Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen. Rosette
ich hab ihn gebeten. Es scheint als würde keiner meiner Versuche zu ihm durchdringen. Der ist noch schlimmer als ein Geier.“
„Vielleicht will er ja nur sicherstellen, dass es Ihnen gut geht“, sagte ich, eigentlich nur um überhaupt etwas zu sagen.
Er haftete seinen Blick auf meine Augen, dann brach er in schallendes Gelächter aus. „Melisande Bruno, du bist eine ... Der liebe McIntosh kommt, weil er es für seine Pflicht hält, nicht weil er eine besondere Zuneigung für mich empfindet.“
„Pflicht? Ich verstehe nicht ... Meiner Meinung nach ist seine alleinige Absicht, Sie zu untersuchen. Er muss ein gewisses Interesse daran haben“, sagte ich hartnäckig.
Mc Laine verzog das Gesicht. „Meine liebe ... Du wirst doch nicht eine von denen sein, die so naiv sind zu glauben, dass alles ist, wie es scheint? Es ist nicht alles schwarz oder weiß, es gibt es auch grau, nur um eine von vielen zu nennen.“
Ich antwortete nicht, was sollte ich sagen? Dass er die Wahrheit über mich erfahren hat? Dass es für mich wirklich nichts anderes als weiß und schwarz gibt, und zwar so viel, dass es einem schlecht davon wird.
„McIntosh hat Schuldgefühle wegen des Unfalls und denkt mit seinen regelmäßigen Besuchen würde er somit Buβe tun, auch wenn mir das nicht gefällt“, fügte er hämisch hinzu.
„Schuldgefühle?“ wiederholte ich. „Inwiefern?“
Ein Blitz erleuchtete das Fenster hinter ihm, gefolgt von tosendem Donner. Er sah sich nicht um, als ob er seine Augen nicht von den Meinen lösen könnte.
„Da zeichnet sich sintflutartiger Regen ab. Vielleicht wird dies McIntosh davon abhalten, heute zu kommen.“
„Das bezweifle ich. Das ist nur ein Sommergewitter. Eine Stunde und alles ist vorbei“, sagte er pragmatisch.
Er sah mich mit einem so intensiven Blick an, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Er war ein seltsamer Mann, aber mit so viel Ausstrahlung, die alle anderen Fehler in den Schatten stellen.
„Möchten Sie, dass ich die restlichen Regale aufräume?“ fragte ich nervös, um seinem festen Blick zu entkommen.
„Hast du letzte Nacht gut geschlafen, Melisande?“
Die Frage überraschte mich. Er sprach mit einem lockeren Ton, in dem allerdings eine gewisse Dringlichkeit lag, die mir eine ehrliche Antwort abforderte.
„Nicht besonders“.
„Keine Träume?“ Seine Stimme war hell und klar wie das Wasser eines ruhigen Flusses und ich ließ mich von dem erfrischenden Strom mitreißen.
„Nein, heute Nacht nicht.“
„Wolltest du träumen?“
„Ja“, antwortete ich beschwingt. Unser Gespräch war surreal, aber ich war bereit, es unendlich weiterzuführen.
„Vielleicht wird es wieder geschehen. Die Stille dieses Ortes ist ideal, um sich in Träume zu schaukeln“, sagte er kühl. Er wendete sich wieder seinem Computer zu und hatte mich schon vergessen.
Phantastisch, dachte ich mir und fühlte mich gedemütigt. Er hatte mir, wie einem Hund, einen Knochen zugeworfen, und ich war so dumm gewesen, ihn sofort zu ergreifen, als wenn verhungern müsste. Und ich war wirklich hungrig. Hungrig nach unseren Blicken, nach unseren intensiven Verständnis, nach seinen unerwarteten Lächeln.
Ich beugte mich wieder über meine Arbeit. In diesem Moment dachte ich an Monique. Sie verstand es Männern den Kopf zu verdrehen, sie in einem Netz aus Lügen und Träumen zu fangen, ihre Aufmerksamkeit mit vollendetem Geschick zu gewinnen. Ich hatte sie einmal gefragt, wie sie die Kunst der Verführung gelernt hätte. Zuerst antwortete sie. „Das kann man nicht lernen, Melisande. Oder man hat’s oder man kann nur davon träumen.“ Dann drehte sie sich zu mir um und ihr Gesichtsausdruck war etwas weicher geworden. „Wenn du erst mal in mein Alter kommst, dann wirst du schon wissen, was zu tun ist, du wirst schon sehen.“
Jetzt war ich dem besagten Alter, und ich stand noch schlechter da als zuvor. Meine männlichen Bekanntschaften waren immer sporadisch und von kurzer Dauer gewesen. Jeder Mann präsentierte mir immer die gleichen Fragen: Wie heißt du? Was arbeitest du? Was für ein Auto hast du? Sobald sie erfuhren, dass ich keinen Führerschein besaß, beobachteten sie mich wie ein seltenes Tier, als ob ich an einer schrecklichen ansteckenden Krankheit leiden würde. Und ganz bestimmt legte ich gewisse Vertraulichkeiten nicht auf den Tisch.
