Der Held von Garika. Adolf Mützelburg

Der Held von Garika - Adolf Mützelburg


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war ein ermüdender Weg, durch öde Gebirge, in denen selten ein freundliches Tal das Auge erquickte, über kalte, einförmige Hochebenen. Jetzt verlieh der Winter der ganzen Landschaft einen noch trübern Charakter. Kein Wunder also, wenn George und Johnny und selbst der Armenier etwas schneller ritten, um die Reisenden in Augenschein zu nehmen, vielleicht einige Worte mit ihnen zu wechseln.

      Es waren zwei Reiter, ein Reisender und ein Führer, und George glaubte schon von fern in dem einen von ihnen einen Europäer zu erkennen. Seine Tracht war freilich seltsam genug, aber an eigentümliche Zusammenstellungen der Anzüge wird man im Orient leicht gewöhnt. Saß doch auch George, in eine große Decke gehüllt, auf seinem Pferde, und Johnny trug eine Art Pelzrock zu seinem Seemannshut. Der Anzug jenes Reiters war aber nicht nur abenteuerlich, sondern auch zerrissen und beschmutzt; er schien aus einer Menge der verschiedensten Kleidungsstücke zusammengewürfelt zu sein.

      Als George näherkam, sah er, dass der Reiter die Füße mit Tüchern umwickelt hatte, um die zerrissenen Beinkleider zu verbergen und sich gegen die Kälte zu schützen.

      Trotzdem saß er stolz und zuversichtlich im Sattel und schien seinerseits George und Johnny aufmerksam zu mustern. Er trug einen dunklen Vollbart, doch schienen Backen- und Kinnbart von jüngerem Ursprunge zu sein als der starke Schnurrbart.

      Als die Reiter dicht beieinander waren, wechselten die Führer einige Worte, und der Armenier sagte zu George, der Reisende sei ein Franke. Das ist im Orient die allgemeine Benennung für die Fremden. Darauf grüßte George in europäischer Manier und sprach den Fremden in französischer Sprache an; er fragte ihn, woher er komme, wie weit es bis zum nächsten größern Orte sei. Der Fremde, dessen braunes Auge fortwährend aufmerksam auf George und Johnny ruhte, antwortete in geläufigem Französisch, das jedoch nicht seine Muttersprache zu sein schien; dann fragte er, welche Befehlshaber in Erzerum kommandierten. George nannte dieselben; die Hauptführer der türkischen Truppen befänden sich jedoch nicht in der Stadt, sondern an der russisch-türkischen Grenze. Darauf fragte der Fremde, wie es mit Sinope stehe, ob es durch das Bombardement viel Schaden gelitten. George berichtete, was er damals gesehen. Er erwähnte dabei, dass er in dem Hause eines deutschen Herrn Zuflucht gefunden.

      »Eines deutschen Herrn!« rief der Fremde lebhaft. »Sollte es der Zufall gewollt haben – Sinope ist ja eine kleine Stadt – dass Sie einen Herrn Wiedenburg gesehen oder gesprochen?«

      »Wiedenburg!« rief jetzt George seinerseits mit stürmischer Lebendigkeit. »Um des Himmels willen, Sie sind doch nicht der Verwandte, den er erwartete mit Mr. Hywell und Mary?«

      »Der bin ich! Und er lebt?«

      »Er lebt! Aber Mr. Hywell und seine Tochter« wo sind sie? Ich bin sein Pflegesohn!«

      »Ja – Mr. Hywell – das ist eine traurige Geschichte! Der alte Eisenkopf wollte nicht hören, und wählte den Weg nach Bajazid, statt nach Eriwan!«

      »Und nun?« rief George bleich vor Erwartung.

      »Nun ist er mit seiner Tochter gefangen bei den Kurden, und ich selbst habe mich aufgemacht, um zu sehen, ob Hilfe für beide zu finden ist«, antwortete Wiedenburg. »So sind Sie also Mr. George, den Mr. Hywell in Konstantinopel oder Sinope zu finden hoffte. Nun, Sir«, fügte er hinzu, in die englische Sprache übergehend, »es freut mich von Herzen, Sie zu finden! Sie glauben nicht, wie wohl es mir tut, zu wissen, dass Mr. Hywells Schicksal nun nicht mehr allein auf meinem Beistand beruht. Denn wie leicht kann so ein Kurde –«

      »Gott verdamme das Volk!« rief Johnny, der mit weitgeöffneten Augen gespannt lauschte.

