Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич

Der kleine Ritter - Генрик Сенкевич


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und wollten sich auch nicht ruhig verhalten; immer sahen sie mit den Enden durch alle Maschen des Netzes heraus und bildeten über der Stirn einen ungeordneten hellen Schopf, der bis auf die Brauen herunterfiel, was bei den feurigen, unruhigen Augen und der herausfordernden Miene dieses rosigen Gesichtchens an das Aussehen eines Schulknaben erinnerte, der nur darauf lauert, ungestraft einen Streich zu vollführen. Sie war so hübsch und frisch, daß man kaum die Blicke von ihr wenden konnte. Sie hatte ein feines Stumpfnäschen mit beweglichen, beständig tätigen Nasenflügeln, Grübchen in den Wangen und ein Grübchen am Kinn – Anzeichen eines heiteren Wesens. Aber jetzt saß sie ernst da und ließ sich's wohl schmecken, während ihre Augen umherschweiften, bald um Herrn Sagloba, bald um Herrn Wolodyjowski zu betrachten, die sie mit fast kindlicher Neugier wie Wunderdinge ansah.

      Wolodyjowski schwieg, denn obgleich er empfand, daß er die Pflicht habe, Fräulein Drohojowska zu unterhalten, wußte er doch nicht, womit er anfangen solle. Der kleine Ritter war überhaupt nicht geschickt im Umgang mit Frauen, und jetzt war ihm die Seele um so trauriger, als die Mädchen ihm lebhaft die geliebte Verstorbene ins Gedächtnis zurückriefen.

      Sagloba indes unterhielt die Frau Truchseß, indem er ihr von seinen und von Michaels Taten erzählte. Mitten im Abendbrot kam er auf die Erzählung, wie er einst mit der jungen Fürstin Kurzewitsch und mit Rzendzian zu vieren vor einer ganzen Tatarenschar floh, und wie er endlich, um die Fürstin zu retten und die Verfolgung abzuhalten, sich zu zweit auf die Schar gestürzt habe.

      Fräulein Jesiorkowska vergaß das Essen ganz; sie stützte ihr Kinn auf die Hand und horchte auf, indem ihr Stirnhaar sich bewegte, ihre Augen blinzelten und ihre Finger bei den interessantesten Stellen schnalzten.

      »Aha, aha,« wiederholte sie, »und dann, und dann?«

      Bis er zu der Stelle kam, wo Kuschels Dragoner plötzlich zu Hilfe geeilt kamen, den Tataren im Nacken saßen und sie eine halbe Meile weit niederschlugen – da konnte es Fräulein Jesiorkowska nicht länger aushalten. Sie schlug aus voller Kraft die Hände zusammen und rief:

      »Da wäre ich für mein Leben gern dabei gewesen!«

      »Baschka!«5 rief die wohlbeleibte Frau Makowiezka mit ausgeprägtem russischen Accent, »du bist ja hier unter feinen Leuten, du mußt dir solche Worte abgewöhnen: für mein Leben. Es hätte nur noch gefehlt, daß du gesagt hättest: daß mich eine Kugel treffe!«

      Das Mädchen lachte mit einem frischen, silberhellen Lachen und schlug sich plötzlich auf die Knie.

      »Ei, daß mich eine Kugel treffe, Tantchen!«

      »Du lieber Gott, die Ohren tun mir weh! Bitte die ganze Gesellschaft um Verzeihung!« rief die Frau Truchseß.

      Da sprang Baschka, da sie ihre Abbitte bei der Frau Truchseß beginnen wollte, von ihrem Platze auf, warf aber zugleich Messer und Löffel unter den Tisch und verschwand sogleich hinterher, um sie aufzuheben.

      Die rundliche Frau Truchseß konnte ihr Lachen nicht mehr zurückhalten, und sie hatte ein seltsames Lachen. Denn erst begann sie sich zu schütteln und lebhaft hin und her zu wiegen, und dann piepste sie mit dünner Stimme. Alle wurden heiter, Sagloba war entzückt.

      »Seht, meine Herren, was ich mit diesem Mädchen durchmache,« wiederholte die Frau Truchseß und schüttelte sich.

      »Ein wahres Entzücken, so wahr ich lebe!« sagte Sagloba.

      Inzwischen war Baschka unter dem Tisch hervorgekrochen; Löffel und Messer hatte sie gefunden, aber sie hatte das Netz vom Kopfe verloren, das Haar fiel ihr über die Augen.

      Sie richtete sich gerade auf, bewegte die Nasenflügel und sagte:

      »Aha, die Herrschaften lachen über meine Verwirrung?«

      »Niemand lacht,« sagte Sagloba im Tone der Überzeugung, »niemand lacht! Wir freuen uns nur, daß uns Gott in Eurer Person Freude gesandt hat.«

      Nach dem Abendbrot gingen sie in das Wohnzimmer. Als Fräulein Drohojowska dort die Laute an der Wand bemerkte, nahm sie sie herab und fing an zu klimpern. Wolodyjowski bat sie, zur Laute zu singen. Sie antwortete mit Einfachheit und Liebenswürdigkeit:

      »Sehr gern, wenn ich vermag, die Sorge aus Eurer Seele zu verscheuchen.«

      »Ich danke,« antwortete der kleine Ritter und erhob seine Augen dankbar zu ihr.

