Schöpfungen der Ingenieurtechnik der Neuzeit. Geitel Max

Schöpfungen der Ingenieurtechnik der Neuzeit - Geitel Max


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da gesellten sich zu diesen die das Gebirgsmassiv durchbohrenden Tunnel, die höchsten Glanzleistungen neuzeitlicher Ingenieurtechnik darstellend. Der erste größere Tunnelbau war der 2½ km lange Hauensteintunnel bei Olten in der Schweiz. Derselbe hat nebenbei eine traurige Berühmtheit dadurch erlangt, daß während seines Baues am 28. Mai 1857 70 Arbeiter durch den Einsturz eines Schachtes den Tod fanden. Die hier gesammelten Erfahrungen ermutigten im Jahre 1859 zum Bau des 12 km langen Mont Cenistunnels, der nach 11jähriger Bauzeit zum Durchschlag und im 12. Jahre zur Vollendung gebracht wurde. Der tägliche Vortrieb betrug, da man allein über Handbohrung verfügte, auf jeder Seite nur 1,5 m täglich. Der im Jahre 1872 begonnene, am 29. Februar 1880 zum Durchschlag gebrachte Gotthardtunnel hat eine Länge von 14,984 km; hier erzielte man, da inzwischen die Tunnelbohrmaschine ins Leben gerufen war, einen täglichen Fortschritt von 2,11 m auf jeder Seite.

      Der nächste in Angriff genommene große Alpentunnel war der den Simplon durchschneidende. Er ist ein unmittelbarer und scharfer Nebenbuhler seiner beiden Vorgänger, denn ihm liegt, gleich jenen, dieselbe große Aufgabe innerhalb des internationalen Verkehrs zwischen dem Norden und Süden Europas ob. Diese Aufgabe zwang schon bei der Festlegung der beiden Tunnelmündungen zu wichtigen Erwägungen. Ein Tunnel ist um so billiger und schneller herzustellen, je kürzer er ist, oder, mit anderen Worten, in je größerer Höhe er das Gebirge durchbohrt. Hiermit wachsen aber die Schwierigkeiten, die sich der Beförderung der Züge entgegenstellen. Diese müssen größere und länger ausgedehnte Steigungen hinaufbefördert werden, und die im Freien liegenden Eisenbahnstrecken können gegen Schneeverwehungen und sonstige Naturereignisse nur unter erheblichem Aufwand von Personal- und Unterhaltungskosten geschützt werden. Demnach hat man dem Simplontunnel, um ihn zu einem stets betriebsbereiten Mittel des internationalen Verkehrs zu machen, eine möglichst tiefe Lage gegeben und ihn als einen sog. Basistunnel, der den Gebirgsstock an seiner Wurzel durchfährt, ausgeführt. Der Simplontunnel liegt 450 m tiefer als der Gotthardtunnel. Trotzdem aber konnte man ihn derart in das Gelände einfügen, daß er nur 5 km länger ist als der Gotthardtunnel, nämlich 19,803 km. Die nördlich bei Brig gelegene Tunnelmündung liegt 686 m, die südliche, bei Iselle liegt 634 m über dem Meere.

      Wie bei allen großen Gebirgstunneln stellte die trigonometrische Festlegung der Tunnelachse die höchsten Anforderungen an deren Leiter, Professor Rosenmund-Zürich, wie an dessen Gehilfen und an die zur Anwendung gelangenden Meßgeräte. Die neuzeitlichen Tunnel werden von beiden Seiten her gleichzeitig in das Gebirge vorgetrieben, und es muß daher Vorsorge getroffen werden, daß die einander entgegenstrebenden Arbeiterscharen sich im Innern des Berges treffen und nicht aneinander vorbeigehen. Zu diesem Zwecke wird der betreffende Gebirgsabschnitt mit einem sog. Triangulationsnetz überzogen. Die Ecken der dieses Triangulationsnetz bildenden Dreiecke liegen auf Bergspitzen, und es werden nun diejenigen Winkel, unter denen diese mit sichtbaren Signalen ausgestatteten Bergspitzen zueinander stehen, gemessen und festgestellt. Hat man den Gebirgsstock auf diese Weise gleichsam in ein Netz von Dreiecken eingesponnen, so ist nur noch erforderlich, die Winkel zwischen den Tunnelmundlöchern und den von diesen aus sichtbaren Bergspitzen zu messen. Nunmehr kann die Mittelachse des Tunnels über das Gebirge hinweg durch Signalstangen festgelegt werden. Um sicher zu sein, daß sich die Arbeiten im Innern des Berges genau unterhalb dieser über das Gebirge hin festgelegten Linie bewegen, wird letztere über beide Tunnelmündungen hinaus verlängert, und in dieser Verlängerung der Tunnelachse werden Beobachtungsposten aufgestellt, von denen aus man mittels scharfer Fernrohre die im Berge fortschreitende Tunnelöffnung und die über das Gebirge festgelegte Tunnelachse beobachten und gegenseitig verfolgen kann. Um dies zu ermöglichen, werden in der Mittellinie des fortschreitenden Tunnels scharf leuchtende Lichter angebracht. Stellt man ein Fernrohr auf die über das Gebirge gelegte Achse ein und dreht man dasselbe alsdann in senkrechter Richtung so tief abwärts, daß man in das Innere des Tunnels hineinblickt, so müssen die hier angebrachten Lichter in derselben senkrechten Ebene liegend erscheinen wie jene Achse. Ist dies nicht der Fall, so muß der Vortrieb des Tunnels entsprechend geändert werden. Die Arbeiten des Professor Rosenmund wurden stark durch Luftspiegelungen gestört, die von Temperaturunterschieden der Tunnelluft herrührten. Sie gelangten aber zu einer so genauen Durchführung, daß die beiden Tunnelachsen, als sie am 25. Februar 1905 sich begegneten, nur um 20,2 cm in der Wagerechten und um 8,7 cm in der Senkrechten voneinander abwichen.

