Ini: Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Julius von Voss

Ini: Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert - Julius von Voss


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Dieser, wie auch die Laden und Blenden waren mit goldfarbigem dünnem Zeuge bedeckt und wolkenartig gestaltet. Ueber sie weg in gefälliger Rundung wölbten sich diese Zeuge. Die Saiten gewahrte das Auge in einiger Entfernung nicht, und so schien es, Ini schwebe ob dem Hügel auf einem Wolkenthron.

      Eine Umgebung der Art müßte jede Schönheit erhöhen, um wie mehr wenn erquickende Blumendüfte, und zaubervolle Harmonien bestachen, um wie mehr wenn die wirklich hohe Schönheit mit dem Blick der Liebe angestaunt ward.

      Guido erschrack freudig, da er um die letzte Krümmung des Rosenganges trat, und nun Ini ersah. Nieder mußte er anbetend sinken. Ihre Gestalt lag in so hoher Vollkommenheit in seiner Einbildung verwahrt, aber das erste Anschaun jetzt belehrte ihn von neuer Trefflichkeit.

      Sie wandte bald das Auge nach ihm hin. Nicht konnte man diese Bewegung eben zufällig nennen, wohl hatte sie Tag und Stunde gemerkt, da das Jahr umgelaufen wäre, sie hoffte jetzt den Jüngling erscheinen zu sehn, und wenn sie ihn gerade so empfing, sind wir berechtigt, den Grund in ihrer Weiblichkeit aufzusuchen.

      Sie erröthete – da hätten Abendsonne und Rosen sich beschämt abwenden mögen, sie endete ihr Spiel, da konnte der Nachtigallenchor sich freuen, weil er nun gehört zu werden hoffte.

      Sie stieg herab, winkte freundlich dem Jüngling aufzustehen. Lächelnd und gesammelter nahm sie seine Hand und führte ihn nach dem Zimmer im Wohnhause, das mit ihren malerischen Geweben umhängt war. Hier befand sich jenes Ideal von Guidos künftiger Schönheit, das sie gleich herbeilangte.

      Du wecktest schöne Kräfte in dir, hob sie an, ihr Walten spricht in deinem Auge, ein reiner Sinn erzog dir diese Reinheit im Antlitz, edle Gefühle, hohe Einbildung, angenehme Affekten trugen den Ausdruck dieser Harmonie aus Linien, Farben, Zügen zusammen. Eile emsig weiter auf der hold betretenen Bahn, und das schöne Ziel wird dir nicht entfliehn.

      Guido empfand selige Wonne. Als sich seine Gefühle erst in Worte zu kleiden vermogten, sagte er Ini, wie auch ihre Schönheit, ob er sie schon auf den Gipfeln der Vollendung geträumt hätte, unendlich erhöht sei.

      Sie ward verlegen, lächelte und holte eine zweite Malerei, welche auch ihre Gestalt in einem Ideale bildete. Guido wollte die neue Versündigung gegen ihre dermaligen Reize schelten, doch Staunen und Bewunderung schlossen seinen Mund. —

      Von der Zeit an sahen sich die Liebenden öfter. Viel inniger noch wurden ihre gegenseitigen Beziehungen und dennoch mehr Verständigkeit hineingelegt. Die Rückwirkung war für jeden Theil segnend.

      Gelino, der sorgsame Lehrfreund, hatte schon im Laufe jenes Jahres manche Veränderungen bemerkt, welche Guido in seinem Charakter zeigte. Der Uebergang war zu plötzlich gewesen. Die Fortschritte im Guten hatten zu schnell geeilt, als daß der lebenserfahrne Greis nicht richtig auf den Grund davon hätte schließen sollen. Gleichwohl konnte er nichts weiter erspähn, da Guido in diesem Zeitraume fast seine Wohnung nicht mied.

      Auch Athania, die edle Erzieherin, war zu scharfsichtig, um nicht Ini bald aus ihren Umgestaltungen zu errathen, wenn ihr gleich der Jüngling ihrer Liebe noch ein Geheimniß blieb.

      Doch da die Liebenden sich nachher öfter zusammenstahlen, konnten sie der forschenden Beobachtung nicht entgehen. Beide Alten waren schnell mit ihrem Glauben aufs Reine und bei einer Zusammenkunft entstand folgendes Gespräch.

      Gelino. Werthe Athania, mein Zögling scheint Ini zu lieben.

      Athania. Eben wollte ich dir meine Bemerkungen über diesen Gegenstand vortragen.

      Gelino. Ich gerathe in keine kleine Verlegenheit. Wohl hat diese Liebe, ohne Zweifel die erste, und eben so gewiß auf eine würdige Art erwiedert, Veredlung im Gefolge, dennoch muß ich darauf sinnen, wie sie am bequemsten zu hindern sei.

      Athania. Harte Strenge gegen die jungen Seelen.

      Gelino. Aber nothwendig. Der Kaiser nimmt sich meines Guido, den er hier kennen lernte, an, hat mir bei seiner letzten Gegenwart vertraut, wie er ihn zu hohen Staatsämtern berufen wolle.

