Die Mormonen. Busch Moritz

Die Mormonen - Busch Moritz


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Süden zurückblieben.

      Die Lamaniten brachten durch ihres Herzens Härtigkeit und Bosheit viele und schwere Heimsuchungen auf sich herab. Namentlich verwandelte der Fluch Gottes ihre von Natur weiße Farbe in ein schmutziges Roth. Sie waren Leute von roher und blutgieriger Sinnesart und ihren Brüdern, den Nephiten so überaus aufsässig, daß sie dieselben mehrmals in zahllosen Horden mit Krieg überzogen, Angriffe, die jedoch allenthalben siegreich zurückgeschlagen wurden.

      Die Nephiten waren in allen Stücken das Gegentheil dieses bösen Volkes. Sie hatten in ihrem Besitze eine Abschrift des Gesetzes Moses und der Propheten bis auf Jeremia, in dessen Tagen ihr Stammvater Jerusalem verlassen hatte, und diese Ueberlieferungen aus dem Lande ihrer Vorfahren, die auf Erztäfelchen gegraben waren, erhielten eine Fortsetzung in anderen Tafeln, welche von den Weisen und Sehern der Nation mit den Thaten ihrer Könige und Helden, sowie mit den Gesichten, Wundern und Offenbarungen, deren Gott das fromme Volk würdigte, gefüllt wurden. Und der Herr segnete sie mit Gedeihen, und sie wuchsen und breiteten sich aus nach Osten, Westen und Norden, bedeckten die Thäler und Ebenen mit Städten und Dörfern, Tempeln und Burgen, erbauten alle Gattungen Getreide in Ueberfluß und zogen zahlreiche Arten von Hausthieren. Sie kannten zugleich die Gewinnung und den Gebrauch von Gold, Silber, Kupfer und Eisen. Künste und Wissenschaften blühten unter ihnen, ja selbst einige Zweige der Maschinenbaukunde waren ihnen bekannt. Die geistigen Interessen wurden durch Propheten besorgt, die in die fernste Zukunft schauten und nicht blos die Erscheinung des Messias im Fleische, sondern sogar seine Wiederkunft und die Errichtung seines tausendjährigen Reiches weissagten. Dessenungeachtet wichen auch die Nephiten endlich von den Wegen des Herrn, verfielen in Sünden und Laster und tödteten die Propheten, die sie davon abmahnten. Da ergrimmte der große Jehova über sie und suchte sie mit schweren Strafen heim. Finsterniß sank auf die Erde herab, ein grauenvolles Erdbeben wüthete von einem Meeresstrande zum andern, Berge sanken zu Thälern ein, Thäler schwollen zu Bergen, Seen flutheten an der Stelle verschlungener Ortschaften, und der größte Theil der Nephiten und Lamaniten wurde vernichtet. Die aber, welche diese furchtbare Katastrophe überlebten, wurden mit einer persönlichen Erscheinung Christi, der kurz vorher in Jerusalem gestorben, auferstanden und gen Himmel gefahren war, begnadigt. Er zeigte ihnen Seitenwunde und Nägelmaale, predigte ihnen das Evangelium, setzte die Sacramente ein, heilte Lahme und Blinde, erweckte einen Todten und machte dem frommen Volke alle Dinge bis ans Ende der Tage bekannt. Ein Theil seiner Reden und Thaten ist im Buche Mormons zu lesen; der größere und wichtigere Theil derselben aber wartet vorläufig noch der Uebertragung aus dem neuägyptischen Originale.

      Nachdem der Erlöser sein Werk in Amerika vollendet, stieg er wieder (wer denkt bei diesem Auf und Ab nicht an die Papierdrachen, welche unsere Knaben steigen und sinken lassen, wie und wenn sie wollen?) in den Himmel. Die zwölf Jünger aber, die er gewählt, zogen durch das Land, predigten allenthalben die frohe Botschaft, thaten Wunder und bekehrten nicht blos alle bis dahin dem Gesetze Mosis unterthanen Nephiten, sondern auch viele Lamaniten. Der dadurch hervorgerufene gottselige Zustand des amerikanischen Volkes erhielt sich länger als dreihundert Jahre in seiner Reinheit. Allmälig jedoch rissen wieder Unglauben und Ungerechtigkeit ein, und gegen das Ende des vierten Jahrhunderts der christlichen Aera hatte die Ruchlosigkeit einen solchen Grad erreicht, daß die Langmuth des Herrn sich in strafenden Zorn verwandelte. Ein schrecklicher Krieg brach zwischen den Lamaniten im Süden und den jetzt nur noch in Nordamerika wohnenden Nephiten aus, und dessen Ausgang war die beinahe gänzliche Ausrottung der letzteren auf dem Berge Cumorah, wo sich der Rest der Nation in einem meilenlangen Lager verschanzt hatte.

      Unter den Ueberlebenden waren der Prophet Mormon und sein Sohn Moroni, von denen der Erstgenannte einen Auszug aus den Ueberlieferungen seiner Vorväter gemacht hatte, den er vor seinem Tode dem Sohne zur Vollendung übergab, während jene Traditionen von ihm auf Gottes Geheiß im Berge Cumorah verborgen wurden. Moroni führte die Chronik seines Vaters noch einige Jahre fort, und wir erfahren von ihm, daß die unversöhnlichen Lamaniten die wenigen von den Kindern Nephi, welche jener Vertilgungsschlacht entronnen waren, so lange verfolgten, bis das ganze Geschlecht, ihn ausgenommen, vernichtet war. Er berichtet fernerhin, daß nach dem Untergange ihrer Gegner die Lamaniten unter sich selbst in Streit geriethen, und daß ganz Amerika lange Zeit nichts als ein großer Schauplatz von Gewalt, Raub und Blutvergießen war. Er schließt endlich seine Geschichte im Jahre 424 nach Christi Geburt, um die Platten, auf die sie geschrieben, ebenfalls in den heiligen Berg zu vergraben.

