Ini: Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Julius von Voss
aus Athen zu besitzen, deren wohl viele schon in Palermo oder Messina dir zu Gesicht kamen. Ohne diesen begünstigenden Umstand würden Athens neuere Bildner schwerlich die Phidias und Apelles zurück gelassen haben, wie es wirklich geschehen ist. Mitbewerbung ist jedoch, wie sich von selbst versteht, hiedurch nicht aufgehoben, bei der allgemeinen Freiheit in Europa mag die Künste üben wer da will, und wo er will, auch wetteifern die Maler in Italien sehr glücklich mit denen am Ilissus, doch die Fertigkeit in Stein zu gestalten, drang hier am weitesten, wie überhaupt auch die Vorkunde (Theorie) des Schönen, in Athen am meisten einheimisch ist.
Bei den Worten Vorkunde des Schönen erglühte der Zögling und dachte an Ini, die sinnige Malerin. Es soll mich wundern, sagte er zu sich, ob die Bildner zu Athen meine holde Geliebte an Zartheit und Imaginazion übertreffen werden.
Man zog nun in die Stadt ein. Guidos Herz wallte hoch auf, bei den rührenden Erinnerungen an das edle Alterthum, so lebendig durch die Nachahmung versinnlicht. Vor allen Häusern standen Hermen, deren Vollkommenheit Staunen erregte, das einfache und doch mit großem Eindruck erfüllende Ebenmaaß der heiter-majestätischen Tempel, legte entzückende Bewundrung auf.
Gelino besuchte mit seinem jungen Freund die Werkstatt des gerühmtesten Meisters unter den Bildhauern. Der Mann faßte den Jüngling fest ins Auge, und schien befremdet. Dann zeigte er willig seine reichen Vorräthe, zu welchen die meisten Künstler von Belang ihre Arbeiten geliefert hatten, die nun in den weitläuftigen Säälen dieser Werkstatt und unter vortheilhafter Beleuchtung, dem Auge der Fremden ausgestellt sein sollten.
Was als Kunstvorwurf gelten konnte, wurde in Athen auch künstlerisch behandelt und man band sich durch keine Vorliebe. Aus der alten Griechenmithologie sah man nicht nur trefflich gelungene Nachbildungen jenes Apollon, jener Venus, jener Niobe und anderer Statuen, die sich einst glücklich durch die Jahrhunderte der Barbarei retteten und in späteren das Morgenroth des Schönen wieder aufgehen ließen, sondern man hatte auch die nämlichen Ideen auf andere Weise bearbeitet und der Vorsprung des Genius ward daran sichtbar. Föbos hatte weit mehr Göttlichkeit, die Göttin von Paphos mehr weibliche Anmuth, wenn frühere Zeiten dies schon unbegreiflich fanden.
Auch aus der alten nordischen Götterlehre wählten die Künstler Stoffe. Odin, Wodan, die Valkiren, waren in trefflichen sinnlichen Verherrlichungen aufgestellt, eben so Brama, Osir und was sonst dazu sich eignete.
Für Sääle und Gärten der Großen in Europa fand sich immer Nachfrage, auch hatte jede namhafte Stadt einen Park, zur Ergehung der Bewohner, angelegt, den der Kunstsinn gern schmückte, überzeugt, dies wirke lebendig auf den Flug der Gemüther ein, und die so vervollkommnete Leichtigkeit der Fortschaffung mäßigte die Kosten.
Der regsamste Kunsteifer ward aber durch die Landesreligion unterhalten. Ein Sinod von Weisen hatte früherhin fünfzigjährige Sitzungen gehalten über diesen höchst wichtigen Gegenstand, etwas Allgemeingültiges, Dauerndes festzustellen. Tausend Vorschläge hatte man geprüft und verworfen, bis eine ansehnliche Mehrheit sich für die folgenden entschied.
Die christliche Moral, sagte der Sinod, ist die erhabenste, noch nicht übertroffene Legislatur der Rechtsgefühle, doch die christliche Glaubenslehre kann nur einem finstern Zeitalter anpassen. Wenn jene, ihrem Geiste nach, und auf die ehrwürdige Urreinheit zurückgeführt, nach Jahrtausenden segnend auftreten kann, so ist diese, nach den ungemessenern Begriffen vom Weltgebäude, welche ein aufgehelltes Geschlecht errang, nicht länger brauchbar, wenn die Vernunft nicht mit sich selbst im Widerspruche leben will.
Was ist hier aber zu thun? Ein Abstrakt bindet, uralten Erfahrungen zufolge, die Herzen zu wenig, was durch die Phantasie zur Vernunft dringt, nimmt nicht nur die Schwäche, auch der kräftige Sinn freundlicher auf, vorzüglich wenn es in das Leben der Handlung übergehn soll.
Verbannen wir daher vom Denken alles Bildliche, doch zum thätigen Wirken mögen immer Dichtung und Künste uns lieblich begeistern.
Der mosaisch-christliche Theismus sei und bleibe die Grundlage unserer neuen, und dennoch aus dem tiefen Alterthume empfangenen Religion. Wir glauben an eine Gottheit, unbegreiflich den Formen, in welchen uns dermalen unsere Natur zu erkennen gestattet. Außer dem Raume, außer der Zeit, unendlich, ewig, allmächtig bezeichnen wir diese Gottheit, nichts Höheres wissen wir zu nennen, wenn wir uns auch in tiefer Anbetung bescheiden, was wir nennen nicht zu verstehn, und ein eitles Streben, das unsere Kräfte übersteigt, sein Wesen näher zu fassen, aufgeben.
