Der Held von Garika. Adolf Mützelburg

Der Held von Garika - Adolf Mützelburg


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sprachen russisch, welche Sprache Daniel von Petersburg her, wo er nur russisch und französisch gesprochen, gut genug verstand. Der Major erzählte, wie er auf seinem Ritt nach Dari dem Bruder Sophias und dessen Gemahlin begegnet und ihnen schnell ausgewichen sei, um von ihnen nicht zu erfahren, dass Sophia sich allein auf dem Schlosse befinde, und dann mit ihnen umkehren zu müssen. Er erzählte gut, denn er besaß die Gabe, auch die unbedeutendsten Dinge in ein angenehmes Gewand zu kleiden. Die Damen fanden ihn sehr unterhaltend; Daniel dagegen behauptete, wenn er sich frei aussprechen konnte, der Major habe etwas vom Harlekin. Jedenfalls kannte Paul Ombrazowitsch die Frauen und wusste, wie man mit ihnen sprechen müsse.

      »So gestehen Sie selbst ein, Major, dass Sie Unrecht getan haben, hierher zu kommen!« rief Sophia. »Sie hätten umkehren müssen, das fühlen Sie. Sagen Sie selbst, was daraus folgt!«

      »Dass ich umso mehr Ihre Teilnahme verdiene, weil ich Ihretwegen einen Verstoß gegen die Konvenienz begangen«, antwortete der Major lächelnd. »Ich fühle mich strafbar, aber Sie dürfen mich nicht verurteilen!«

      »Dennoch, weil Sie etwas gewagt, wozu Sie kein Recht hatten!« rief Sophia. »Oder würden Sie behaupten können, dass ich Sie zu solchen Besuchen ermuntert?«

      »Und wenn ich es behauptete, Comtesse?« fragte der Major etwas keck.

      »So würde ich Sie ohne Erbarmen Lügen strafen«, antwortete Sophia etwas ernster.

      »Ich bitte um Verzeihung!« sagte Paul ergeben. »Reichen Sie mir Ihre Hand, Comtesse, als Zeichen der Vergebung und der Erlaubnis, bei Ihnen bleiben zu dürfen!«

      »Ich würde sie Ihnen nicht geben, die Erlaubnis nämlich, wenn wir allein wären!« antwortete Sophia.

      »Da ich aber den Fürsten Daniel bemerke, so fällt der Hauptgrund für meine Weigerung weg, und es sei Ihnen gestattet, mir Gesellschaft zu leisten.«

      »Fürst Daniel?« fragte Paul, seinen Missmut augenblicklich hinter der schnellen Bewegung verbergend, mit der er sich umblickte. »Wo ist er denn?«

      Daniel war glühend errötet, als die Worte der Gräfin ihm verrieten, dass ihre scharfen Augen ihn wahrscheinlich schon seit seinem Erscheinen bemerkt hatten. Doch fasste er sich schnell, zögerte noch einen Moment bei der Weinranke, hinter der er stand, als ob er etwas betrachte, und trat dann vor.

      »Ich glaubte wahrlich, die Rebe dort treibe neue Blüten«, sagte er, gleichsam sein Zögern entschuldigend, und begrüßte sich dann mit Sophia Brazow.

      Es konnte nicht auffällig scheinen, dass sie ihm die Hand reichte; – er war ja ihr Verwandter und galt in aller, selbst in des Majors Augen für den begünstigten Bewerber.

      Daniel und der Major begrüßten sich höflich, etwas kalt, aber doch mit einer gewissen Vertraulichkeit, die allmählich zwischen Personen, welche sich oft sehen, eintritt.

      Zwei Diener, die auf großen Schüsseln Früchte und Gebäck brachten, erleichterten das Anknüpfen der Unterhaltung, die jetzt französisch geführt wurde. Die Herren nahmen einige von den kleinen Kuchen und tranken Maraschino und Curaçao; von letzterem verschmähte selbst Sophia ein Gläschen nicht. Man sprach über das Wetter, das noch immer sehr schön war und den Aufenthalt im Freien gestattete, über das Befinden Michaels und Ninas und über den Krieg. Der Major hatte neue Nachrichten und die Bestätigung früherer Mitteilungen erhalten. Er berichtete, dass Fort Tschefketil (von den Russen St. Nikolai genannt) sich noch in den Händen der Türken befinde, dass aber die Generale Orbeliani und Bebutow die Türken bei Bajandur geschlagen hätten, und dass die Nachricht eines neuen, erst in den letzten Tagen erfochtenen Siegs bei Supliß angelangt sei. Die Türken, erzählte der Major, zögen sich überall zurück, doch hätten sie sich besser geschlagen als früher.

