Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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der die Kräfte des Soldaten verdoppelt, gelungen war, sich in einer Gruppe von ungefähr fünfzig Mann zu vereinigen, und daß, abgesehen von einem Dutzend Verirrter, die er dahin und dorthin rollen sah, der Kern vollständig und im Bereiche der Stimme war. Doch nicht allein die Musketiere und die Garden zogen die Aufmerksamkeit von d’Artagnan auf sich. Um die Galgen her und besonders bei den Zugängen der Arcade Saint-Jean bewegte sich ein geräuschvoller, zänkischer, geschäftiger Wirbel; kecke Gesichter, entschlossene Mienen hoben sich an verschiedenen Stellen unter albernen Gesichtern und gleichgültigen Mienen hervor; Zeichen wurden ausgetauscht, Hände berührten sich. D’Artagnan bemerkte in den Gruppen, und sogar in den belebtesten Gruppen das Gesicht des Reiters, den er hatte durch die Verbindungsthüre seines Gartens eintreten sehen, und der zuerst hinaufgegangen war, um die Trinker zu haranguiren. Dieser Mann organisirte Abtheilungen und gab Befehle.

      »Mordioux!« rief d’Artagnan, »ich täuschte mich nicht, ich kenne diesen Menschen, es ist Menneville. Was Teufels macht er hier?«

      Ein dumpfes Gemurmel, das stufenweise immer deutlicher wurde, hemmte ihn in seiner Betrachtung und zog seine Blicke nach einer andern Seite. Dieses Gemurmel wurde durch die Ankunft der armen Sünder veranlaßt. Ein starkes Piquet Bogenschützen marschirte ihnen voran und erschien an der Ecke der Arcade. Die ganze Menge stieß alsbald Schreie aus und alle diese Schreie bildeten ein ungeheures Gebrülle.

      D’Artagnan sah Raoul erbleichen und klopfte ihm auf die Schulter.

      Bei diesem Gebrülle wandten sich die Heizer um und fragten, wie weit man wäre.

      »Die Verurtheilten kommen,« sagte d’Artagnan.

      »Gut,« erwiederten sie und belebten immer mehr die Flammen des Kamins.

      D’Artagnan schaute ihnen unruhig zu. Diese Leute, welche ein solches Feuer ohne allen Nutzen machten, hatten offenbar besondere Absichten.

      Die Verurtheilten erschienen auf dem Platz. Sie gingen zu Fuß, den Henker voran; fünfzig Bogenschützen marschirten zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken. Beide waren schwarz gekleidet, bleich, aber entschlossen.

      Sie schauten ungeduldig über die Köpfe, indem sie sich bei jedem Schritt auf ihren Füßen erhoben.

      D’Artagnan bemerkte diese Bewegung und sagte:

      »Mordioux! sie haben große Eile, die Galgen zu sehen.«

      Raoul wich zurück, ohne daß er die Stärke besaß, das Fenster ganz zu verlassen. Der Schrecken hat auch seine Anziehungskraft.

      »Zum Tod! zum Tod!« riefen fünfzigtausend Stimmen.

      »Ja, zum Tod!« brüllten hundert Wüthende, als hätte ihnen die große Masse das Stichwort gegeben.

      »Zum Strang! zum Strang!« rief die Menge; »es lebe der König!«

      »Nein! nein! keinen Galgen!« rief die Mehrzahl? »Es lebe Colbert!«

      »Ah!« murmelte d’Artagnan, »das ist drollig, ich hätte nicht geglaubt, Herr von Colbert lasse sie hängen.«

      In diesem Augenblick fand eine Fluthung statt, welche die Verurtheilten in ihrem Gang aufhielt.

      Den Leuten mit kecker, entschlossener Miene, welche d’Artagnan bemerkte, war es durch Pressen, Stoßen und Drängen gelungen, sich beinahe bis zur Reihe der Bogenschützen vorwärts zu arbeiten.

      Der Zug setzte sich wieder in Marsch.

      Plötzlich warfen sich unter dem Geschrei: Es lebe Colbert! die Menschen, welche d’Artagnan nicht aus dem Gesichte verlor, auf das Geleite, das vergebens zu kämpfen suchte. Hinter diesen Menschen war die Menge.

      Da begann unter dem wüthendsten Lärmen ein gräßliches Getümmel.

      Nun war es etwas Anderes, als Schreie der Erwartung oder Freudenschreie, es waren Schmerzensschreie.

      Die Hellebarden schlugen, die Schwerter durchbohrten, man feuerte mit Musketen.

      Es entstand ein seltsamer Wirbel, unter dem d’Artagnan nichts mehr sah.

