Der Held von Garika. Adolf Mützelburg

Der Held von Garika - Adolf Mützelburg


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Mongolen zum Beispiel!« fuhr er dann langsam fort. »Doch brechen wir davon ab. Sie kennen meine Gesinnungen. Ich bin dem Kaiser ergeben, wie es nur einer sein kann, und wenn er mich ruft, stehe ich ihm zu Diensten. Aber drängen werde ich mich zu diesem Kriege nicht.«

      Man sah es den Augen und den Zügen Sophias an, dass sie verwundert überlegte. Woher plötzlich diese Missstimmung bei einem Manne, der bisher seine Milizuniform mit demselben Stolze und mit mehr Eitelkeit vielleicht getragen hatte, wie jeder russische Offizier? Erriet ihr kluges Köpfchen, dass Daniel Garika sich nur interessant machen, dass er andeuten wolle, die Umstände könnten ihn zu etwas anderem erheben, als er jetzt war, ja dass er sich vielleicht zu dem gefährlichen Wagestück, entschlossen habe, der russischen Regierung gegenüber den Missvergnügten zu spielen, um dadurch einige Konzessionen zu erlangen, Konzessionen, die sich möglicher weise selbst auf Sophia Brazow erstrecken konnten?

      Denn Zar Nikolaus zog auch die Heirat liebenswürdiger Frauen in den Bereich seiner Politik, und wenn es rätlich erschien, Daniel Garika durch eine Heirat mit der Comtesse fester an das russische Interesse zu binden, so ließ sich voraussehen, dass der entsprechende Wink von Petersburg nicht ausbleiben würde.

      »Machen wir einen kleinen Spaziergang! Die Luft ist kühl«, sagte sie mit einiger Ungeduld.

      Sie erhob sich, und die beiden Herren gingen neben ihr dem Walde zu. Das Gespräch wandte sich auf andere Dinge. Man sprach von Tiflis, wohin sich die Gräfin während der nächsten Monate begeben wollte, und beide Herren gaben ziemlich deutlich ihre Absicht zu erkennen, ihr dorthin zu folgen.

      So gelangte man in den Wald, der von dem Park nur durch ein sehr einfaches Gitter getrennt war. Hier, an einem reizenden Platze, gebot Sophia Halt und setzte sich auf einen breiten Stein, der eigens zu diesem Zwecke hierher gerollt zu sein schien. Die beiden Herren blieben stehend neben ihr. Es war eine natürliche Rotunde, wie sie die Natur kaum schöner hervorbringen konnte. Sechs Säulen von den verschiedenartigsten Schlingpflanzen, unter sich durch schwankende Blättergewebe verbunden, bildeten fast einen Kreis und schlossen sich oben in einer Höhe von mehr als fünfzig Fuß zu einer farbenglühenden Kuppel zusammen, durch welche das Blau des Himmels nur wie Teile einer großartigen Mosaik hindurchschimmerte. Die fortwährende leichte Bewegung dieser Blätter, welche bei jedem Windhauch erzitterten, erhöhte den Farbenschimmer dieser aus Gold, Purpur und Smaragd geflochtenen Säulen und Wölbungen. Nur wenn das Auge scharf die Überfülle der Schlingpflanzen durchdrang, oder auch die suchende Hand das Auge unterstützte, entdeckte man, dass die sechs Säulen von alten, längst vermoderten Stämmen gebildet waren, die durch die tausendfachen Verschlingungen der Efeu-, Winden-, Brombeer-, Hopfen- und Rebenranken gestützt und zugleich mit einem glänzenden, aber trügerischen Schimmer jugendlichen Lebens geschmückt waren. Die Vegetation ist in diesem feuchten Erdreich so gewaltig, dass viele Stämme absterben, ehe sie die ganze Fülle und Kraft ihres Daseins erreicht haben, weil die Schmarotzergewächse ihnen Licht und Luft entziehen; dennoch bleiben sie oft noch jahrelang aufrecht, gestützt durch die Ranken der Schlingpflanzen, bis ein Sturm sie niederstürzt und sie dann den Boden zu noch größerer Fruchtbarkeit düngen. Diese Wälder sind oft selbst in der Nähe bewohnter Orte noch wirkliche Urwälder. Nur ihre Ränder sind gelichtet; in das Innere dringt selten der Fuß und noch seltener die Axt des Menschen.

      Was den Reiz dieses natürlichen Kuppelbaus erhöhte, war die Öffnung nach der einen Seite hin, die durch eine natürliche Lichtung einen Blick in die weite, weite Ferne, bis zu den bläulichen Bergen des südlichen Kaukasus, bot – eine dufterfüllte Landschaft, eingefasst in den Barockrahmen der goldenen Blätter. Sophia liebte diesen Ort, und wahrlich nicht mit Unrecht; er war die Perle dieses Paradieses.

      Die Unterhaltung drehte sich noch um Tiflis, diese schnell emporblühende Hauptstadt der südlich vom Kaukasus gelegenen Provinzen, um einige Maßregeln des Generalgouverneurs und um einige Familien, die von Petersburg aus nach Tiflis übergesiedelt, weil ihre Häupter zur kaukasischen Armee beordert worden.

