Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich


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den fremden Priestern meiner, oder vielmehr der Römisch katholischen Religion, daß sie den Streit und Unfrieden auf Euere Insel gebracht hätten, und zum Theil hast Du recht; aber wäre es möglich gewesen die katholische Religion ganz fern von diesen Gruppen zu halten, wo mehr und mehr Fremde sich ansiedelten, deren Religion allein doch kein Grund sein konnte sie zurückzuweisen? ja hatten die Protestantischen Missionaire vor Gott ein Recht ihr Sektenthum allein als das wahre und richtige hinzustellen?«

      »Vor Gott und den Menschen, ja!« sagte rasch und eifrig Sadie, »denn ihr Leben haben sie daran gesetzt diesen Inseln die wahre Religion zu bringen, und würden sie das gethan haben, wenn sie gerade ihre Religion nicht für die wahre, allein wahre hielten, ja wenn sie nicht fest überzeugt gewesen wären daß sie es sei? – Welchen bessern Beweis konnten jene Männer geben, als daß sie Gut und Blut für ihren Glauben einsetzten?«

      »Gut und Blut,« sagte René achselzuckend, »das klingt wie viel und ist wenig, dasselbe thut der gewöhnlichste Matrose auf jeder Reise – wir wollen Alle leben. Aber wir haben darüber schon gesprochen meine Sadie, und gerathen da auf ein gefährliches, viel viel lieber zu vermeidendes Feld. Der Einzelne kann mir auch lieb und werth sein, ohne daß ich gerade das Princip des Ganzen anerkenne, wie Du ja selber auch den würdigen Vater Conet seines achtungswerthen Betragens, wie seiner gesellschaftlichen Tugenden wegen lieb gewonnen hast, während Du doch sonst gewiß in jeder Hinsicht seine Gegnerin bist.«

      »Ich begreife das überhaupt nicht,« sagte Sadie leise – »er ist auch gar nicht wie ein katholischer Priester – «

      »Weil Du Dir diese Klasse Menschen eben gedacht hast wie sie Dir von Bruder Rowe und Consorten geschildert wurde. Bei vielen trifft deren Bild, ich habe Nichts dagegen, aber nicht bei Allen, nicht bei der Mehrzahl, und – wir sollen nie von einem Menschen das Schlechteste denken, Sadie. Doch guter Gott, wohin verirren wir uns? – ist das ein Gespräch für Mann und Weib mit dieser Welt um uns her, und dem herzigen süßen Wesen da zwischen uns, daß Dich zupft und ruft und die Mutter schon lange ablenken will von den düsteren Gedanken, die ihr so nutzlos die Seele umlagern und – so nutzlos hineingepflanzt sind in den reinen treuen Boden? Wetter noch einmal Sadie, Bruder Dennis ist mir ein lieber seelensguter Mann, ein Mann den ich achte und verehre, weil ich fühle wie eben Alles bei ihm feste innige Ueberzeugung ist, was er spricht – selbst wenn er Unsinn – nein mein Lieb, ich meine es ja nicht so schlimm, er soll mir Dir nur nicht solche Grillen und Gedanken in's Herz pressen, und zwingt er Dir noch einmal die Thräne in's Auge, dann – dann – «

      »Und dann?« frug Sadie, und unter Thränen vor schaute ihr Blick lächelnd zu ihm empor – »und dann?«

      »Wettermädchen, Du machst mit mir doch was Du willst!« rief René, sie an sich ziehend und küssend – »ich verlange ja auch Nichts mehr auf der weiten Gottes Welt, als daß sie uns unsern Frieden lassen, ungestört und heilig, wie wir ihn – «

      »Hahahahaha,« klang in diesem Augenblick eine silberreine Stimme zu ihnen herüber, und als sie überrascht aufschauten, sprang eines der eingeborenen Mädchen, das sie hier auf Tahiti kennen gelernt, und trotz ihres wilden Wesens, in dem ein treues Herz verborgen lag, lieb gewonnen, über die niedere Um zäunung, die den Nachbargarten von ihnen trennte, und kam auf sie zu.

      Es war ein junges Ding von siebzehn Jahren vielleicht, und ganz in die dünne luftige Tracht jener Mädchen gekleidet, mit kurzem pareu oder Lendentuch, und leichtem Kattun-Ueberwurf über die Schultern, gerade wie René Sadien zum ersten Mal gesehen. – Aber die dunklen, mit wohlriechendem Oel reich getränkten Locken schmückte ein künstlich geflochtener Kranz von rothen Blüthen, mit den schneeigen Fasern der Arrowroot durchwebt, und der Blick mit dem sie das junge Paar begrüßte ruhte keck, ja fast höhnisch auf der liebenden Gruppe.

      Aia war schön, schön wie die Palme ihrer Wälder, die lichtbronzene Haut in ihrer Färbung eher eine Zierde zu nennen, und die Gestalt voll und üppig, und doch schlank und elastisch; aber die weiche schwärmerische Gluth fehlte ihr, die den Zügen ihrer Landsmänninnen einen so eigenthümlichen Reiz verleiht, und auch das Mädchenhafte, ohne die der Schmelz abgestreift ist von jeder weiblichen Schönheit. Keck und zuversichtlich blitzte ihr Auge umher, den begegnenden Blick ertragend und besiegend, und ein eigenes bitteres, fast verächtliches Lächeln, das ihre Lippen dabei umspielte, diente nicht dazu dessen Ausdruck zu mildern.