      Drittes Kapitel.

      Die Mormonen in Missouri und Ohio. – Zion im Westen. – Verfolgungen in Missouri und Triumphe in Illinois. – Die Wunderstadt Nauvoo und ihr Tempel. – Die Ermordung des Propheten und der Auszug aus Aegypten

      Wir kehren nun zu der Geschichte Smiths und der von ihm am 6. April 1830 gegründeten neuen »Kirche« zurück. Dieselbe bestand anfänglich nur aus dem Propheten selbst, seiner Frau, der Familie seines Vaters und seinen Freunden Martin Harris und Oliver Cowdery. Nach dem Sprichworte, daß ein Prophet in seinem Vaterlande nichts gilt, fanden sich in Manchester nur Wenige, die der Predigt von dem erdentstiegenen Pseudoevangelium ein geneigtes Ohr leihen mochten. Dagegen wurden in den Grafschaften Fayette und Colesville Zweiggemeinden zu Stande gebracht. Trotzdem würde schwerlich etwas Bedeutendes erreicht worden sein, wenn die Helfershelfer Smiths nicht auswärts wichtigere Erfolge vorbereitet hätten.

      Im August 1830 reiste (die Mormonen sagen: zufällig) ein Campbelliten-Prediger aus Lorrain-County in Ohio auf dem Canale durch Palmyra, hörte hier von der neuen Religion, besuchte den Propheten, las das Buch Mormons und wurde zum Glauben an seine Echtheit bekehrt. Dies war Parley Peter Pratt, später einer der beredtesten und feurigsten Vertheidiger und einer der fruchtbarsten Hymnendichter des Mormonenthums, jetzt Präsident seiner zahlreichen Gemeinden auf den Inseln des Stillen Oceans. Bei seiner Rückkehr nach Ohio, wohin ihn Cowdery begleitete, übergab er die »Goldne Bibel« dem in der Nachbarschaft lehrenden Rigdon, der dadurch zu einer Reise nach Manchester bewogen wurde, wo er sich nach einigem Sträuben gleichfalls bekehren ließ und sofort zum Aeltesten, Oberpriester und Schriftführer ernannt wurde. Heimgekehrt rief er unverzüglich seine Gemeinde zusammen, trug ihr in einer zweistündigen Rede voll glühender Begeisterung seine Erfahrungen im Staate Neuyork vor, ermahnte, flehte, weinte Zähren des Kummers und der Wonne, fiel einige Male in Ohnmacht, sah den Himmel offen und bewirkte durch diese und ähnliche Mittel, daß der größte Theil der Versammelten sich von ihm und Cowdery taufen ließ.

      Um diese Vorgänge begreiflich zu finden, muß man wissen, daß Pratt ein alter Bekannter Rigdons war, und sich erinnern, daß Letzterer schon seit drei Jahren die buchstäbliche Deutung der biblischen Weissagungen, die bevorstehende Sammlung des Hauses Israel zum Empfange des wiederkommenden Messias, die Aufrichtung des tausendjährigen Reiches und die Nothwendigkeit wunderbarer Gnadengaben in einer Kirche, welche sich die rechte nenne, gelehrt hatte. Man wird dann auch die zufällige Reise Pratts zu Smith für eine verabredete, und das Sträuben Rigdons für ein blos scheinbares halten dürfen. Vor allen Dingen aber erklärt sich daraus die Fülle eigenthümlicher Dogmen, welche nun in der Form unmittelbarer göttlicher Eingebungen im Kreise der Jünger Smiths auftauchten, ein Conglomerat von Tollheiten, das später in dem zweiten großen Religionsbuche der Secte, dem »Book of Doctrine and Covenants« dem ersten an die Seite trat.

      Die Zusammenkunft Rigdons und Smiths hatte im October 1830 stattgefunden. Im Januar des nächsten Jahres empfing der Letztere eine Offenbarung, in welcher den Gemeinden im Osten geboten wurde, nach der Stelle auszuwandern, welche, wie Rigdon schon längst erklärt hatte, »sich an der Markscheide des Erbes der Heiligen befand,« ein Erbtheil, welches sich von dort bis an das Stille Meer erstrecken sollte. Der Prophet und die Seinen zogen in Folge dessen nach dem Städtchen Kirtland in Nordohio, wo Pratt, Rigdon und Cowdery bereits eine Gemeinde von einigen hundert Seelen beisammen hatten. Hier entwickelte sich ein Schauspiel der seltsamsten Art, und eine Masse Neugieriger strömte von allen Gegenden herbei, um Zeuge dieser Vorgänge zu sein. Der Wahnsinn der methodistischen Lagerversammlungen tobte hier in gesteigertem Grade. Verzückungen waren an der Tagesordnung. Männer und Frauen fielen bei den öffentlichen Versammlungen zu Boden, stöhnten, kreischten, wälzten sich zuckend und zappelnd umher, wiesen gen Himmel, wo eine Wolke heiliger Zeugen schwebte, sprachen in Zungen, namentlich in denen der Indianer, zu deren Bekehrung sie aufbrechen zu müssen erklärten, fuhren wie besessen zu den Thüren hinaus und wieder herein,


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