      Ombrazowitsch, unruhig und beweglich, wie er war, und vielleicht auch gelangweilt durch die Gegenwart Daniel Garikas, haschte hier und dort nach einem Käfer, besah ihn, warf ihn wieder fort, ging auch zuweilen einige Schritte in das Dickicht hinein, um einen seltenen Käfer zu fangen, nahm aber stets an der Unterhaltung teil.

      Plötzlich stieß Sophia einen leichten Schrei aus und sprang auf.

      »Eine Schlange!« rief sie. »Jagen Sie das Tier fort, meine Herren!«

      In der Tat schlängelte sich·eine Natter langsam und in zierlichen Windungen über den mit gelben Blättern bedeckten Rasen. Sie kam furchtlos fast bis in die Mitte des freien Platzes, in die Gegend, in welcher der Major stand, der sie ruhig beobachtend erwartete.

      Daniel hatte sich schnell nach einem Gegenstande umgesehen, mit dem er die Schlange verjagen könne, da er aber keinen fand, schien er im Begriff, den Degen ziehen zu wollen.

      »Es hat gar keine Gefahr, Comtesse!« rief Ombrazowitsch. »Dies ist eine ganz unschädliche Natter!« er nannte den lateinischen Namen – »und wäre es selbst eine giftige, ich weiß mit diesen Tieren umzugehen!«

      »Nehmen Sie sich in Acht, Major!« rief die Gräfin die sich nach dem Eingange der natürlichen Laube zurückgezogen hatte, dort aber, von Natur mutig, stillstand, um die geschickten, selbst graziösen Bewegungen der Schlange zu beobachten.

      »Erlauben Sie, ich will sehen, ob ich meine alten Künste noch kann!« rief Ombrazowitsch lächelnd und trat auf die Natter zu, die sich zusammengeringelt hatte und ihn mit einer gewissen Scheu zu erwarten schien. Darauf schlug er den Ärmel seiner Uniform ein wenig zurück, sodass die rechte Hand freier wurde, und ließ ein leises, eigentümliches, fast singendes Zischen hören, während er die Hand starr nach der Schlange ausstreckte. Diese schien aufzuhorchen richtete dann schnell den Kopf empor, sah sich um und wiegte sich einige Sekunden lang auf ihrem schlanken Oberleibe. Dann schnellte sie auf Ombrazowitsch zu.

      Sophia stieß einen Ruf des Schreckens aus. Der Major blieb ruhig stehen und begann nur die Hand zu bewegen, sehr langsam und in bestimmten arabeskenartigen Linien. Die Schlange hielt den Kopf beinahe eine Minute lang unbeweglich in erhobener Stellung, dann begann sie fast widerwillig die Bewegungen nachzuahmen, die allmählich schneller wurden. Ombrazowitsch zog nun mit der Hand verschiedene Linien durch die Luft; die Schlange, wie gebannt und beherrscht durch seinen Blick und seine Hand, folgte allen Bewegungen der letztern, senkte den Kopf, beschrieb Kreise, sich um sich selbst drehend, folgte auch dem Major, der jetzt seinen Standpunkt veränderte, aber unablässig dasselbe singende Zischen hören ließ. Es war ein eigentümliches Schauspiel, dessen Reiz durch die anmutigen Bewegungen des schlanken Tieres erhöht wurde. Die Gräfin trat unwillkürlich einige Schritte näher. Der Major aber sah sie nicht an; er hielt seine Blicke unverwandt auf die Natter gerichtet, die zuletzt jede Bewegung der Hand des Majors mit derselben Schnelligkeit nachahmte, mit der er sie tat. Endlich führte er sie an den Rand des Dickichts, ließ seine Bewegungen langsamer werden und streckte zuletzt lange die Hand unbeweglich über sie aus, bis die Schlange sich niederlegte und in Ruhe oder Ermattung zu versinken schien.

      »Köstlich, Herr Major!« rief Sophia ganz entzückt und klatschte in die Hände. »Wo haben Sie das gelernt?«

      »O, das ist nichts Besonderes«, erwiderte Ombrazowitsch, leicht Atem schöpfend. »Ich habe es einigen so genannten Schlangenbändigern abgelauscht und glaubte es wagen zu können, da diese Natter jedenfalls eine unschädliche ist. Man sagt, dass diese Tiere, wenigstens eine Zeit lang, ihrem Bändiger überall folgen. Wir wollen nachher sehen, ob das wahr ist!«

      »O wie interessant!« rief Sophia. und es lag etwas so Bewunderndes in dem Blick, den die Comtesse dabei auf den Major warf, dass Daniel Garika vor Eifersucht erbleichte. Er fühlte, dass er bei diesem Intermezzo nicht nur eine sehr unbedeutende, sondern selbst klägliche Rolle gespielt hatte. Denn er hatte lange Zeit mit der Hand am Griff seines Degens gestanden, während der furchtlose Major die Schlange tanzen ließ.

      Sophia wollte Näheres über die Kunst wissen, die man anwende, um diese Tiere zu bändigen. Ombrazowitsch erzählte, was er wusste, und erzählte, wie immer, leicht und interessant. Er kam dabei auf Algier zu sprechen, wo er eine Zeit lang mit den Spahis als Freiwilliger gegen die Beduinen gekämpft und zugleich den französischen Krieg gegen die


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