Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич

Der kleine Ritter - Генрик Сенкевич


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lieber Freund, ich hätte Euch noch viel zu sagen, aber ich habe den Kopf verloren.«

      Herr Michael begann sich allmählich zur Abreise vorzubereiten, ohne daß er indessen aufhörte, Bärbchen, die er von Tag zu Tag mehr liebgewann, Unterricht zu geben und mit Christine Drohojowska zu zweien spazieren zu gehen, um Trost bei ihr zu suchen. Er schien ihn auch zu finden, denn mit jedem Tage wurde er heiterer, und abends nahm er sogar bisweilen teil an Bärbchens Vergnügungen mit Herrn Nowowiejski.

      Dieser junge Kavalier wurde in Ketlings Hause ein lieber Gast; er pflegte des Morgens oder gegen Mittag zu kommen und blieb bis zum Abend, und da ihn alle gern hatten und ihn mit Freuden sahen, begann man bald, ihn als zur Familie gehörig zu betrachten. Er brachte die Damen nach Warschau, er machte für sie Besorgungen bei den Seidenhändlern, und abends spielte er leidenschaftlich Blindekuh, indem er immer wiederholte, daß er vor der Abreise durchaus das unerreichbare Bärbchen einfangen müsse; sie aber wich immer aus, obgleich ihr Sagloba sagte:

      »Fängt Euch nicht dieser, so ist's ein anderer.«

      Aber es wurde immer klarer, daß gerade dieser sie einfangen wollte, selbst dem kleinen Heiducken mußte dies klar sein, denn manchmal wurde er so nachdenklich, daß ihm das Stirnhaar ganz über die Augen fiel. Sagloba aber hatte seine Gründe, aus welchen ihm dies nicht gerade erwünscht war. Eines Abends, als alle auseinandergegangen waren, pochte er an das Zimmer des kleinen Ritters und trat ein.

      »Es tut mir so weh, daß wir uns trennen müssen,« sagte er, »daß ich hierher komme, um mich noch an dir satt zu sehen. Gott weiß, wann wir uns wiedersehen!«

      »Zur Wahl komme ich mit aller Bestimmtheit zurück,« erwiderte Michael, indem er ihn umarmte, »und ich will Euch auch sagen warum: der Hetman will um diese Zeit so viel wie möglich von den Leuten hier haben, die der Adel gern hat, damit sie ihn für seinen Kandidaten gewinnen. Und da, Gott sei Dank, mein Name einiges Ansehen bei den Genossen hat, so wird er mich sicherlich hierher zurückrufen. Er rechnet auch auf Euch.«

      »Bah, er will mich in sein Netz einfangen; aber es will mir scheinen, daß, wenn ich auch ziemlich dick bin, ich doch durch eine Masche dieses Netzes hindurchkommen werde. Ich werde nicht für den Franzosen stimmen.«

      »Warum das?«

      »Das wäre eine Gewalttat gegen uns selbst.«

      »Condé müßte die Verträge beschwören wie jeder andere, und er soll ein großer Feldherr sein, berühmt durch große Kriegstaten.«

      »Durch Gottes Gnade brauchen wir Feldherren nicht in Frankreich zu suchen. Herr Sobieski selbst ist gewiß kein schlechterer als Condé. Bedenke, Michael, die Franzosen tragen Strümpfe ebenso wie die Schweden, sie werden gewiß auch ebenso die Schwüre halten. Karolus Gustavus war dir jede Stunde bereit, einen Eid zu leisten. Das ist bei ihnen so wie eine Nuß knacken. Was nützen die Verträge, wo keine Redlichkeit ist.«

      »Aber die Republik bedarf der Verteidigung. Ja, wenn Fürst Jeremias Wischniowiezki lebte – einstimmig würden wir ihn zum König wählen!«

      »Es lebt sein Sohn, derselbe Stamm.«

      »Aber nicht derselbe Mut. Ein Jammer ist es, ihn anzusehen; er sieht eher wie ein Knecht aus, als wie ein Fürst aus so edlem Blute. Wenn die Zeiten noch andere wären! Aber heute ist das erste die Rücksicht auf das Wohl des Vaterlandes, dasselbe wird dir auch Skrzetuski sagen. Was der Hetman tut, tue ich auch, denn an seine aufrichtige Vaterlandsliebe glaube ich wie an das Evangelium.«

      »Und es ist Zeit, daran zu denken. Schlimm, daß Ihr jetzt fort müßt.«

      »Und was werdet Ihr tun?«

      »Ich werde zu den Skrzetuskis zurückkehren. Die Faulenzer quälen mich dort manchmal, und doch, wenn ich sie lange nicht sehe, ist mir bange nach ihnen.«

      »Wenn nach der Wahl Krieg sein sollte, so wird auch Skrzetuski ausrücken. Bah, wer weiß, ob nicht auch Ihr noch einmal ins Feld zieht. Vielleicht kämpfen wir in Reußen zusammen; wir haben in jenen Ländern viel Böses und Gutes erfahren.«

