehen mit den Spaniern auf Kriegsfuss, ein Mal kamen 700–900 feindliche Negritos bis vor Lingayen (Mas, pobl. 2). Die Malaien haben vor ihnen trotz ihrer schwachen Zahl und ihren armseligen Waffen einen bedeutenden Respect. Die einzelnen Horden sind in beständige blutige Fehden mit einander verwickelt, wodurch sie immer mehr decimirt werden. Scheidnagel (Filipinas 30) sagt von den Zambales-Negritos, dass sie wild und blutdürstig wären. Die Negritos zwischen Baler und Casiguran sind im ständigen Kampfe mit christlichen wie heidnischen Malaien begriffen (Semper, Erdk. XIII, 252). Sie wurden von den heidnischen Stämmen oft auch bekriegt blos um Gefangene zu erhalten, letztere wurden der Familie eines Erschlagenen von jener des Mörders übergeben, um als Sühne für den Ermordeten abgeschlachtet zu werden.

      Nach dem Erzählten ist es leicht begreiflich, dass die Gesammtzahl der Negritos nur eine sehr geringe sein kann, Mas (pobl. 9) schätzt sie auf 25 000, Mallat (II, 94) giebt dieselbe Ziffer an, Semper hält diess mit Recht für übertrieben (Skizzen 138). Jedenfalls beträgt ihre Anzahl mehr als 10 000 Seelen, wobei ich von Mindanao ganz absehe und mich nur auf Luzon und die Visayas beschränke. Sie gehen langsam, aber sicher ihrem Untergange entgegen.

      Ehe ich zu den Malaien übergehe, habe ich noch den interessanten Stamm der Balugas zu erwähnen, welcher in Pangasinán und zwar der Centralebene Luzons wohnt. Semper hat die Balugas selbst gesehen und bezeichnet sie als eine Mischlingsrasse von Negritos und Malaien (Skizzen 53); der Name ist nach ihm tagalisch und bedeutet soviel als schwarzer Mestize, schwarzer Bastard (Skizzen 136). Diese Mischung mit malaiischem Blute ist aber nicht stark genug, um die den Negritos charakteristischen Eigenthümlichkeiten verschwinden zu machen; im vorigen Jahrhundert haben diese Balugas ein Leben geführt, das sich in gar Nichts oder wenigstens so gut wie gar nicht von jenem der Negritos unterscheidet, so dass man geneigt wäre, sie in jener Zeit als noch unvermischt anzusehen. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass nach Mas (pobl.) die Negritos neben dem spanischen Namen Negrillos auch noch die eingeborenen: aëtas, itas, etas und balugas führen und Scheidnagel (Filipinas 61) bemerkt ausdrücklich: „Se les suele denominar por los indios con el nombre de balugas”, ebenso spricht Cavada (I, 164) von Balugas ó Aëtas. Die Malaiinnen Luzons haben einen Abscheu vor den Negritos und gehen trotz ihrer starken Sinnlichkeit keine geschlechtlichen Verbindungen mit den Männern der schwarzen Rasse ein, wie Fr. Gaspar de S. Augustin schon bemerkt (die Visaya-Malaiinnen sollen nicht so heikel sein), es kann daher jene Vermischung nur durch geraubte Malaiinnen Statt gefunden haben oder durch Remontados, das heisst durch Malaien, welche eines Verbrechens wegen oder um den Steuern zu entgehen in die Wälder flohen und sich unter jenen Negritos niederliessen, was aber nicht gut möglich ist, da die Negritos gegen diese Exchristen ein starkes Misstrauen hegen. Es ist also nur der erste Fall der wahrscheinlichere.

      Fray Antonio Mozo überschreibt das VIII. Cap. seines Werkes mit: „Missiones de Balugas ó Aëtas”, er will also Balugas mit Negritos identificiren, wie auch aus dem Inhalt des ganzen Capitels erhellt. Was er von dem Leben und Treiben der Balugas erzählt, ist eben so gut auf die heutigen Negritos anwendbar. Die Balugas von Pangasinán, welche Professor Semper sah, müssen also erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit malaiischem Blute sich gemengt haben, und man wird vorsichtig mit dem Namen Baluga umgehen müssen, nachdem, wie wir soeben gesehen, auch Vollblut-Negritos so genannt wurden und werden.

      Noch sei zum Schlusse bemerkt, dass es eine Zeit gab, wo man zweifelte, ob die Negritos sich im Besitze eines eigenen Idioms befänden. Diess kam daher, weil die Negritos im Verkehre mit Spaniern und Indiern sich der Sprache ihrer malaiischen Nachbarn bedienen. Durch die gründlichen Untersuchungen der Herrn Dr. A. B. Meyer, Dr. v. Miklucho-Maclay und Dr. A. Schadenberg ist sichergestellt, dass die Negritos sich im Besitze einer eigenen Sprache befinden, welche freilich von den malaiischen Nachbar-Dialekten nicht unbeeinflusst geblieben ist.

      II. Malaien

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<p>6</p>

Dr. Schadenberg fand diese Bestattungsweise nicht allgemein vor, dagegen bestätigt sie Cavada (I, 221).

<p>7</p>

Ähnlich berichtet Dr. Schadenberg (147) nach Serrano und Calayag, dass die Negritos für jeden verstorbenen Stammesgenossen einen Indier (-Malaien) tödten.