Die Mormonen. Busch Moritz

Die Mormonen - Busch Moritz


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Zwecke weitläufige Berichte über ihre Wanderungen von Jerusalem nach Amerika und ihre Schicksale in diesem Welttheile enthielt. Das Eisenwerk bezahlte sich nicht, und da Spalding mittlerweile auf die Idee gerathen war, er könne durch Veröffentlichung seines Buchs ein wohlhabender Mann werden, so begab er sich im Jahre 1812 nach Pittsburgh, wo er die »Entdeckte Handschrift« – so hatte er nämlich das Product getauft – dem Drucker Lambdin zum Verlag anbot.

      In dessen Verwahrung verblieb das Manuscript – wie die Einen sagen – kurze Zeit, kam dann an den Verfasser zurück, wurde nach dessen bald darauf erfolgtem Ableben von der Witwe mit nach Hartwick, nicht weit von der Wohnung jenes mit Smith befreundeten Farmers Stowell, genommen und gelangte von hier um das Jahr 1820 nach dem Hause ihres Bruders zu Onondaga Hollow, nicht fern von Manchester, dem damaligen Aufenthaltsorte Smiths. Hier wurde es, behauptet man, von Joseph aus dem Koffer, wo es mit anderen Papieren Spaldings gelegen, entwendet und in ein Religionsbuch umgebildet.

      Diese Angaben sind, wo nicht geradezu unglaubwürdig, doch zu wenig begründet. Weit richtiger scheint die folgende Erklärung. Die »Entdeckte Handschrift« war mehrere Jahre und auch dann noch in Lambdins Verwahrung verblieben, als Spalding im Frühling 1816 starb und einige Zeit nachher die Firma Lambdin und Patterson Bankerott machte. Nun hielt sich von 1823 bis 1826 ein gewisser Sidney Rigdon in Pittsburgh auf, der früher Buchdruckergehilfe gewesen war und jetzt in der Eigenschaft eines Predigers der »Reformers« oder »Disciples« wirkte. Er war, wie sein späteres Verhalten zeigt, ebenso schlau als ehrgeizig und nie um die Mittel zur Erreichung seiner Zwecke verlegen. Er stand auf ziemlich vertrautem Fuße mit Lambdin und verließ, als dieser starb, seinen bisherigen Aufenthaltsort, um sich in Mentor, einem Städtchen im nördlichen Ohio, eine Gemeinde zu bilden, der er ähnliche Dinge wie die, welche der Engel Joseph Smith verkündet, vortrug. Eine andere Thatsache, die zu Schlußfolgerungen berechtigt, ist die, daß Rigdon während des Herbstes von 1826 häufige Reisen von Mentor nach Pittsburgh unternahm, von wo es nicht weit bis zum Susquehanna und dem damaligen Wohnorte Smiths ist.

      Als nun im Jahre 1830 das »Buch Mormon« oder wie es in der ersten Ausgabe heißt, »die goldene Bibel« im Druck erschien und von Gläubigen und Ungläubigen mit Begier gelesen wurde, erklärten Spaldings Witwe und sein Bruder, erstaunt und entrüstet zugleich, dasselbe sei in der Hauptsache nichts anderes, als die ihnen noch sehr wohl erinnerliche »Entdeckte Handschrift« ihres verstorbenen Gatten und Bruders. Die Namen der Personen und Orte, ja was noch mehr, die psychologischen Unwahrscheinlichkeiten und auffälligen Stylmängel waren fast durchgängig beibehalten, und der Bearbeiter hatte nur etwas mehr religiöses Material hinzugethan. Ihre Einsprache gegen den Betrug, auf welche Rigdon lediglich mit Schmähungen und Grobheiten antwortete, wurde durch das Zeugniß des einstigen Compagnons von Spalding, sowie durch einen großen Theil der Bewohner Conneaucts bekräftigt, und so scheint das Räthsel sich dahin aufzulösen, daß Lambdin, nachdem er mit seiner Druckerei Bankerott gemacht, die in seiner Verwahrung befindlichen Manuscripte in der Absicht durchsah, sich durch eine Speculation mit einem auffälligen Buche wieder emporzuhelfen, daß er zu diesem Zwecke kein besseres Mittel als die »Entdeckte Handschrift« wählen konnte, deren Verfasser ihm überdies kein Hinderniß mehr in den Weg zu legen vermochte, daß er dieses Werk an Rigdon übergab, um es nach seinem Ermessen zu feilen und zu ändern, und daß dieser den Roman in eine Bibel umprägte. Der Tod Lambdins machte Rigdon zum alleinigen Besitzer des Geheimnisses und seines möglichen Gewinns. Letzterer wurde sicherer, wenn das Buch in miraculöser Weise an den Tag gebracht wurde. Das damals sich verbreitende Gerücht, in Canada sei eine goldene Bibel ausgegraben worden, lenkte auf den Gedanken, auch die Urkunden Mormons auf Goldtafeln geschrieben sein und dem Schoose der Erde entsteigen zu lassen. Es war endlich ein Gehilfe zu suchen, der im Rufe eines Schatzgräbers stand, da, wenn man diesen den Fund thun ließ, der Verdacht nicht auf Rigdon fiel, und hierzu war Joseph Smith nach dem Vorigen der rechte Mann. Derselbe ging auf Rigdon's Antrag ohne Bedenken ein, und wenn er einige Zeit nach der ersten Besprechung mit dem Urheber des Plans nach Pennsylvanien zog, so geschah dies nicht wegen Gefährdung seines Lebens daheim, sondern deshalb, weil er am Susquehanna seinem Genossen näher war und sich dort ungestörter von ihm seine Rolle einüben lassen konnte.

