Schöpfungen der Ingenieurtechnik der Neuzeit. Geitel Max

Schöpfungen der Ingenieurtechnik der Neuzeit - Geitel Max


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Abmessungen und die aus der entlegenen Lage des Bauplatzes sich ergebenden Schwierigkeiten; der Bau der St. Lorenzbrücke wurde zweimal durch schwere Unfälle unterbrochen, die die Fertigstellung um Jahre verzögerten.

      Die Tatsache, daß der Bau der Forthbrücke überhaupt beabsichtigt und ausgeführt wurde, bildet einen Beleg für die Richtigkeit des Spruches: »Zeit ist Geld«, denn die durch den Bau der Brücke und der erforderlichen Nebenanlagen verschlungene Summe beläuft sich auf insgesamt 67 400 000 Mk., während die erreichte Entfernungsverminderung nur den sehr geringen Betrag von 40 km ausmacht, also eine Strecke, für deren Bewältigung das Dampfroß noch nicht den Aufwand einer halben Stunde gebraucht. Ein von Bouch, dem Erbauer der am 28. Dezember 1879 mit einem vollbesetzten Personenzuge durch einen Sturm in die Tiefe gerissenen Tay-Brücke, herrührender Plan war abgelehnt worden. An Stelle desselben entschied man sich für einen von den Ingenieuren John Fowler und Benjamin Baker aufgestellten Entwurf. Dieser sah eine Brücke nach dem von dem Deutsch-Amerikaner Gerber bereits bei der Niagarabrücke mit Erfolg angewandten Kantilever-, Ausleger-, Krag– oder Konsol-System vor. Das Kennzeichen dieser Bauweise besteht darin, daß die Brücke ohne Anwendung eines dieselbe stützenden Baugerüstes von beiden Ufern aus konsolartig vorgebaut wird, bis sie in der Mitte, hoch über den Fluten zum Schluß gebracht wird.

      Die einer Gesamtansicht dargestellte Brücke überspannt mit zwei Öffnungen von je 521,20 m lichter Weite den Firth of Forth. Um den den Meeresarm befahrenden Schiffen den Durchgang zu gestatten, liegen die Eisenbahnschienen in einer Höhe von 47,7 m über dem Wasserspiegel. Die die Konsolen oder Ausleger nach beiden Seiten hin entsendenden Mittelpfeiler sind 107 m hoch. Die Gesamtlänge der Brücke beträgt 2466,1 m. Die Anwendung der Kantilever- oder Konsol-Bauart erschien im vorliegenden Falle um deswillen geboten, weil die Tiefe des Meeresarmes an der zu überbrückenden Stelle 60 m beträgt, und daher die Aufstellung eines Baugerüstes der Brücke unmöglich war. Demnach begann man den Bau zunächst mit der Errichtung der beiden großen, aus je 4 Eckpfeilern bestehenden Mittelpfeiler, von denen aus dann die gewaltigen eigentlichen Träger, die Konsolen oder Ausleger, nach beiden Seiten hin vorgebaut wurden. Diese zielbewußt und ohne erheblichen Unfall ausgeführte Leistung ist in höchstem Maße bewunderungswürdig, wenn man sie mit dem Bau des Eiffelturmes vergleicht, denn jeder von den Mittelpfeilern ausladende Brückenarm entspricht einem Eiffelturm. Ist schon der senkrechte Aufbau des letzteren als eine Ingenieurleistung ersten Ranges zu bezeichnen, um wieviel mehr muß dies von dem wagerecht in schwindelnder Höhe erfolgten gerüstlosen Vortrieb dieses Riesenturmes gelten. Zwischen den Endpunkten der von den Mittelpfeilern nach beiden Seiten hin ausladenden Konsolen wird der noch zu überbrückende Teil der Spannweite durch einen mit Hilfe von Gelenken eingeschalteten Fachwerksträger überspannt. Diese Bauart wird als Kantilever- oder Konsolbrücke mit freischwebenden Stützpunkten benannt und findet dort Anwendung, wo aus irgendwelchen Gründen die Errichtung eines Baugerüstes zwischen den Stützpunkten nicht möglich, und die Spannweite besonders groß ist. zeigt ein lebendes Modell der Forthbrücke: Die beiden auf Stühlen sitzenden Personen entsprechen den beiden Hauptpfeilern, während der mittlere, gelenkige Teil der Brücke durch den von der mittleren Person eingenommenen Sitz dargestellt wird. Die Arme der beiden ersteren Personen sind als Konsolen ausgebildet. Die über dem Wasser liegenden Konsolen tragen das gelenkige Zwischenstück, während die dem Lande zugekehrten Konsolen hier durch Fundamente gesichert sind.

