Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич

Der kleine Ritter - Генрик Сенкевич


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lachen werden, daß er vor einigen Wochen noch vor Traurigkeit ein Mönch werden wollte, und daß er jetzt schon einer zweiten seine Liebe erklärt, so würde die Schande doch nur auf ihn fallen, während im entgegengesetzten Falle die unschuldige Christine Schande und Schuld mit ihm teilen müßte.

      »Ich will mich also morgen erklären, es kann nicht anders sein,« sagte er endlich.

      Das beruhigte ihn sehr; er sprach sein Gebet für Ännchen mit großer Andacht und schlief ein.

      Als er am anderen Morgen erwachte, wiederholte er:

      »Heute will ich mich erklären.«

      Aber das war nicht so einfach, denn Michael wollte es nicht allen kundgeben, er wollte zuvor mit Christine sprechen und nachher handeln, wie es sich ergeben würde. Indessen kam schon am anderen Morgen Nowowiejski und war überall.

      Christine ging in seltsamer Stimmung den ganzen Tag umher; sie war blaß, müde und hielt die Augen zu Boden gerichtet; bisweilen errötete sie bis über die Stirn, bisweilen zitterten ihre Lippen, als wollten sie weinen; dann wieder war sie wie schläfrig und abwesend.

      Dem Ritter wurde es schwer, sich ihr zu nähern, besonders aber längere Zeit mit ihr unter vier Augen zu bleiben. Er hätte sie ja aus dem Hause zu einem Spaziergang begleiten können, denn das Wetter war herrlich, und er hätte das auch früher ohne Skrupel getan; aber jetzt wagte er es nicht, es war ihm, als müßten alle gleich erraten, was vorging – alle gleich merken, daß er vor der Erklärung stehe.

      Zum Glück trat Nowowiejski für ihn ein; er führte die Frau Truchseß zur Seite und unterhielt sich mit ihr sehr lange. Dann kamen sie beide ins Zimmer zurück, in welchem der kleine Ritter mit den beiden Damen und mit Herrn Sagloba saß, und die Frau Truchseß sagte:

      »Ei, ihr Jungen solltet zu zwei Paaren eine Schlittenfahrt machen, der Schnee leuchtet nur so unter der Sonne.«

      Da neigte Wolodyjowski sich schnell zu Christinens Ohr und sagte:

      »Ich bitte Euch, Fräulein, mit mir einen Schlitten zu besteigen … ich habe so viel auf dem Herzen.«

      »Gut,« antwortete Fräulein Drohojowska. Sie eilte mit Nowowiejski in den Stall, Bärbchen folgte ihnen, und in wenigen Minuten fuhren zwei Schlitten vor dem Hause vor. Wolodyjowski und Christine bestiegen den einen, Nowowiejski und der kleine Heiduck den zweiten, und sie fuhren los ohne Kutscher.

      Da wandte sich Frau Makowiezka zu Sagloba und sagte: »Nowowiejski hat um Bärbchen angehalten.«

      »Wie das?« fragte Sagloba beunruhigt.

      »Die Frau Kämmerer von Lemberg, seine Patin, soll morgen hierher kommen, um mit mir zu sprechen; nun hat mich Herr Nowowiejski gebeten, sich wenigstens ungefähr mit Bärbchen verständigen zu dürfen, denn er sieht wohl selbst ein, daß, wenn Bärbchen ihm nicht wohlgesinnt ist, alle Bemühungen und Bewerbungen vergeblich sein werden.«

      »Und darum habt Ihr die Schlittenfahrt angeordnet?«

      »Darum. Mein Mann ist äußerst peinlich; oft hat er mir gesagt: »Das Vermögen will ich verwalten, aber den Mann mag sich jede selbst wählen; wenn er brav ist, will ich nichts dagegen haben, wenn auch in den Verhältnissen ein Unterschied sein sollte.« Im übrigen: Bärbchen und Christine sind in dem Alter und können über sich verfügen.«

      »Und was gedenkt Ihr der Frau Kämmerer von Lemberg zu antworten?«

      »Mein Mann kommt im Mai her, ich werde es ihm überlassen; aber ich denke, wenn Bärbchen will, so geschieht's.«

      »Nowowiejski ist sehr jung.«

      »Aber Michael hat gesagt, daß er ein ausgezeichneter, durch Kriegstaten berühmter Soldat sei. Er hat ein ansehnliches Vermögen, und seine Beziehungen hat mir die Frau Kämmerer alle auseinandergesetzt. Seht Ihr, das ist so: sein Urgroßvater, von der Fürstin Sieniut geboren, war in erster Ehe …«

      »Aber was gehen mich seine verwandtschaftlichen Beziehungen an!« unterbrach Sagloba; er vermochte seine schlechte Laune nicht zu verbergen. »Er ist mir weder Bruder noch Schwester, und ich sage Euch, ich habe den kleinen Heiducken für Michael bestimmt; denn wenn es unter den Mädchen, die auf zwei Beinen in dieser Welt umherlaufen, eine Bessere und Bravere gibt als sie, so will ich von diesem Augenblick anfangen, als Ursus auf allen vieren zu laufen!«

      »Michael denkt an so etwas gar nicht, und wenn er auch daran dächte, so sticht ihm Christine mehr in die Augen … Je nun, Gott wird es fügen, seine Wege sind unerforschlich!«

      »O, wenn dieser Milchbart mit einem Korbe davonginge, ich würde mich vor Freude betrinken!« fügte Sagloba hinzu.