      Athania. Und Ini ward mir von einer Afrikanerin übergeben, die ich nur verschleiert sah, die aber auf einen hohen Stand schließen ließ, und bis dahin die Tochter in einem Fündlinghause hatte erziehen lassen. Daß sie sich Inis Ehe zu bestimmen vorbehalten bat, läßt sich um so eher erwarten, als ich bald mit dem Mädchen nach Afrika beschieden bin. Gleichwohl dürften wir mit all’ unserer Sorge nicht so viel an den Pflegbefohlnen erziehen wie die Liebe.

      Gelino. Darin stimme ich vollkommen ein.

      Athania. Gestatten wir den jungen Leuten sich zu lieben, den Frühling ihrer Jahre entzückt zu genießen. Doch werde ihnen auch gleich verkündet, wie Besitz nimmer das Ziel dieser Liebe sein könne, wie sie sich an den Freuden des Augenblicks und an wechselseitiger Erziehung zu genügen hat.

      Gelino wandte noch manches ein, gab aber endlich nach, wobei denn noch beschlossen ward, die jungen Personen sollten sich immer in einiger Entfernung bewacht finden.

      Athania sprach mit Ini, welche erröthete.

      Bald sammelte sich aber das Mädchen und entgegnete, wie sie sich eine solche Ankündigung gar wohl gefallen lassen könne, da zwischen Guido und ihr eigentlich ja nur das bildnerische Problem gelöset werden sollte, die höchst mögliche Schönheit zu erringen.

      Athania war nicht wenig befremdet, als ihr dies näher erklärt wurde, hoffte, daß dem feinen Sinn der so etwas zu erfinden vermöge, auch die Selbstherrschaft nicht abgehen werde, wenn die Trennung geboten sei.

      Gelino fand höhere Bestürzung an dem Jüngling, da sich dieser so unerwartet entdeckt sah. Doch faßte er sich auch und erklärte: könne er Ini nimmer besitzen, solle doch das Geschäft, sich ihrer würdig zu machen, sein Glück heißen. Dies lobte sein Führer mit Wärme.

      Die Liebenden eilten einander mitzutheilen, was Jedes von ihnen eben gehört hatte. Guido war in trüben Kummer versenkt. Ini zeigte eben nicht ihren gewohnten heitern Muth, doch sagte sie mit Festigkeit: Ich verhieß dir, wenn du mein Ideal erreicht haben würdest, dir mit Gegenliebe zu lohnen. Bis dahin erwarte nichts, dann alles, was das Schicksal auch einreden mag.

      Bald darauf kam ein Eilbote durch die Luft aus Afrika geflogen, und meldete, wie Inis Mutter ihre Tochter zu sehen begehre. Er brachte zugleich ein bequemes Fahrzeug mit, das die Reisenden nach jener Küste tragen sollte.

      Es war dies ein Häuschen von dünnem Schilfrohr geflochten und mit Fenstern aus einem ganz durchsichtig gemachten leichten Horne versehn. Zwei Kabinette, eine Kammer für die Dienerschaft und eine Küche, mit dem nöthigen kleinen Magazin von Speisen und Getränken, waren im Innern abgetheilt. Kostbare Teppiche schmückten mit andern Geräthschaften die Kabinette. Das Dach war platt, mit einem Geländer und Sitzen umgeben, sich dort bei angenehmer Witterung aufzuhalten. An dies Dach waren die seidenen Stränge befestigt, welche von der oben schwebenden Azotkugel niederhingen. Man wußte jetzt das Azot viel leichter und einfacher zu bereiten als im Anfang der Luftschifferei. Auch hatte lange schon die Versuche, Adler zu zähmen und an die Fahrzeuge zu spannen, Erfolg gekrönt. Man hielt auch viele Institute zur Zucht und Einlehrung dieser Thiere. Postämter befanden sich in allen Richtungen von Grad zu Grad, und wenn Reisende im Abstand einer Meile, bei Tag mit einer lang flatternden Fahne, bei Nacht mit einem Raketenschein sich meldeten, trafen sie alles bereit.

      Das Fahrzeug, worin die Schöne nach Afrika eilen sollte, war mit zwanzig rüstigen Thieren bespannt. Guido bat flehend um die Erlaubniß, sie einen Grad begleiten zu dürfen. Athania und Gelino willigten ein. Er miethete also eine kleine offene Gondel, wie sie zu Briefposten im Gebrauch war, die nur an einem kleinen Ball hing und von zwei Adlern fortgeschaft werden konnte. Diese ward an das größere Fahrzeug befestigt und die beiden Adler einstweilen vorne mitgebraucht.

      Man stieg an einem herrlichen Morgen ein, und ließ das Fahrzeug sich hoch erheben. Welche herrliche erquickende Empfindung, im reineren Aether oben, welch’ entzückendes Schauspiel, die Sonne, die dem Thale erst im Purpurhauche am Ost sich verkündet hatte, nun schnell am tiefen Erdrund zu gewahren, da der Flug ihr zuvor eilte. Die Reisenden sahen die klare Sonnenscheibe des unbewölkten Himmels, doch unter ihnen schwand noch alles in Dunkel, weil Siziliens hohe Fluren noch nicht erhellt wurden. Nur der Aetna, welcher eben Flammen auswarf, entdeckte sich ihnen in feurigen Verschlingungen.


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