      »Ich muss gestehen, dass mich zuweilen doch ein Lüstchen anwandelt, den Tanz mitzumachen«, fügte er hinzu. »Ich habe zwar bessere Gegner mir gegenüber gesehen, die Kabylen, die Ungarn, die Tschetschenzen, aber das Pfeifen der Kugeln bleibt doch immer eine angenehme Musik, und wenn ich dächte, die Türken hielten stand, so ließe ich mich zum Fürsten Andronikow nach Akalzich versetzen.«

      »Da sieht man, wie konsequent die Männer in ihren Behauptungen sind!« sagte Sophia achselzuckend. »Noch vor kurzem hörte ich Sie sagen, Sie möchten Ihre Garnison in Kureli mit keiner andern vertauschen.«

      »Ich könnte bei dem Wortlaut meiner Behauptung beharren«, antwortete der Major lächelnd. »Eine andere Garnison wünsche ich mir nicht. Aber die kämpfende Armee ist keine Garnison. Übrigens kann man nicht wissen, ob wir nicht bald mit Schamyl zu tun haben werden. Dann würden auch Sie Ihren Säbel schleifen lassen müssen, Prinz!«

      »Der ist noch geschliffen von der Zeit her, wo ich als Fähnrich gegen die Tschetschenzen kämpfte«, antwortete Daniel Garika mürrisch. »Und wenn ich mich nicht darum bewerbe, unter Orbeliani oder Andronikow in die aktive Armee aufgenommen zu werden, so liegt der Grund· nur darin, dass ich nicht das Interesse wie Sie bei diesem Kriege habe.«

      Es zeigte sich Erstaunen auf dem Gesichte des Majors und der Gräfin. Es war das erste Mal, dass der Fürst eine Äußerung gemacht, die oppositionell klang.

      »Ich will nicht weiter in Sie dringen«, sagte Ombrazowitsch, »aber Ihre Andeutung ist zu kurz, um mir verständlich zu sein.«

      »Nun, ich meine, dass ich, obgleich ein russischer Untertan, doch die Vergangenheit noch nicht vergessen kann«, sagte Daniel mit derselben düstern Miene. »Es fällt mir nicht ein, mich Russland feindlich zu zeigen, ich erkenne die Macht und Oberhoheit des Zaren bereitwillig an und füge mich ergeben in mein Schicksal; davon habe ich Beweise genug gegeben. Aber so begeistert wie ein Altrusse kann ich mich nicht gegen diejenigen schlagen, die mir ein Königreich bieten!«

      Sophia sah mit dem höchsten Befremden auf den Fürsten. Das war eine Äußerung, die, wenn sie in der gehörigen Form und vielleicht mit kleinen Abänderungen nach Petersburg berichtet wurde, dem Fürsten einen Pass nach Sibirien eintragen konnte. Schlummerte in diesem Manne, der in Garika ein untätiges und erschlaffendes Leben führte, wirklich noch etwas von dem Mute seines Vaters und seiner Großmutter? Sophia kannte als Familienmitglied die Geschichte der Garikas gut genug.

      Der Großvater Daniels war ein entnervter, willensschwacher Mann gewesen, dem Russland ohne viele Mühe das Zepter aus den Händen genommen; anders aber die Großmutter, die einen russischen Offizier, der ihr den Gehorsam verweigerte und sie mit Gewalt nach Tiflis führen wollte, mit dem gezückten Dolch aus ihrem Zimmer vertrieben hatte, und erst später mit List und Gewalt nach Petersburg gebracht worden war, wo sie bald starb; anders auch der Vater Daniels, der überwiesen worden, dass er einen Aufstand der Bergvölker nicht nur heimlich unterstützt, sondern auch im Begriff gewesen, sich demselben anzuschließen. Man hatte ihn nach Sibirien geschickt; er war auf der Reise dorthin oder kurz nach der Ankunft gestorben. Auch die Mutter war bald darauf verschieden. Die drei Kinder, Daniel, Giorgi und Nina, hatte man in Petersburg erzogen. Dort war Giorgi verschwunden; es hieß, er sei beim Baden in der Newa ertrunken. Seit jener Zeit hatte, wie wir wissen, Daniel Garika dem russischen Gouvernement eine unbedingte Ergebenheit gezeigt, und die Heirat Ninas mit Michael Brazow, einem Altrussen von erprobter Treue, schien das Band zwischen den Kindern der früheren Könige von Garika und Russland so fest geknüpft zu haben, dass niemand mehr an eine Lösung desselben dachte.

      »Altrusse oder Neurusse«, sagte der Major ernst, aber doch in ganz ruhigem Tone, »Sie sind immer Russe und müssen für die Ehre des großen Vaterlandes einstehen.«

      »Das weiß ich«, antwortete Daniel kurz ablehnend. »Und dennoch wäre es zu viel verlangt, bei mir dieselben Sympathien für Russland vorauszusetzen wie bei einem Petersburger oder Moskauer, oder auch nur bei den Kosaken, die ja schon seit längerer Zeit die Untertanen, Russlands sind.«

      »Haben Ihnen denn die Türken Anerbietungen gemacht, Prinz?« rief Sophia ungläubig.

      »Nicht mir«, antwortete Daniel kurz ausweichend. »Ich habe nur von Versprechungen gehört, die sie ihren Bundesgenossen gemacht.«

      »Hm – türkische Versprechungen!« sagte der Major lächelnd. »Wollen Sie sich mit den Kurden auf eine Linie stellen? Das sind auch Bundesgenossen der Türken.«

      »Sie sind


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