Keine Ehrengebäude dieser erhabenen Vermuthung! Unwürdig stellt sie die Materie dar. Könnten höhere Wesen ihm Tempel weihn aus Erdsternen, Altäre darin aus Feuersternen, es priese ihren Urheber nicht. Nur Einigemal im Jahre mag sich die dankbare Andacht unter dem himmlischen Gewölbe versammeln, und sich selbst heiligen, in heiliger Empfindung. Wenn der Ball sich wieder zu den Sonnenflammen dreht, ihren befruchtenden Segen zu trinken, wenn wir ärnteten, was die innere Götterkraft der Auen nährend gestaltete, dann wimmle die Menge in Eintracht hinaus und huldige.
Doch da die ewige Gottheit, nicht wohnend im Raum, nicht schwimmend im Strome der Zeiten, unserm jetzt auf diesen Erdstern angewiesenen Geiste, nur im Simbol sich offenbart, so ist es hehr und würdig, zu ehren, was wir irrdisch-göttlich nennen, und sich, so weit der Staub vermag, bildete nach dem Ideal des Allgöttlichen, wie es im Busen der edleren Menschheit geahnet wird.
Laßt uns preisen, was schon das tiefe Alterthum pries, schon so viele Millionen der Gestorbenen zur Tugend erwärmte, uns im Abbild erkennbare Muster des Hohen giebt, es einen mit den Satzungen unsers Bürgervertrags. Laßt uns Stätten des innigen Andenkens erbauen, die uns rührender mahnen und zur Nacheiferung weihen.
Moses, der hohe Urpriester der einigen Gotteslehre, der weise Erfinder heiliger Gesetze, der kräftige Held, ist werth unserer Ehre. Sei er uns Heros des Rechtes, des Kampfes, wo uns geboten wird, gegen innere feindliche Leidenschaft, oder äußere Krieger die Waffen der Vernunft oder des Armes zu erheben. In seinen Tempeln werde das Recht gelehrt, gesprochen, in seinen Tempeln entflamme sich der Muth, wenn des Vaterlandes Vertheidigung uns zum Schwerte ruft.
Jahrtausende nannten den Jüngling in Palästina göttlich, der in wenige Worte die Lehre der reinsten Menschlichkeit zusammen drängte. Er sei uns der Heros des Brudersinns. Er liebte die Kinder, die Erziehung sei ihm geweiht. Ehren wir sein Andenken, indem wir streben, von seinem Geiste durchdrungen zu werden. Vor seinen Altären höre die brüderliche Versammlung, Moral der Gemeinschaft, und der Weisen Unterricht, klüglich die Keime im jungen Herzen zu pflegen. Hier werden die Jünglinge, das aufblühende Mädchen oftmal geprüft, in ihren Fortschritten zur Veredlung.
Schöner zarter Mithos deiner himmlischen Liebe, o Maria, dir gebührt eine Stätte in unsrer Religiosität! Das Weib fühle sich erhoben, eine Heilige ihres Geschlechts in Tempeln gefeiert zu sehn. Mag der poetische Flug in Marmor und Farben, mag er im Gebiet holder Dichtung wetteifern, einem gebildeten Volke schöne Bildungen der hohen Maria zu geben. Ihr bringe die Liebe Anbetung, und erhebe sich begeisterter zum Himmlischen, sie sei die idealische Königin aller Schönheit und die Künste machen sich ihr werther, in dem lieblichen Wahn, von ihrer Glorie umstrahlt zu sein. Die Ehe knüpfte ihre innigen Bande, Maria vor deinen blumengekränzten Altären.
Des ernsten Moses Priesterthum verwalten ergraute, ruhmgenannte Helden, untadelhafte Volksrichter und Fürsten, deren weise gepflogenes Amt die allgemeine Liebe lohnte. Des sanften Christus Tempeldienst sollen die edelsten Jugendlehrer verwalten, wenn sie dem Gemeinwesen eine bedeutende Zahl trefflich gedeihender Zöglinge gaben. Künstler, die verklärenden Genius in ihren Werken offenbarten, üben den Kultus der schönen Heroin Maria, Chöre von unsträflichen Jungfrauen im Gefolge.
So geben wir dem Irrdischen höheren Adel, indem es mit den Ahnungsträumen göttlicher Natur verwandter gemacht wird.
Diese Religion, anfänglich mit vielem Widerspruch der lebenden Generation bekämpft, wurde bei den folgenden allgemein, und gab den Künsten reiche Vorwürfe. Man sah den Heros des Rechtes und der Waffen, vielfach gestalten. Die Idee desselben ward von dem strebenden Kunstsinn immer herrlicher empfangen, und jene Kraftsumme, lange in dem Standbilde des Herkules der Farnese bewundert, blieb bald gegen den vollendeteren, zugleich geistvoller ausgeprägten Moses einer geistvolleren Zeit, zurück. Neben einer Anmuth und einem Einklang der Verhältnisse, wie sie viele Jahrhunderte an jenem Apollon