Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич

Der kleine Ritter - Генрик Сенкевич


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sich die Frau Truchseß durch die Tür; auch Sagloba kam von oben herunter, und das Gespräch kam auf die Frau Kämmerer von Lemberg.

      »Ich habe gar nicht gewußt, daß sie die Patin des Herrn Nowowiejski ist,« sagte die Frau Truchseß, »der ihr viel gebeichtet haben muß, denn sie hat Bärbchen furchtbar mit ihm aufgezogen.«

      »Und was hat Bärbchen gesagt?« fragte Sagloba.

      »Ei was, Bärbchen, der Springinsfeld. Sie hat der Frau Kämmerer gesagt, er habe keinen Bart und ich keinen Verstand, und Gott wisse, wer von uns zuerst dazu komme.«

      »Das wußte ich wohl, daß sie ihre Zunge nicht verlieren würde, aber wer weiß, was sie in Wirklichkeit denkt? Frauenlist!«

      »Wie das Herz denkt, so spricht die Zunge – so steht's mit Bärbchen! Übrigens habe ich Euch schon gesagt, daß sie Gottes Willen noch nicht empfindet; eher Christine.«

      »Tantchen!« sagte plötzlich Christine.

      Das weitere Gespräch verhinderte ein Diener, welcher ankündigte, daß das Abendbrot bereit sei. Sie gingen also alle in das Speisezimmer; nur Bärbchen war nicht da.

      »Wo ist Bärbchen?« fragte die Frau Truchseß den Diener.

      »Das Fräulein ist im Stall. Ich habe dem Fräulein gesagt, daß das Abendbrot da sei; das Fräulein sagte »Gut!« und ging in den Stall.«

      »Sollte ihr etwas Unangenehmes begegnet sein? Sie war so lustig,« sagte Frau Makowiezka zu Sagloba gewendet. Da sagte der kleine Ritter, der ein unruhiges Gewissen hatte:

      »Ich will nach ihr sehen.«

      Und er ging hinaus; er fand sie wirklich gleich an der Stalltür auf einem Bund Heu sitzend. Sie war so in Gedanken versunken, daß sie ihn gar nicht bemerkte, als er eintrat.

      »Fräulein Barbara!« sagte der kleine Ritter und neigte sich über sie.

      Bärbchen fuhr zusammen, als sei sie aus dem Schlafe erwacht, und erhob zu ihm die Augen, in welchen Wolodyjowski zu seinem größten Erstaunen zwei Tränen, groß wie Perlen, bemerkte.

      »Ums Himmels willen, was ist Euch, Fräulein, Ihr weint?«

      »Ich denke gar nicht daran!« rief Bärbchen aufspringend, »ich denke gar nicht daran, – das kommt von der Kälte.«

      Und sie lachte heiter; aber dieses Lachen war ein wenig erzwungen. Dann zeigte sie, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, auf ein Gitter, hinter welchem der Apfelschimmel stand, den Wolodyjowski von dem Hetman zum Geschenk erhalten hatte, und sagte lebhaft:

      »Ihr habt gesagt, man könne zu diesem Pferde nicht hineingehen? Wir wollen doch sehen.«

      Und ehe Michael sie zurückhalten konnte, sprang sie über das Gitter. Das wilde Tier begann sogleich sich zu bäumen, mit den Füßen auszuschlagen und die Ohren zu senken.

      »Um Gottes willen, er kann Euch töten!« schrie Wolodyjowski und sprang ihr nach.

      Aber Bärbchen hatte schon begonnen, mit der flachen Hand dem Apfelschimmel auf den Hals zu klopfen und wiederholte: »Mag er mich töten, mag er mich töten!«

      Das Pferd aber wendete ihr die dampfenden Nüstern zu und wieherte leise, als freue es sich der Liebkosung.

      5. Kapitel

      Nichts waren alle Nächte, die Wolodyjowski durchlebt hatte, im Vergleich zu der, die er nach jenem Ereignis mit Christine verbrachte. Er hatte das Angedenken seiner Verstorbenen verraten, deren Erinnerung er doch liebte; er hatte das Vertrauen dieser Lebenden getäuscht, die Freundschaft mißbraucht; er war Verpflichtungen eingegangen, er hatte gehandelt wie ein gewissenloser Mensch. Mancher andere Soldat hätte sich aus einem solchen Kuß nichts gemacht, er hätte bei der Rückerinnerung an ihn höchstens seinen Bart gedreht; aber Wolodyjowski war, besonders seit Ännchens Tode, sehr peinlich, wie jeder Mensch, dessen Seele von Schmerz erfüllt, dessen Herz zerrissen ist. Was blieb ihm nun zu tun? Wie sollte er handeln?

