Die Mormonen. Busch Moritz
Anerkennung und selbst Bewunderung verdient.
Die folgende Darstellung wird erkennen lassen, ob damit zu viel gesagt ist.
Zweites Kapitel.
Joseph Smith der Schatzgräber und Prophet. – Sidney Rigdon und der offenbarende Engel. – Ein Roman und die Verwandlung desselben in eine Bibel
Der Stifter des Mormonenthums war Joseph Smith, am 23. September 1805 zu Sharon im Staate Vermont geboren, und später mit der Familie seines Vaters nach dem Dorfe Manchester bei Palmyra im Staate Neuyork ausgewandert. Seiner Selbstbiographie zufolge stand sein Sinn schon in früher Jugend auf göttliche Dinge, und als er siebzehn Jahre alt war, wurde dieser Hang dadurch noch mehr genährt und aufgeregt, daß ein beredter Methodistenprediger in der Nachbarschaft eine große Erweckung der Seelen bewirkte. Häufig schüttete Joseph sein Sehnen nach Erkenntniß vor Gott im Gebete aus, und oft brütete er Tage lang über den rechten Weg zur Erlangung des Heils. Als er nun bei einer solchen Gelegenheit in die Nacht hinein wach geblieben war, und kniend den Herrn um Erleuchtung anflehte, welche von den verschiedenen Secten und Kirchen die rechte sei, siehe da wurde sein Gemach plötzlich von himmlischem Lichte erfüllt, und er erblickte einen Engel neben sich, der ihn über den Pfad zur Gerechtigkeit vor Gott unterwies und ihn zugleich belehrte, daß es auf Erden keine echte Kirche mehr gäbe. Das Christenthum habe die göttliche Ordnung mit Menschensatzung vertauscht, den Glauben verunstaltet und den ewigen Bund gebrochen, wofür zur Strafe schon vor funfzehnhundert Jahren das Priesterthum von ihm genommen worden sei. Endlich erfuhr Joseph von dem Boten aus der Höhe, daß sein Gebet Wohlgefallen vor Gott gefunden habe und in die Bücher des Lebens eingetragen worden sei, daß der Herr ihn liebe, und daß er den Auftrag erhalten solle, die Priesterschaft nach der Ordnung Melchisedek's unter den Menschen wiederherzustellen und eine Kirche wahrer Gläubigen zu gründen zum Empfange des Herrn, dessen tausendjähriges Reich nahe sei.
Bei einem späteren Besuche des Engels, der am 21. September 1823 stattfand, ward ihm die Eröffnung, daß er erwählt worden, ein heiliges Buch, welches in der Nachbarschaft vergraben sei, und welches, von altindianischen Propheten verfaßt, die Wahrheit über den Ursprung der Ureinwohner Amerika's und deren Schicksale seit ihrer Einwanderung aus Judäa enthalte, wieder zu finden und zu Nutz und Frommen der Welt zu veröffentlichen.
Am folgenden Morgen nach der Stelle, dem Gipfel eines Berges zwischen Canandaigua und Palmyra, den die Mormonen Cumorah nennen, geführt, fand er nach kurzem Suchen eine acht Zoll hohe steinerne Kiste, auf welche der Deckel mit Mörtel befestigt war. Er machte wiederholentlich Versuche, sie aufzubrechen, bis ein Schlag von unsichtbarer Hand ihn zurücktrieb. Auf sein inbrünstiges Gebet um Erklärung dieses Widerstandes empfing er die Antwort, der Grund davon, daß er keinen Erfolg gehabt, liege darin, daß er den Einflüsterungen des Satans Gehör gegeben, welcher auf dem Wege neben ihm hergegangen sei und ihn beredet habe, den Inhalt der Kiste zur Förderung seiner zeitlichen Angelegenheiten zu verwenden. Dies war Sünde. Der Gedanke, dadurch berühmt zu werden, war unheilige Ehrbegier, dadurch zu Reichthum zu gelangen, strafbarer Geiz.
»Du kannst diese Urkunden noch nicht bekommen,« sagte der Engel. »Niemand kann sie bekommen, wofern sein Herz unrein ist, weil sie das enthalten, was heilig ist. Siehe, obwohl Du jetzt geschaut hast die Macht der Finsterniß, woran Du fürderhin allezeit den Bösen gewahr werden kannst, so will ich Dir noch ein anderes Zeichen geben, an welchem Du inne werden sollst, daß der Herr Gott ist, und daß die Kunde, welche diese Ueberlieferung enthält, zu allen Völkern, Geschlechtern und Zungen unter dem Himmel getragen werden soll. Dies aber ist das Zeichen: Wenn es bekannt wird, daß der Herr Dir diese Dinge gezeigt hat, werden die Gottlosen Deinen Sturz suchen. Sie werden Lügen verbreiten, um Deinen guten Ruf zu zerstören, und man wird Dir sogar nach dem Leben trachten. Aber merke, wenn Du getreu bleibst und fortan den Geboten des Herrn nachlebst, so sollst Du bewahrt bleiben und zu rechter Zeit Erlaubniß erhalten, die Urkunden von hier zu holen.«
Diese Verheißung erfüllte sich nach Verlauf von vier Jahren, während welcher Zeit Joseph sich fortdauernd eines Gott wohlgefälligen Wandels befleißigt, eifrig der Wahrheit nachgestrebt, und vielfache lehrreiche Besuche von dem Engel empfangen hatte. Am 22. September 1827 öffnete ihm dieser die Steinkiste, zeigte ihm den Inhalt, der in dem Schwerte Labans, einem Brustharnisch, einer Prophetenbrille, Urim und Thummim genannt, und den Täfelchen bestand, auf welche die Urkunden eingegraben waren, und gestattete ihm, einen Theil dieses Schatzes mit heimzunehmen. Das Schwert, in der Zeit Zedekias aus Jerusalem nach Amerika gelangt, war vom feinsten Stahl und hatte einen goldenen Griff. Die Brille war von der Form eines kleinen Bogens, in dessen Oesen zwei helle durchsichtige Steine eingesetzt waren, und man konnte mit ihr in der Vergangenheit und Zukunft lesen. Die Tafeln, die das Aussehen von Gold hatten, sieben Zoll breit, acht Zoll lang und nicht ganz so stark wie gewöhnliches Blech waren, wurden durch drei an der einen Seite hindurchgehende Ringe zu einem Bande zusammengehalten und waren auf beiden Seiten mit ägyptischen Charakteren gefüllt. Ein Theil derselben war durch ein Siegel verschlossen.
