Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич

Der kleine Ritter - Генрик Сенкевич


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aber sagte: »Genug für heute!«

      Die Frau Truchseß begann zu zittern und zu kreischen, lauter noch als gewöhnlich; Bärbchen aber stand in der Mitte des Zimmers, verwirrt, verblüfft, schwer atmend und biß sich in die Lippen, um die Tränen zu unterdrücken, die sich mit Macht in ihre Augen drängten; sie wußte, daß man noch mehr lachen würde, wenn sie in Weinen ausbrechen würde, und wollte es durchaus unterdrücken; da sie aber sah, daß sie es nicht vermochte, stürzte sie plötzlich aus dem Zimmer.

      »Bei Gott,« rief die Frau Truchseß, »sie ist gewiß in den Stall entflohen, und sie ist so erhitzt; sie wird sich noch eine Erkältung zuziehen. Man muß ihr nach; Christinchen, bleibe hier!«

      Mit diesen Worten ging sie hinaus, ergriff ein warmes Jäckchen im Flur und lief damit in den Stall. Sagloba folgte ihr, besorgt um seinen kleinen Heiducken. Auch Fräulein Drohojowska wollte hinauslaufen, aber der kleine Ritter ergriff sie bei der Hand.

      »Ihr habt doch den Befehl gehört, Fräulein? Ich lasse diese Hand nicht los, ehe sie wiederkommen.«

      Und in der Tat ließ er sie nicht los. Die Hand war wie Atlas weich; Herr Michael fühlte einen warmen Strom aus diesen warmen Fingern in seinen Körper hinüberfließen und empfand ein ungewöhnliches Wohlbehagen. Darum hielt er sie nur noch fester.

      Ein leichtes Rot huschte über Christinens dunkles Gesicht.

      »Ihr haltet mich wie eine Gefangene, die man den Ungläubigen abgejagt hat,« sagte sie.

      »Wer eine solche Gefangene gemacht hätte, brauchte auch den Sultan nicht zu beneiden, und der Sultan gäbe gern sein halbes Reich für sie.«

      »Aber Ihr würdet mich den Ungläubigen nicht verkaufen?«

      »So wenig, wie ich meine Seele dem Teufel verkaufen würde.«

      Hier bemerkte Michael, daß der Eifer des Augenblicks ihn zu weit führe, und verbesserte sich:

      »So wenig, wie ich meine Schwester verkaufen würde.«

      Und Fräulein Drohojowska sagte ernst:

      »Das habt Ihr getroffen, Herr! Eine Schwester bin ich der Frau Truchseß in der Liebe, ich will auch die Eure sein.«

      »Ich danke Euch von Herzen,« sagte Michael und küßte ihre Hand, »denn ich bedarf des Trostes gar sehr.«

      »Ich weiß, ich weiß,« wiederholte das Mädchen, »auch ich bin eine Waise.«

      Hier fiel eine Träne von ihrer Wange und setzte sich auf den kleinen Flaum über ihrem Munde.

      Und Wolodyjowski sah das Tränlein, den leicht beschatteten Mund und sagte:

      »Sie sind so gut, gerade wie ein Engel! Mir ist schon leichter.«

      Christine lächelte süß.

      »Gebe Gott!«

      »Wahrhaftig!«

      Dabei empfand der kleine Ritter, daß, wenn er ihre Hand noch einmal küssen würde, ihm desto leichter wäre, aber in diesem Augenblick trat Frau Makowiezka ins Zimmer. »Bärbchen hat die Jacke genommen,« sagte sie, »aber sie ist in solcher Verwirrung, daß sie um nichts in der Welt hereinkommen will; Sagloba jagt sie im ganzen Stall herum.«

      Sagloba hatte nicht bloß unter beständigem Trösten und Zureden Bärbchen im ganzen Stall herumgejagt, sondern sie endlich auch in den Hof hinausgedrängt, in der Hoffnung, sie desto schneller zur Rückkehr ins warme Zimmer zu überreden. Sie entwand sich ihm aber und wiederholte:

      »Ich gehe gerade nicht, wenn ich mich auch erkälten soll, ich gehe nicht, ich gehe gerade nicht!«

      Endlich, da sie am Hause eine Leiter erblickte, sprang sie hinauf wie ein Eichkätzchen und machte erst am Rande des Daches Halt. Dort ließ sie sich nieder und rief zu Herrn Sagloba gewandt halb lachend: »Gut, ich will hineingehen, wenn Ihr mir nachklettern wollt.«

      »Aber bin ich denn ein Kater, kleiner Heiduck, daß ich mit dir auf den Dächern herumklettern soll? So vergiltst du mir, daß ich dich liebe?«