      Es fehlten nur noch wenige Tage zu seiner Abreise, zu der Abreise, die alles zerstören und beendigen konnte. Aber ziemte es sich, davonzugehen und Christine nicht ein Wort zu sagen, sie so zurückzulassen, wie man das erste beste Mädchen zurückläßt, der man einen Kuß gestohlen hat? Gegen diesen Gedanken sträubte sich das tapfere Herz des kleinen Ritters. Selbst in dem Widerstreit, in dem er sich in diesem Augenblick befand, erfüllte ihn der Gedanke an Christine mit Wonne, und die Erinnerung an jenen Kuß durchrieselte ihn mit einem Schauer der Wollust. Es erfaßte ihn eine Wut gegen sich selbst, und doch konnte er sich gegen dies Gefühl der Seligkeit und Wonne nicht wehren. Übrigens nahm er die ganze Schuld auf sich.

      »Ich habe Christine dazu verleitet,« wiederholte er mit Bitterkeit und Schmerz, »ich habe sie dazu verleitet, deshalb geziemt es mir auch, nicht abzureisen, ohne ein Wort zu sprechen.«

      Wie also? Christine einen Antrag machen und als ihr Verlobter in die Ferne ziehen?

      Hier erstand vor den geistigen Augen des kleinen Ritters, in weißer Kleidung und selbst ganz weiß, wie aus Wachs geformt, die Gestalt Ännchen Borschobohatas, ganz so, wie er sie in den Sarg gelegt hatte.

      »Das kommt mir zu,« sagte jene Gestalt, »daß du mich beweinst und mir nachtrauerst. Erst wolltest du Mönch werden, mich das ganze Leben hindurch beweinen, nun nimmst du eine andere, ehe mein kleines Seelchen zu den Toren des Himmels hinaufzuschweben vermocht. Ach warte, laß mich erst in den Himmel gelangen, laß mich aufhören, diese Erde zu sehen!«

      Und es schien ihm, als sei er ein Meineidiger dieser reinen Seele gegenüber, deren Andenken er ehren und bewahren sollte wie ein Heiligtum. Es erfaßte ihn ein unermeßlicher Schmerz, Scham und Selbstverachtung. Er sehnte sich nach dem Tode.

      »Ännchen,« wiederholte er auf den Knieen, »ich werde nicht aufhören dich zu beweinen bis in den Tod; aber was soll ich jetzt tun?«

      Die weiße Gestalt antwortete nichts, sie entflatterte wie leichter Nebel, und dafür erschienen in der Phantasie des Ritters Christinens Augen und ihre Lippen, von leichtem Flaum bedeckt, und mit ihnen die Versuchungen, die der arme Kämpfer von sich abschüttelte wie die Pfeile der Tataren.

      So schwankte das Herz des Ritters nach beiden Seiten in Ungewißheit, Gram und Qual. Manchmal kam ihm der Gedanke, zu Sagloba zu gehen, ihm alles zu bekennen und diesen Mann um Rat zu fragen, dessen Verstand alle Schwierigkeiten zu überwinden schien. Hatte er doch alles vorausgesehen, alles vorausgesagt, was es heiße, mit den Weibern Freundschaft pflegen.

      Aber gerade diese Rücksicht hielt den kleinen Ritter zurück. Er erinnerte sich, wie streng er Sagloba zugerufen hatte: »Beleidigt Christine nicht!« Und nun, wer hatte Christine gekränkt? Wer dachte jetzt darüber nach, ob es nicht besser sei, sie wie ein beliebiges Mädchen zurückzulassen und davonzugehen?

      »Wäre es nicht um jene Ärmste, so würde ich mich keine Minute bedenken,« sagte der kleine Ritter zu sich, »und ich würde mich auch gar nicht kränken, im Gegenteil, ich würde mich in der Seele freuen, daß ich solch einen Schatz gekostet habe.«

      Nach einer Weile aber murmelte er:

      »Ich würde ihn gern noch tausendmal kosten!«

      Da er jedoch sah, daß ihn die Versuchung von neuem anfocht, schüttelte er sie von sich ab und begann zu erwägen:

      »Es ist geschehen. Da ich nun einmal gehandelt habe wie jemand, der nicht Freundschaft begehrt, sondern auf Cupidos Genüsse hofft, so muß ich schon diesen Weg weitergehen und Christine sagen, daß ich sie nehmen will.«

      Hier sann er einen Augenblick nach, dann fuhr er weiter fort:

      »… durch welche Erklärung auch die Vertraulichkeit von heute vollkommen den Charakter der Ehrbarkeit annimmt, und morgen kann ich mir dann schon neue erlauben …«

      Hier schlug er sich mit der Hand auf den Mund.

      »Pfui,« sagte er, »da sitzt mir ein ganzes Regiment Teufel im Nacken.«

      Aber der Gedanke der Erklärung ließ ihn nicht mehr los; er machte sich einfach klar, daß, wenn er dadurch der geliebten Verstorbenen zu nahe träte, er sie durch Messen und Frömmigkeit versöhnen könne, wodurch


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