      Inzwischen wurden in beiden Schlitten die Schicksale der Ritter bestimmt. Wolodyjowski konnte lange das Wort nicht finden; endlich begann er:

      »Glaubt nicht, Fräulein, ich sei ein leichtsinniger Mensch, ein Windbeutel; ich bin auch nicht mehr in den Jahren …«

      Christine antwortete nichts.

      »Verzeiht mir, was ich gestern getan habe, denn das geschah aus so außerordentlicher Zuneigung zu Euch, daß ich es gar nicht unterdrücken konnte … Mein liebes Fräulein, meine geliebte Christine, erwägt, wer ich bin! Ich bin ein schlichter Kriegsmann, dem das Leben im Kampfe dahinfloß; … Ein anderer hätte erst eine Rede gehalten, dann wäre er vertraulicher geworden, – ich habe bei den Vertraulichkeiten angefangen … Bedenkt auch das; wenn ein Pferd, selbst ein zugerittenes, mit dem Reiter manchmal aufbäumt und mit ihm durchgeht – wie sollte die Liebe nicht mit uns durchgehen, die Liebe, deren Gewalt größer ist. So ist auch die Liebe mit mir durchgegangen, eben darum, weil Ihr mir teuer seid … Meine geliebte Christine, du bist eines Burgvogts, eines Senators würdig; wenn du aber den Kriegsmann nicht verachtest, der, wenn auch nicht hohen Standes, dem Vaterland nicht ohne Ruhm gedient hat, so liege ich hier zu deinen Füßen, küsse deine Füße und frage: willst du mich? Kannst du freundlich an mich denken?«

      »Herr Michael!« antwortete Christine, und ihre Hand glitt aus dem Ärmel und sank in die Hände des Ritters.

      »Du willst?« fragte Wolodyjowski.

      »Ich will!« antwortete Christine, »und ich weiß, daß ich einen Braveren im ganzen Lande nicht hätte finden können.«

      »Gott lohne es dir, Gott lohne es dir, Christinchen!« sagte der Ritter und bedeckte die Hand mit Küssen. »Kein größeres Glück hätte mir begegnen können! Sage mir nur, daß du nicht zürnest für die Vertraulichkeiten von gestern, damit auch mein Gewissen Ruhe habe.«

      Christine senkte die Augen. »Ich zürne nicht,« sagte sie.

      Eine Zeitlang fuhren sie schweigend dahin; die Eisen knirschten im Schnee, und unter den Hufen der Pferde stoben die Schollen wie Hagel.

      Dann begann Wolodyjowski von neuem:

      »Ist es nicht seltsam, daß du mich lieb hast?«

      »Weit seltsamer,« erwiderte Christine, »daß Ihr mich so schnell lieb gewonnen habt.«

      Da wurde Wolodyjowskis Antlitz ernst, und er begann zu sprechen:

      »Christine, vielleicht erscheint es auch dir schlecht, daß ich kaum den Schmerz um die eine überwunden und schon eine andere liebe. Ich bekenne dir auch, als ob ich beichtete, daß ich einstmals leichtsinnig war. Aber jetzt ist es anders; ich habe jene Verstorbene nicht vergessen, und ich werde sie nicht vergessen. Ich liebe sie noch heute, und wenn du wüßtest, wieviel Leid ich um sie trage, du würdest selbst um mich leiden.«

      Hier versagte dem kleinen Ritter die Stimme, denn er war sehr erschüttert und bemerkte vielleicht darum nicht, daß diese seine Worte auf Christine keinen zu großen Eindruck zu machen schienen.

      Und wieder herrschte Schweigen. Dieses Mal unterbrach es Christine:

      »Ich werde mich bemühen, Euch zu trösten, so gut ich kann.«

      »Eben darum habe ich dich so schnell lieb gewonnen, weil du vom ersten Tage an begannst, meine Wunden zu verbinden. Was war ich dir? Nichts! Aber du gingst ans Werk, weil du im Herzen Mitleid mit dem Unglückseligen hattest. O, ich verdanke dir viel, sehr viel! Wer das nicht weiß, wird mich vielleicht tadeln, daß ich im November


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