      »Ich liebe Euch auch, aber nur vom Dache.«

      »Totreden kann man sich mit dem Mädchen! So klettere doch gleich herunter!«

      »Ich klettere nicht herunter!«

      »Lächerlich, bei Gott! Etwas sich so zu Herzen zu nehmen! Nicht dir, Wieselchen, allein, sondern dem Kmiziz, der als ein Meister unter den Meistern gilt, hat Wolodyjowski dasselbe getan, und nicht zum Scherz, sondern im Zweikampf. Ihm haben die berühmtesten Kämpfer in Italien, Deutschland und Schweden nicht länger als wenige Minuten standhalten können, und nun will sich so ein Kiekindiewelt die Besiegung so zu Herzen nehmen. Pfui, schäme dich, komm' herunter, komm' herunter, du lernst doch erst.«

      »Aber Herrn Michael kann ich nicht leiden.«

      »Ach, rede nicht; weil er der Exquisitissimus ist in dem, was du selbst lernen möchtest, müßte er dir desto teurer sein.«

      Sagloba hatte sich nicht geirrt. Bärbchens Begeisterung für den kleinen Ritter war trotz ihrer Beschämung im Wachsen; aber sie antwortete:

      »Mag ihn Christel gern haben!«

      »Komm' herunter, komm' herunter!«

      »Ich komme nicht herunter!«

      »Gut, so bleib' sitzen; ich will dir nur sagen, daß es gar nicht hübsch ist für ein junges Mädchen, auf der Leiter zu sitzen, denn das kann der Welt einen lustigen Anblick geben!«

      »Das ist nicht wahr!« sagte Bärbchen und ordnete den Überwurf mit den Händen.

      »Ich Alter werde mir die Augen nicht aussehen, aber ich will bald die anderen alle herrufen, die werden sich schön wundern.«

      »Ich komme schon herunter!« rief Bärbchen.

      In diesem Augenblick wandte sich Sagloba seitwärts in das Haus.

      »Bei Gott, es kommt jemand!« sagte er.

      In der Tat kam um die Ecke herum der junge Herr Nowowiejski, der eben zu Pferde angekommen war. Er hatte das Pferd an die Seitenpforte gebunden, ging um das Haus herum, in der Absicht, durch die Haupttür einzutreten.

      Als Bärbchen ihn erblickte, war sie mit zwei Sätzen unten, aber es war schon zu spät gewesen. Herr Nowowiejski hatte sie von der Leiter springen sehen, er blieb verwirrt, erstaunt stehen und wurde rot wie ein junges Mädchen. Bärbchen stand ebenso vor ihm. Plötzlich rief sie: »Ein zweiter Reinfall.«

      Sagloba, höchlichst erheitert, blinzelte eine Weile mit seinem gesunden Auge; endlich sagte er:

      »Herr Nowowiejski, unseres Michael Freund und Unterkommandant, und dies ist Fräulein Kletterowska … ei … ich wollte sagen Jesiorkowska!«

      Nowowiejski war schnell zu sich gekommen, und da er trotz seiner Jugend ein Soldat von scharfem Verstande war, neigte er sich, richtete seine Augen auf die wundervolle Erscheinung und sagte:

      »Bei Gott, in Ketlings Garten blühen Rosen im Schnee.«

      Bärbchen knickste und murmelte für sich hin: »Für eine andere Nase als für die deine.« Dann sagte sie mit Anmut: »Ich bitte näherzutreten!«

      Sie selbst eilte voraus, stürzte schnell ins Zimmer, in welchem Michael und die ganze andere Gesellschaft saß, und rief, mit einer Anspielung auf den roten Oberrock Nowowiejskis:

      »Ein Gimpel ist ins Haus geflogen!«

      Dann setzte sie sich auf ein Bänkchen, legte die Hände in den Schoß und schloß das Mündchen, wie es einem bescheidenen, wohlerzogenen Mädchen ziemt.

      Herr Michael stellte seinen jungen Freund seiner Schwester und Fräulein Drohojowska vor; dieser aber wurde, da er das zweite Fräulein bemerkte, das zwar ganz anders geartet, aber ebenfalls sehr schön war, zum zweiten Male verwirrt; er verbarg das aber mit einer Verbeugung und griff, um sich Mut zu machen, mit der Hand nach dem Schnurrbart, der ihm noch nicht recht wachsen wollte. Er drehte mit den Fingern über der Lippe, wandte sich an Wolodyjowski, Herr Hetman begehre sehr, den kleinen Ritter zu sehen. Soviel Herr Nowowiejski erraten könne, handle es sich um eine militärische


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