      Dann erhob sich aus diesem Chaos plötzlich etwas wie eine offenbare Absicht, wie ein entschiedener Wille.

      Die Verurtheilten wurden den Händen der Wachen entrissen, und man schleppte sie nach dem Hause zum Bilde Unserer Lieben Frau.

      Diejenigen, welche sie fortschleppten, riefen: »Es lebe Colbert!«

      Das Volk zauderte, denn es wußte nicht, ob es über die Bogenschützen oder über die Angreifer herfallen sollte.

      Was das Volk aufhielt, war der Umstand, daß diejenigen, welche riefen: »Es lebe Colbert!« zu gleicher Zeit zu schreien anfingen: »Keinen Strang! nieder mit dem Galgen! in’s Feuer! in’s Feuer! verbrennen wir die Diebe! verbrennen wir die Aushungerer!«

      Gemeinschaftlich ausgestoßen, wurde dieser Schrei mit der größten Begeisterung ausgenommen.

      Der Pöbel war gekommen, um eine Hinrichtung anzusehen, und nun bot man ihm Gelegenheit, selbst eine vorzunehmen.

      Nichts konnte dem Pöbel angenehmer sein. Er trat auch sogleich der Partei der Angreifer gegen die Bogenschützen bei und schrie mit der Minderzahl, welche durch ihn eine äußerst compacte Mehrzahl wurde:

      »Ja, ja, in’s Feuer die Diebe! Es lebe Colbert!«

      »Mordioux!« rief d’Artagnan, »mir scheint, das wird ernst.«

      Einer von den Männern, die sich beim Kamin aufhielten, näherte sich, seinen Brand in der Hand, dem Fenster.

      »Ah! ah!« sagte er, »es wird warm.« Dann sich gegen seinen Gefährten umwendend: »Man gibt das Signal!« Und plötzlich legte er seinen Feuerbrand an ein Täfelwerk.

      Die Schenke zum Bilde Unserer Lieben Frau war kein ganz neues Haus; es ließ sich auch nicht lange bitten, um Feuer zu sangen.

      In einer Secunde krachen die Bohlen und die Flamme steigt knisternd empor.

      Ein Gebrüll von Außen antwortet auf das Geschrei, das die Mordbrenner ausstoßen.

      D’Artagnan, der nichts gesehen hat, weil er nach dem Platze schaut, fühlt zugleich den Rauch, der ihm den Athem versetzt, und die Flamme, die ihn brennt.

      »Holla!« ruft er, sich umwendend, »das Feuer Ist hier? seid Ihr Narren oder Wüthende, Ihr Bursche?«

      Die zwei Männer schauen ihn mit erstaunter Miene an und entgegnen:

      »Wie! ist das nicht verabredet?«

      »Verabredet, daß Ihr mein Haus verbrennt!« schreit d’Artagnan, indem er den Feuerbrand aus den Händen des Mordbrenners reißt und ihm in’s Gesicht schlägt.

      Der Zweite will seinem Kameraden Hilfe leisten, doch Raoul packt ihn, hebt ihn auf und wirft ihn durch das Fenster, während d’Artagnan seinen Gefährten die Stufen hinabschleudert.

      Raoul, der zuerst frei ist, reißt das Täfelwerk ab und wirft es, ganz rauchend, ebenfalls aus dem Fenster.

      Mit einem Blick gewahrt d’Artagnan, daß für den Brand nichts mehr zu befürchten ist, und läuft an’s Fenster.

      Die Verwirrung hat den höchsten Grad erreicht. Man schreit zugleich: »In’s Feuer! Schlagt sie todt! An den Galgen! Auf den Scheiterhaufen!«

      Die Gruppe, welche die Verurtheilten den Händen der Bogenschützen entreißt, nähert sich dem Haus, das das Ziel zu sein scheint, nach dem man sie fortschleppt.

      Menneville ist an der Spitze der Gruppe und schreit lauter als irgend Jemand:

      »In’s Feuer! in’s Feuer! Es lebe Colbert!«

      D’Artagnan fängt an zu begreifen. Man will die Verurtheilten verbrennen, und sein Haus ist der Scheiterhaufen, den man ihnen bereitet.

      »Halt!« schreit er, den Degen in der Faust und einen Fuß auf dem Fenster. »Menneville, was wollt Ihr?«

      »Herr d’Artagnan,« erwiedert dieser, »laßt uns durch, laßt uns durch!«

      »In’s Feuer! in’s Feuer mit den Dieben! Es lebe Colbert!« schreit die Menge.

      Dieses


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