      Die weitere Entwickelung wirft aber noch mehr Licht auf das Verfahren, womit die beiden Schwindler ihr öffentliches Auftreten einleiteten. Weder Smith noch Rigdon war im Besitze der Mittel zur Veröffentlichung des Fundes durch den Druck. Ersterer wendete sich deshalb zuerst an den Quäker Crane, um ein Darlehen zur Förderung des Werkes Gottes, wurde aber mit spöttischen Worten abgewiesen. Er warf sodann seine Augen auf den Farmer Harris, einen leichtgläubigen Tropf, welcher bereits einem halben Dutzend Secten nach einander angehört hatte. Er trat ihm eines Tages in den Weg, verkündete ihm, daß der Herr ihm geboten, sich von ihm funfzig Dollars zum Beginn des Werks der Uebertragung seines Indianerevangeliums geben zu lassen, und empfing von dem durch Verheißung großen Lohnes bestochenen Harris wirklich die verlangte Summe. Noch kräftiger bearbeitet, streckte dieser nach und nach gegen dreitausend Dollars vor und gab sich sogar selbst zum Schreiber her, dem Smith seine Uebersetzung dictirte. Da er indeß der Feder nicht recht mächtig war, so wurde er durch Oliver Cowdery, einen Schulmeister, ersetzt, welcher die Arbeit bis zum Drucke vollendete. Smith legte dabei die Pseudo-Goldplatten in einen Hut, hielt sich die Prophetenbrille der Urim und Thummim vor die Augen und dictirte die Worte der Urkunde, die sich vermittels dieses Instruments aus neuägyptischen in englische verwandelten, dem Schreiber, von dem er durch einen Vorhang geschieden war, in die Feder. Ins Natürliche übertragen heißt das, er las das Manuscript Rigdons, das er in seinem Hute verborgen, ab, oder sagte, was er davon für den Tag auswendig gelernt hatte, aus dem Gedächtnisse her.

      Anfänglich scheint weder Rigdon noch Smith an die Stiftung einer neuen Religion gedacht zu haben. Man hatte lediglich den Zweck im Auge, der angeblichen Entdeckung eines Buchs aus der Urzeit Amerika's dadurch, daß man sie als von Engelserscheinungen begleitet und von einem Nimbus aus der Höhe umflossen darstellte, die Gemüther der zahlreichen Wundergläubigen im Lande zuzuwenden. Kurz vor dem Erscheinen des Buchs Mormon im Druck aber müssen die Ansichten der Beiden über den Weg, den sie einzuschlagen, eine Aenderung erfahren haben, indem am 6. April 1830 zur Gründung einer »Kirche aus den Heiden« verschritten wurde.

      Ehe wir jedoch diesem Treiben unsere Aufmerksamkeit zuwenden, sei ein Ueberblick des Inhalts der Mormonenbibel gestattet, die gegenwärtig in englischer, walisischer, französischer, italienischer, dänischer und deutscher Sprache zu haben, ja selbst in die der Sandwichsinsulaner übersetzt und in mehr als einer halben Million Exemplaren verbreitet ist.

      Das Buch Mormons zerfällt in die Bücher Nephi 1 und 2, Jacob, Enos, Jarom, Omni, Mosiah, Alma, Helaman, Nephi des Jüngern, Mormon, Ether und Moroni, die zusammen so viel Stoff enthalten als das alte Testament ohne die Apokryphen. Der Inhalt aber ist in Kurzem folgender: Als der Herr, um den Bau des Babelthurms zu vereiteln, die Sprachen der dort zusammengeströmten Menschen verwirrte, erbarmte er sich der Jarediten ob ihres frommen Wandels und beließ sie im bisherigen Gebrauche ihrer Zunge. Von Gott dazu angeregt, verließen sie das Land Schinear und wanderten nach der Westküste des Oceans, von wo sie in acht Schiffen nach dem nördlichen Amerika fuhren. Hier wohnten sie anderthalb Jahrtausende, wurden zu einer zahlreichen und mächtigen Nation, versanken aber allmälig in Unglauben und Laster und wurden in Folge dessen um das Jahr 600 vor Christi Geburt von Gott so vollständig vertilgt, daß von ihnen nichts übrig blieb, als die Trümmer ihrer Städte und die von ihrem Propheten Ether auf Goldplatten verzeichnete Geschichte ihres Aufblühens und Untergangs.

      Um die Zeit ihrer Ausrottung wurde eine jüdische Familie vom Stamme Josephs, der fromme Lehi mit seinem Weibe Sariah und seinen vier Söhnen, auf wunderbare Weise aus Jerusalem nach der Westküste Südamerika's geleitet, und elf Jahre später brach ein dritter Zug von israelitischen Auswanderern, worunter etliche vom Stamme Juda, gleichfalls nach dem großen Festlande jenseit des Stillen Oceans auf. Sie landeten in Nordamerika, begaben sich indeß später nach dem Süden, wo sie nach Verlauf von ungefähr vierhundert Jahren von dem einen Theile der Frühergekommenen entdeckt wurden und mit ihnen zu einem Volke verschmolzen.

      Die Nachkommen Lehi's nämlich schieden sich einige Zeit nach ihrer Ankunft auf amerikanischem Boden in zwei Stämme, eine Spaltung, welche dadurch veranlaßt wurde, daß einige von ihnen die Uebrigen wegen ihrer Gottesfurcht anfeindeten und verfolgten. Diese Frommen, die sich nach dem sie führenden Propheten Nephiten nannten,


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