Joseph nahm die Urkunden mit sich nach seines Vaters Haus, und als die Nachricht von seinem Funde sich in der Gegend verbreitete, erfüllte sich, was der Engel geweissagt. Man streute nach allen Richtungen hin falsche Darstellungen der Sache aus, man spottete und höhnte über die wunderbare Eröffnung. Pöbelhaufen bestürmten das Haus der Familie Smith, und mehrmals wurden Versuche gemacht, dem Propheten mit Gewalt die kostbaren Goldplatten zu entreißen, sodaß er sich endlich entschloß, nach dem benachbarten Pennsylvanien auszuwandern. Hier, wo in der Nähe des Susquehanna sein Schwiegervater wohnte, übertrug er mit Hilfe der Urim und Thummim und eines Schreibers, Namens Cowdery, den unversiegelten Theil des Urkundenbuchs ins Englische, welcher später unter dem Titel »das Buch Mormons« im Druck erschien.
Bis hierher folgten wir der Darstellung der Sache, wie sie von Smith selbst und dem Mormonenapostel Orson Pratt erzählt wird. In Wahrheit verhielt es sich sehr wesentlich anders damit. Zwar mag der Prophet bei der Erweckung der Nachbarschaft durch jenen Methodistenprediger einige Eindrücke empfangen und sich mit den Hauptthesen des Sectenstreites unter seinen Landsleuten bekanntgemacht haben. Statt aber im Rufe von Frommen zu stehen, galten Joseph Smith und seine ganze Familie vielmehr allenthalben als leichtsinnige, lügenhafte Taugenichtse. Statt zu arbeiten, streiften sie in der Gegend als Schatzgräber umher. Sie bedienten sich dabei eines sogenannten »Sehersteins«, bisweilen auch einer Wünschelruthe. Die Sage wollte, daß in den westlichen Grafschaften des Staates Neuyork große Reichthümer aus der Zeit de Sotos verborgen lägen, und Joseph hatte sich bei den Abergläubischen den Ruf zu erwerben gewußt, diesen unterirdischen Schätzen mit Glück nachzuspüren. Im Jahre 1825 machte er in dem pennsylvanischen Orte Harmony die Bekanntschaft einer Miß Emma Hale und beredete sie, sich von ihm entführen zu lassen und heimlich seine Frau zu werden. Zu derselben Zeit beschwatzte er einen gewissen Lawrence, sich mit ihm zu verbinden, um am Susquehanna eine von ihm entdeckte reiche Silbergrube auszubeuten; als sie indeß nach dem angegebenen Orte kamen, war nichts von einem Erzgange zu entdecken, und Lawrence hatte sein Geld umsonst ausgegeben. 1826 dupirte er in ähnlicher Weise den Farmer Stowell zu Bainbridge, indem er demselben vorredete, er habe in einer Höhle nicht weit von Manchester einen Goldklumpen entdeckt, von dem er ihm gegen das Versprechen, ihn nebst seiner Frau aus Pennsylvanien nach dem Wohnorte seines Vaters zu schaffen, die Hälfte zu geben sich anheischig machte. Stowell ging darauf ein und erfüllte seinen Theil des Vertrags; als Smith aber nun auch seiner Verpflichtung nachkommen sollte, entzog er sich derselben durch die Ausflucht, er könne seine junge Gattin nicht allein unter Fremden lassen, und der getäuschte Farmer kehrte heim, um seiner Kohlbeete zu warten und dazu über den Eulenspiegel zu schimpfen, der ihn so schmählich am Narrenseile herumgeführt hatte. Dies ist in der Hauptsache die wirkliche Geschichte des neuen Propheten in der Zeit zwischen der ersten angeblichen Engelserscheinung und dem Punkte, wo es zu verlauten begann, daß er an der Uebersetzung seines Fundes arbeite.
Aber auch über den letzteren wurde bald eine völlig andere Kunde laut, als die, welche Smith und seine Freunde der Welt aufbinden zu können geglaubt hatten. Das Buch Mormon war nichts weniger als eine Sammlung von Urkunden, von indianischen Propheten vor Jahrhunderten geschrieben. Es war vielmehr das Erzeugniß der Mußestunden eines gewissen Spalding, welcher von 1809 bis 1812 im Städtchen Conneauct in Nordohio in Gemeinschaft mit einem gewissen Lake ein Eisenwerk betrieben hatte. Es war eine Art historischer Roman, in welchem die auch sonst in Amerika