Ich strich mit der Hand über den Einband eines Buches. Es war eine kostbare Ausgabe aus marokkanischem Leder von Jane Austens ‚Stolz und Vorurteil‘.
„Ich wette, dass ist dein Lieblingsbuch.“
Ich hob schnell den Kopf. Mc Laine beobachtete mich mit halbgeschlossenen Lidern, ein gefährliches Blitzen inmitten des schwarzen Meers.
„Nein“, sagte ich, und ordnete das Buch ins Regal. „Es gefällt mir, aber es ist nicht mein Favorit.“
„Dann ist es ‚Stürmische Höhen‘.“ Er schenkte mir ein unerwartetes atemberaubendes Lächeln.
Mein Herz machte einen Sprung, und um ein Haar wäre ich fast ins Leere gefallen. „Auch nicht“, sagte ich und stellte mit Freude fest, dass meine Stimme fest und sicher klang.
„Das geht nicht unbedingt gut aus. Wie ich schon sagte, ich liebe Geschichten mit Happy End.“
Er drehte den Rollstuhl, und stellte sich damit mit andachtsvoller Miene nur wenige Schritte von mir entfernt. „‘Überredung‘, auch von Austen. Es geht bestens aus, das kann man nicht leugnen.“ Er versuchte es nicht einmal, das Vergnügen zu verbergen, und auch ich war leidenschaftlich dabei.
„Ich gebe zu, es ist nett, aber immer noch weit entfernt. Das Buch lebt vom Warten und ich bin alles andere als gut im Warten. Zu ungeduldig. Ich würde vorher aufgeben oder meinen Wunsch ändern.“
Jetzt war meine Stimme etwas frivol. Ohne dass ich es merkte, war ich tatsächlich dabei mit ihm zu flirten.
„Jane Eyre“.
Er hatte nicht mit meinem Lachen gerechnet und schaute mich weiterhin verblüfft an.
Es dauerte einige Minuten, bevor ich ihm antworten konnte. „Endlich! Ich dachte schon, sie würden nie darauf kommen ...“
Der Schatten eines Lächelns huschte über sein finsteres Gesicht „Da hätte ich sofort darauf kommen müssen. Eine Heldin mit trauriger und einsamer Vorgeschichte, ein Mann mit leidvoller Vergangenheit, ein Happy End nach tausend Nöten. Romantisch. Leidenschaftlich. Realistisch.“ Jetzt lächelte auch sein Mund, ebenso wie die Augen. „Melisande Bruno, bist du dir bewusst, dass du dich in mich verlieben könntest, so wie Jane Eyre in Mr. Rochester, der ganz zufällig auch noch ihr Arbeitgeber ist?“
„Sie sind nicht Mr. Rochester“, sagte ich leise.
„Ich bin genauso launisch wie er“ wendete er mit einem halben Lächeln ein und ich konnte nichts anderes tun, als zurückzulächeln.
„Das ist wahr. Aber ich bin nicht Jane Eyre“.
„Auch wahr. Sie war blass, hässlich, bedeutungslos“, sagte er schleppend. „Niemand, der bei klarem Verstand ist und Augen im Kopf hat, könnte das von dir sagen. Dein rotes Haar kann man schon von weitem sehen“.
„Das scheint mit nicht gerade ein Kompliment zu sein ...“, beklagte ich mich scherzhaft.
„Wer sich von den anderen abhebt, egal auf welche Weise, ist nie hässlich, Melisande“, sagte er sanft.
„Dann bedanke ich mich freundlichst.“
Er grinste. „Von wem hast du diese Haare, Miss Bruno? Von deinen Eltern italienischer Herkunft? "
Die Erwähnung meiner Familie legte einen trüben Schleier auf das Glücksgefühl des Augenblicks. Ich löste meinen Blick von ihm und begann wieder die Bücher in die Regale einzuordnen.
„Meine