      »Wahrhaftig, so ist es. Dort sind uns die besten Jahre verflossen; man hat manchmal Lust, jene Orte alle wiederzusehen, welche Zeugen unseres Ruhmes waren.«

      »So, kommt jetzt mit mir; zusammen wird's uns leichter sein, und in fünf Monaten kommen wir zurück zu Ketling. Dann wird er auch hier sein, und auch die Skrzetuskis.«

      »Nein, Michael, jetzt ist keine Zeit für mich; aber dafür verspreche ich dir, wenn du dich mit irgend einem Fräulein, das in Reußen ihre Besitzungen hat, vermählst, so bringe ich dich dorthin und bin bei Eurem Einzug zugegen.«

      Wolodyjowski verwirrte sich ein wenig, aber er versetzte bald darauf:

      »Wo sind mir Heiratsgedanken im Kopf! Den besten Beweis habt Ihr darin, daß ich zum Heere gehe.«

      »Das ist es eben, was mich quält, denn ich habe geglaubt: ist's nicht die eine, so ist's die andere. Michael, denke an Gott, überlege: wo, wann findest du eine bessere Gelegenheit, als du sie in diesem Augenblicke hast. Bedenke: einst werden die Jahre kommen, in denen du dir sagen wirst: »Ein jeder hat Weib und Kind, und ich allein, ich hänge in der Luft wie eine vereinsamte Frucht.« Und der Schmerz wird dich erfassen und unsägliche Sehnsucht. Wenn du jene Verstorbene geheiratet hättest, wenn sie dir Kinder hinterlassen hätte – nun, so hätte ich nichts gesagt; du hättest für deine Gefühle schon einen Gegenstand und eine Hoffnung auf Trost. Aber so wie es jetzt steht, kann die Stunde kommen, daß du vergeblich ein fühlendes Herz um dich herum suchst, und daß du dich selbst fragst: Wohne ich in einem fremden Lande?«

      Wolodyjowski schwieg und sann nach. Sagloba begann also wieder zu sprechen, indem er dem kleinen Ritter scharf ins Gesicht sah:

      »In meiner Einbildung und in meinem Herzen habe ich dir den kleinen Heiducken in erster Linie ausersehen, denn erstens ist das ein goldenes Geschöpf und kein Mädchen, und zweitens, so feurige Krieger wie ihr zur Welt bringen würdet, mag wohl die Erde noch nicht gesehen haben.«

      »Das ist ein Sausewind. Übrigens will ihr auch schon Nowowiejski Feuer entlocken.«

      »Das ist's, das eben ist's. Heute würde sie gewiß noch dich vorziehen, da sie in deinen Ruhm verliebt ist, wenn du aber abreisest, und er hierbleibt – und ich weiß, er bleibt hier, denn es gibt keinen Krieg – wer weiß, was dann kommt.«

      »Bärbchen ist ein Sausewind, mag sie Nowowiejski nehmen, ich wünsche ihm von Herzen Glück, denn er ist ein ausgezeichneter Bursche.«

      »Michael,« sagte Sagloba, die Hände faltend, »bedenke, was das für eine Nachkommenschaft wäre!«

      Darauf antwortete der kleine Ritter sehr naiv:

      »Ich habe zwei Bals gekannt, die von einer Drohojowska stammten und doch ausgezeichnete Soldaten waren.«

      »Ha, habe ich dich nun! Dahin lenkst du?« rief Sagloba.

      Wolodyjowski war ganz verwirrt. Eine Zeitlang bewegte er nur die Oberlippe, um seine Verwirrung zu verbergen; endlich sagte er:

      »Was sprecht Ihr, ich lenke nach gar keiner Seite! Aber da Ihr mir Bärbchens wahrhaft ritterliche Tat erwähnt habt, so kam mir ganz einfach Christine in Erinnerung, in welcher eine mehr weibliche Natur ihren Wohnsitz genommen hat. Wenn man von der einen spricht, kommt einem die andere in den Sinn, da sie zusammen sind.«

      »Gut, gut. Gott gebe dir seinen Segen zu Christine, obwohl ich, wenn ich ein junger Bursche wäre – so wahr Gott lebt – Bärbchen wahnsinnig lieben würde. Hast du eine solche Frau, so brauchst du sie nicht im Falle des Krieges zu Hause zu lassen, du kannst sie mit ins Feld nehmen und an deiner Seite haben. Ein solches Weib ist auch im Zelte angenehm, und wenn ihre Zeit kommt, sei es auch während der Schlacht, so wird sie noch, und sei es mit einer Hand, Feuer geben. Und brav ist sie und gut! Ei, mein kleiner, lieber Heiduck, man hat hier deinen Wert nicht erkannt und dich mit Undankbarkeit genährt. Wenn ich so ein Schock Jahre weniger alt wäre, dann wüßte ich, wer Frau Sagloba sein sollte!«

      »Ich will Bärbchen nichts absprechen.«

      »Nicht darum handelt es sich, daß du ihr Tugenden nicht absprichst, sondern, daß du ihr einen Mann zusprichst. Aber du ziehst Christine


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