      Für jeden der 4 Eckpfeiler eines jeden Hauptpfeilers wurde ein Mauerkörper von 15 m Durchmesser errichtet; die Verankerung der Eckpfeiler auf diesen Mauerkörpern erfolgte durch 48 Stahlbolzen von 65 mm Stärke. Der südliche Pfeiler ist auf eisernen Sinkkästen, Caissons, ausgebaut, die unter Anwendung von Druckluft durch die hier vorhandene starke Schlammschicht bis auf den festen Baugrund hinabgesenkt wurden. Ein solcher Sinkkasten hatte einen Durchmesser von 21,3 m. Drei derselben wurden ohne Unfall an den Ort ihrer Bestimmung gebracht. Bei der Verlegung des vierten Kastens aber ereignete sich am Neujahrstage 1885 ein schwerer, den Bau stark verzögernder Unfall. An diesem Tage ruhte die Arbeit. Der Kasten, der glücklich bis an die Stelle gebracht war, wo er versenkt werden sollte, setzte sich so tief im Schlamm fest, daß die Flut ihn nicht zu heben vermochte. Er füllte sich mit Wasser, neigte sich zur Seite und wurde außerdem noch 4½ m von der ihm bestimmten Stelle abgetrieben. Endlich, im Oktober, wurde der Caisson an seinen richtigen Ort gebracht. Auch die beiden südlichen Eckpfeiler des Mittelpfeilers ruhen auf Sinkkästen. Die Lage des nördlichen Pfeilers ermöglichte es, daß dessen Fundamente durchgehends unter Anwendung von Fangdämmen ausgeführt werden konnten. Die Pfeiler und die Konsolen sind aus röhrenförmigen Säulen und Streben zusammengefügt. Der Durchmesser dieser Röhren beträgt bis zu 3,66 m. Überaus schwierig gestaltete sich die Ausführung der Knotenpunkte, das sind die Verbindungen zwischen den einzelnen Röhren und Streben. Die Brücke weist Stellen auf, wo zehn verschiedene Teile von ungewöhnlichen Abmessungen und Formen zusammenstoßen und miteinander verbunden werden mußten. Um diese Verbindungen zu erleichtern, ließ man den kreisförmigen Querschnitt der Röhren in der Nähe der Knotenpunkte in eine viereckige Form übergehen. Das Hinausbauen der Konsolen geschah in der Weise, daß durch hydraulische Nietmaschinen die einzelnen Rohrteile und Bleche voreinandergebracht wurden. Hierbei war dafür Sorge zu tragen, daß die beiden nach verschiedenen entgegengesetzten Richtungen ausladenden Konsolen gleichmäßig vorgetrieben wurden, damit der Hauptpfeiler nicht einseitig belastet und zum Kippen gebracht wurde. Beide Konsolen mußten sich also während des gesamten Bauvorganges das Gleichgewicht halten. Die mit Hilfe der Nietmaschinen voreinander gebrachten Teile mußten, bevor sie mit den bereits fertiggestellten Teilen in feste Verbindung gebracht werden konnten, durch Hilfskonstruktionen abgestützt werden. Der dem Fortgang des Vortriebes der Konsolen entsprechende Vorschub der Nietmaschinen geschah auf hydraulischem Wege. Besondere Sorgfalt erforderte auch die Innehaltung der Richtung bei dem Vorbau der Konsolen. Das zwischen diesen liegende bewegliche Schlußglied wurde zunächst in fester Verbindung mit jenen ausgeführt und erst nach erfolgter Fertigstellung an seinen beiden Enden auf Rollen gelegt. Die gewaltigen Abmessungen der Brücke spiegeln sich u. a. in dem Einfluß wider, den die Erhöhung der Luftwärme auf das Baumaterial ausübt. Die aus dem Temperaturunterschied entspringenden Längsverschiebungen betragen fast 1 m; bescheint die Sonne die Brücke einseitig, so hat dies eine Bewegung von 0,2 m senkrecht zur Brückenachse zur Folge.

      Am 4. März 1890 wurde die Brücke ihrer Bestimmung übergeben.

      Die im Zuge der Kap-Kairo-Eisenbahn den Zambesifluß unterhalb der Viktoriafälle überspannende Brücke ist in ihrem Hauptteile ebenfalls nach dem Kantilever- oder Auslegersystem erbaut. Dieser den reißenden Strom übersetzende Hauptteil ist gleich der Forthbrücke ohne Gerüst von beiden Ufern aus vorgebaut und hat eine lichte Weite von 152,4 m; die Pfeilhöhe des Bogens der Eisenkonstruktion beträgt 27,4 m. Die Brücke liegt fast unmittelbar unterhalb der Fälle, die bei über 1600 m Breite die Fluten des Zambesi in eine Tiefe von 140 m hinabstürzen lassen. Die Gesamtlänge der Brücke beträgt 198 m, also ein keineswegs ungewöhnliches Maß. Was aber den Bau, insbesondere dessen Vorarbeiten überaus schwierig gestaltete, das waren außergewöhnliche örtliche Verhältnisse. Diese ergaben sich aus der großen Höhe der steil aus den Wirbeln des Stromes emporragenden Felsufer und hatten zur Folge, daß die Brücke von beiden Ufern aus in der schwindelnden Höhe von 115 m über dem Wasserspiegel vorgebaut werden mußte. Um das Maß der Entfernung der beiden Ufer festzustellen, wurde eine Rakete, an der ein dünnes Seil befestigt war, über den Fluß geschleudert und mit Hilfe dieses Seiles ein Telephondraht über den Fluß gespannt, und außerdem ein Stahldraht zum Messen der Entfernung gezogen. Der Telephondraht war erforderlich, weil, um von einem zum andern Ufer zu gelangen, ein Umweg von 16 km zurückzulegen war. Der den Bau leitende Ingenieur C. Beresford Fox begnügte sich aber nicht mit der telephonischen Verständigung, sondern ließ an einem über den Fluß gespannten Drahtseil ein Sitzbrett anbringen, auf dem er sich mittels eines endlosen Seiles in schwindelnder Höhe von der einen zu der andern Baustelle ziehen ließ. Um die während des Baues etwa abstürzenden Arbeiter vor dem sichern Tode des Ertrinkens zu bewahren, wurde ein Schutznetz über den Strom ausgespannt.

      Die am 5. Oktober 1859 nach 4½jähriger Bauzeit eröffnete, von der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft mit einem Aufwand von 3 927 434 Talern gleich rund 11 780 000 Mk. erbaute Kölner Rheinbrücke (eine Gitterbrücke mit 4 Öffnungen) genügte bereits seit geraumer Zeit nicht mehr den erhöhten Anforderungen, die der zunehmende


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