      Bei dem Gotthardtunnel hatte man sich mit derjenigen Lüftung begnügt, die durch die aus den Gesteinsbohrmaschinen austretende Abluft bewirkt wurde. Diese genügte jedoch bei weitem nicht, und die vor Ort herrschende, durch die Sprengstoffe, die Lampen und die menschlichen Ausdünstungen hervorgerufene Luftverschlechterung hatte zahlreiche Krankheits- und Todesfälle unter der Tunnelmannschaft zur Folge. Man mußte bei dem Simplontunnel nach dieser Richtung um so vorsichtiger verfahren, weil man auf außergewöhnliche Temperaturen im Innern des Gebirges gefaßt sein mußte, und weil der Tunnel der längste bisher in Angriff genommene war. Man nahm die für 500 Arbeiter erforderliche Luftmenge zu 1500 cbm in der Minute an und gelangte zu einem überaus eigenartigen und wirksamen Hilfsmittel, um diese große Menge tatsächlich an Ort und Stelle zu schaffen. Dieses Hilfsmittel bestand in einem Parallelstollen, den man in gleicher Höhenlage neben dem eigentlichen Tunnel vortrieb und den man als Luftzuführungsrohr benutzte. Diese beiden Stollen wurden in Abständen von je 100 m durch Querschläge miteinander verbunden. Von diesen Querschlägen wurde jeweilig nur der am nächsten vor Ort liegende, also der letzte, offen gehalten, während alle übrigen Querschläge geschlossen wurden. Mittels gewaltiger Fliehkraftgebläse wurde in den einen Stollen Luft eingetrieben; diese trat durch den vordersten Querschlag in den anderen Stollen über, um dann durch diesen und dessen Mundloch wieder ins Freie zu treten. Unsere läßt die Mundlöcher der beiden Stollen deutlich erkennen. Auf diese Weise strich also durch den Tunnel andauernd ein für die erforderliche Lufterneuerung und Luftkühlung hinreichender Luftstrom hindurch. Diejenige kurze Strecke, welche zwischen dem letzten Querschlag und der vordersten Arbeitsstelle lag, wurde durch besondere Leitungen mit Frischluft versorgt. Der Abstand der beiden Tunnelachsen beträgt 17 m. Einer dieser Tunnel wurde sofort auf den erforderlichen Querschnitt ausgearbeitet. Der zweite Tunnel wird erst jetzt zu einem Volltunnel erweitert.

      Entsprechend den großen im Innern des Berges auszuführenden Arbeiten waren die vor dem Tunnel zu errichtenden Werk- und Kraftanlagen bemessen. Die hierauf verwandten Kosten belaufen sich auf 4 Mill. Fr. auf jeder Tunnelseite. Auf der Nordseite konnte man der Rhone eine dem Kraftbedarf von 2000 P.S. genügende Wassermenge entnehmen; auf der Südseite stellte die Diveria die gleiche Menge nebst Gefälle zur Verfügung. Bevor die Wasserkraftanlagen in Benutzung genommen werden konnten, behalf man sich mit Halblokomobilen. Die im Innern des Tunnels verkehrenden Lokomotiven wurden mit Preßluft von 80 Atm. betrieben. Elektrische Beleuchtung kam nur außerhalb des Tunnels zur Anwendung. Die Werkstätten hatten einen derartigen Umfang und waren außerdem mit den verschiedenartigsten Einrichtungen in einer Weise ausgestattet, daß weitestgehende Ausbesserungsarbeiten und Neuherstellungen in ihnen ausgeführt werden konnten. Besonders hervorzuheben sind die großen auf das vorzüglichste eingerichteten Bade- und Waschhäuser für die Arbeiter und Ingenieure, die Krankenhäuser und die Arbeiterwohnungen. Der Gesamtverbrauch an Sprengstoffen belief sich auf 2000 t oder 200 Eisenbahnwagenladungen.

      Während des Baues stellten sich unvorhergesehene, nur mit äußerstem Aufwande besonderer neuer Maßnahmen zu überwindende Schwierigkeiten ein. Man hatte dieselben um so weniger erwartet, als die geologischen Verhältnisse sich im Laufe des Vortriebs des Tunnels nicht im Einklang mit den Gutachten der Sachverständigen ergaben, die eine überaus günstige Gesteinslagerung als wahrscheinlich vorhanden angegeben hatten. Unsre gibt in ihrem oberen Teile das geologische Profil wieder, wie man es erwartet hatte, und in ihrem unteren Teile, wie es auf Grund der gemachten Erfahrungen sich ergab. Die auftretenden Schwierigkeiten waren mehrfacher Art. In der mittleren 7 km langen Strecke hatte man trockenen, steil aufgerichteten Gneis erwartet. Statt dessen traf man auf wasserführende, flach und selbst wagerecht verlaufende Schichten, wodurch die Bohrarbeit und die Ausmauerung des Tunnels auf das äußerste erschwert wurden. Auf der nördlichen Seite, wo man auf eine Gesteinswärme von höchstens 42 °C gerechnet hatte, stieg diese auf die gewaltige Höhe von 56 °C. Auf der Südseite schlug man kalte Quellen an, die unter hohem Druck bis zu 1200 l Wasser in der Sekunde in den Stollen ergossen. Um die Schwierigkeiten zum Übermaß zu steigern, schloß sich an diese wasserführende Strecke eine Druckstelle an mit derartig brüchigem


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