      »Joranna Sadie – Joranna René,« lachte sie, mit verschränkten Armen vor der Gruppe stehen bleibend und sie betrachtend – »Joranna Ihr Beiden – hahahaha – sitzt Ihr nicht da, als ob Dir René erst vor kaum einer Stunde seine tollen Liebeslügen in's Ohr geflüstert, und Ihr nun alle Beide die Ueberzeugung hättet, Ihr könntet nicht leben ohne einander? – bah, bah, wie lange wird's noch dauern? – Aber wundern soll's mich doch, und hätt' ich früher daran gedacht, Sadie, hättest Du mir auch von dem Pulver geben müssen, das Du ihm in die Cocosmilch geschüttet – vielleicht löge mir jener falsche Wi-wi jetzt auch noch vor, daß ich die Schönste sei auf den weiten Inseln, und er sterben müsse, wenn ich ihn nicht mehr lieben wolle. Hahahahaha, s'ist wahrhaftig zum toll werden wenn man an solche Zeit zurückdenkt, und sich das Alles dann immer und immer wieder vor den eigenen Augen erneuen sieht; ja und immer und immer wieder Thörinnen findet, denen der Hochmuthsteufel tief genug im Herzen steckt sich allein für unverlaßbar zu halten. – Aber Joranna; Ihr seid unverbesserlich, und wenn er erst fort ist, Sadie, will ich Dich auslachen, wie Du es verdienst.«

      Sie warf die Locken von den Schläfen zurück, und wollte nach dem Strand hinunter eilen, als René's Entgegnung sie zurückhielt.

      »Du hast unrecht, Aia,« rief er ihr nach, »doppelt Unrecht, hier gerade in beiden Nachbarhäusern. Sieh Lefevre an und Aumama, länger noch als wir sind sie verheirathet mitsammen, haben zwei liebe Kinder und denken gar nicht daran sich zu trennen.«

      »Denken nicht daran sich zu trennen?« rief Aia, die bei den ersten Lauten schon stehen geblieben war, und den Kopf mit einem spöttischen, fast feindlichen Lächeln dem Redner zugewandt hatte – »denken nicht daran sich zu trennen? ja Du hast recht – wer weiß ob Du nicht noch früher dein Canoe wieder aus den Riffen steuerst als er – aber Le-fe-ve hat sich schon blind gesehen in ein paar andere Augen. Schüttle nicht mit dem Kopf, Wi-wi wenn Du mir nicht widersprechen kannst; reiß ihm das Kleid auf und lege dein Ohr an sein Herz – für wen schlägt's? – bah – so viel für Euch!« und sie schlug trotzig mit der flachen Hand ihre Lende.

      »Aia – komm her zu mir und setze Dich zu mir,« sagte Sadie jetzt mit leiser, bittender Stimme. »Sei nicht so bös und ärgerlich, wir haben Dich lieb hier, und Du meinst es doch nicht so arg, wie Du es sprichst.«

      »Mein ich nicht?« sagte das Mädchen noch im mer halb trotzig und abgewandt, aber doch schon mit viel leiserer, milderer Stimme, als die sanften, bittenden Laute ihr Ohr trafen – »mein ich nicht? und woher weißt Du's, Sadie? – ich hasse Euch Alle miteinander, und wohl, oh entsetzlich wohl soll mir's thun, wenn Ihr Alle – Alle so unglücklich werdet – so – wie – « sie wandte rasch den Kopf ab von Sadie, aber es war nur ein Moment —

      »Aia!« rief Sadie, so bittend, so herzlich – Aia stand zögernd, Trotz und Zorn und Schaam hielten noch die Oberhand in ihrem Herzen, aber nicht im Stand sich zu verstellen, gewann das bessere Gefühl, mit dem einmal aufgerüttelten Schmerz die Oberhand, und mit wenigen Schritten an ihrer Seite, kauerte sie neben ihr nieder, barg das Antlitz an ihrem Schooß und flüsterte leise unter ausbrechenden Thränen:

      »Du bist gut, Sadie, gut wie – wie – ich habe keinen Vergleich mehr, denn unsere Götter haben sie uns auch genommen und die ihrigen sind falsch – falsch wie sie selber. Aber ich bin viel zu schlecht für Dich, viel zu schlecht; Aia darf Dir nicht mehr in's Auge sehen – und doch hatten Deine Lippen noch nie einen Vorwurf für sie.«

      »Armes Mädchen,« sagte die junge Frau leise und theilnehmend, und suchte ihr Haupt zu sich auf zuheben, aber die Weinende wehrte sie ab, und schlang den Arm nur fester um ihren Leib, sich ihre Stellung zu wahren.

      René hatte sie mitleidig eine Zeitlang betrachtet, dann legte er seine Hand auf ihre Schulter und sagte leise:

      »Bleibe bei uns, Aia, gehe nicht wieder nach Papetee, sondern bleibe bei Sadie. Wir haben Brodfrucht und Fisch für Dich, und eine Matte darauf zu schlafen,


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