      »Ja, das mag er!« sagte Wiedenburg beifällig nickend. »Wie leicht kann so ein Schurke einem aus seinem feigen Hinterhalt hervor das Lebenslicht ausblasen! Willkommen denn!«

      Und er reichte George, dessen Wangen vor Aufregung glühten, die Hand, die dieser freudig ergriff. Er reichte sie auch Johnny, der sie vertraulich derb schüttelte und für den Augenblick nichts zu sagen wusste als:

      »Doch wohl, Mr. Hywell! Ich hoffe es! Und Miss Mary doch auch gesund?«

      »Wollen’s hoffen!« sagte Wiedenburg. »Und nun, Mr. George, zurück ins nächste Dorf, das kaum drei tausend Schritte hinter mir liegt! Wir müssen einen Kriegsrat halten. Gott sei Dank, dass ich endlich mit einem Menschen und nun gar mit einem Freunde über dieses Unglück sprechen kann!«

      Er rief dem Führer einige Worte zu und ritt dann neben George die Straße zurück. Aber so groß war die Erregung der beiden, dass sie auch nicht ein einziges Wort mit einander sprachen, bis sie das Dorf und in diesem das Haus erreicht hatten, das für den Aufenthalt von Reisenden und Karawanen eingerichtet war.

      Karawanserai ist der Name für die Räumlichkeiten, die der Reisende fast in allen orientalischen Städten und namentlich in den Orten, die an einer besuchten Straße liegen, antrifft und die ihm meist zur freien Benutzung geöffnet sind. In den größern Städten bestehen sie oft aus prächtigen Gebäuden, mit einer Menge von Räumlichkeiten für die Reisenden, ihre Diener und Pferde; an kleinern Orten sind sie natürlich einfacher. Immer jedoch enthalten sie verschiedene Räume, in denen die Reisenden und ihre Tiere ein bequemes Unterkommen finden und oft auch einen kleinen Bazar, in welchem man die notwendigsten Lebensbedürfnisse kaufen kann. Mit den Wirtshäusern Europas lassen sie sich freilich nicht vergleichen; sie bieten eben nur ein Obdach. Aber der Reisende führt auch im Orient alles, was zur Reise gehört, bei sich: Decken, Teppiche, Kissen, Gerätschaften, oft auch Lebensmittel.

      Die Räumlichkeit zum Wohnen befindet sich unmittelbar neben dem Behältnis für die Pferde oder Esel; man kann sie fortwährend im Auge behalten.

      In einem solchen Raume nun saßen George und Edmund Wiedenburg beieinander und schauten Johnny zu, der sich bereits in die orientalische Art zu reisen gefunden hatte und jetzt ein Feuer anzündete, um Tee zu kochen.

      Die große strohumflochtene Rumflasche fehlte auch nicht, und Johnny hatte noch einige ähnliche im Vorrat.

      Als er deshalb sah, wie Wiedenburg einen fast begehrlichen Blick auf die Flasche warf, reichte er sie ihm nebst einem Glase dar.

      »Wohl bekomm’s, Sir!« sagte er. »Sie sehen etwas übernächtig aus – da wird’s guttun! Bei dem Kurdenvolk – damn! – mögen Sie wohl keinen vernünftigen Tropfen gekostet haben. – Ist Jamaika, Sir!«

      »Mit Ihrer Erlaubnis!« sagte Wiedenburg lächelnd zu George, indem er sich das Glas zur Hälfte füllte.

      »Ich glaube wohl, dass ich übernächtig aussehe, denn besonders gut ist es mir in der letzten Zeit nicht gegangen. Eine kleine Herzstärkung dürfte mir nicht schaden! Ich habe in den letzten Wochen außer Reis und hin und wieder einem Stück schlechten Hammelfleisches nichts genossen, und mit den Getränken sieht’s hierzulande kläglich aus. Vor Verzweiflung trinkt man freilich auch gegorene Milch! Überdies fehlte es mir an Geld. Ich musste sparsam sein mit den wenigen Goldstücken, die ich vor dem Falkenblick dieser räuberischen Kurden gerettet!«

      »Ihre ganze Erscheinung spricht dafür, dass Sie Leiden erduldet«, sagte George. »Und wie ich fürchte, ist es meinem Pflegevater und Miss Mary nicht besser ergangen. Doch ich werde ja hören und will mich nicht f im Voraus mit Gedanken quälen. Stärken Sie sich, Sir, Sie haben es nötig! Und dann berichten Sie mir, wie es Ihnen und den beiden Personen ergangen, die mir die teuersten von allen sind, die ich kenne!«

      Johnny beeilte sich mit dem Tee, und bald darauf durchzog auch der Duft des Fleisches, das der armenische Führer eingekauft und das er an einem kleinen Rost am Feuer briet, das Zimmer. Der alte Bursche zeigte sich als ein vortrefflicher Küchenmeister, und Wiedenburg war der dankbarste Gast, den man sich denken kann.

      »Das nenne ich einen glücklichen Tag nach vielen trüben!« rief er heiter. »Einen Freund gefunden, Nachricht von meinem Onkel – ich nenne ihn so, obgleich er eigentlich ein entfernterer Verwandter ist – eine Tasse guten Tee – eine Hammelkotelette, einen Schluck Rum – verzeihen Sie diese Zusammenstellung, Sir! – das sind unerwartete Genüsse, und es ist mir, als könnte ich jetzt wieder hoffen, dass alles gut werden wird!«

      »Und hier – zum Nachtisch!« sagte Johnny schmunzelnd und zeigte ein Päckchen Zigarren.

      »Das


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