      Kurz darauf ertönte der Gesang:

      »O glaubet, Ihr Ritter,

      Wohl gehet in Splitter

      Auch Panzer und Stahl,

      Durch Eisen und Schilde

      Trifft Amor der Wilde

      Ins Herz – ohne Wahl!«

      »Ich weiß wirklich nicht, wie ich Euch danken soll,« sagte Sagloba, der in der Nähe der Frau Truchseß saß und beständig ihre Hände küßte, »weil Ihr selbst gekommen seid, und weil Ihr so artige Mädchen mitgebracht habt, daß die Grazien selber ihre Zofen sein könnten. Ganz besonders ist mir der kleine Heiduck ans Herz gewachsen, denn die Schelmin versteht so vortrefflich, trübe Gedanken zu verjagen, wie der Fuchs das Wiesel. Denn was sind trübe Gedanken anders als Mäuse, welche die Körner der Fröhlichkeit zernagen, die in unserem Herzen aufgehen sollten? Ihr müßt nämlich wissen, verehrte Frau, daß unser alter König Johann Kasimir meine comparationes so gerne hatte, daß er nicht einen Tag ohne dieselben sein konnte. Ich mußte auch Parabeln und weise Maximen für ihn ersinnen, die er sich immer vor Nacht wiederholen ließ, und nach welchen er seine Politik richtete. Aber das ist eine andere Materie. Ich habe das Vertrauen, daß auch unser Michael bei solchem Ergötzen sein unglückseliges Mädchen ganz und gar vergißt; Ihr wißt nicht, verehrte Frau, daß ich ihn erst vor einer Woche von den Kamaldulensern herausgeholt habe, wo er schon das Gelübde leisten wollte. Aber ich habe mir die Erlaubnis des Nuntius selber ausgewirkt, der dem Prior ansagte, daß er das ganze Kloster zu den Dragonern stecken würde, wenn sie den Michael nicht sofort herausgäben. Er gehörte nicht dorthin … Gott sei Dank, Gott sei Dank, ich kenne ihn! Wenn nicht heute, so wird morgen eine von diesen beiden solche Funken aus ihm schlagen, daß davon das Herz wie ein Schwämmchen sich entzündet.« Inzwischen sang Fräulein Drohojowska weiter:

      »Und muß vor den Streichen

      Des Lockeren weichen

      Der tapfere Mann —

      Die hilflosen Frauen

      Erfüllet mit Grauen

      Der kleine Tyrann.«

      »Die Frauen fürchten diese Wunden so wie der Hund den Speck,« flüsterte Sagloba der Frau Truchseß zu; »aber gesteht, daß Ihr diese beiden Vögelchen nicht ohne verborgene Absichten mit hierhergebracht habt. Prächtige Mädchen, besonders der kleine Heiduck! Bei meinem Leben, Michael hat ein schlaues Schwesterchen, was?«

      Frau Makowiezka machte wirklich ein sehr schlaues Gesicht, das übrigens gar nicht zu ihrem einfältigen, redlichen Aussehen paßte, und sagte:

      »Man hat so über dies und jenes nachgedacht, wie es uns Frauen ja gewöhnlich nicht an Schlauheit fehlt. Mein Mann soll hier zur Wahl herkommen, und ich habe die Mädchen vorher mitgenommen, weil die Tataren jeden Augenblick kommen können. Sollte aber daraus etwas Glückliches für Michael entstehen, so gelobe ich eine Wallfahrt zu Fuß zu einem Wunderbilde.«

      »Es wird geschehen,« sagte Sagloba.

      »Beide Mädchen sind aus großem Hause, beide vermögend, und das bedeutet etwas bei den heutigen schweren Zeiten …«

      »Mir brauchte man so etwas nicht zweimal zu sagen. Michaels Vermögen hat der Krieg verzehrt, obwohl ich weiß, daß er ein paar Groschen bei großen Herren stehen hat. Wir haben manchmal ausgezeichnete Beute gemacht, und obgleich das dem Hetman abgeliefert wurde, so wurde doch manches davon geteilt, wie man bei uns Soldaten sagt, frisch vom Säbel weg. Auf Michaels Teil kam manchmal so viel, daß, wenn er alles hätte aufbewahren wollen, er heute ein schönes Vermögen hätte. Aber der Soldat denkt nicht an das Morgen und genießt das Heut', und Michael hätte alles durchgebracht, wenn ich ihn nicht immer zurückgehalten hätte. Ihr sagt also, gnädige


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<p>5</p>

Baschka = Kosename für Barbara.