Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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von Oesterreich erschien nicht mehr beim Cardinal; sie hatte nichts mehr bei ihm zu thun. Die Schicklichkeit war ein Vorwand für ihre Abwesenheit; übrigens erkundigte sich der Cardinal auch gar nicht nach ihr: der Rath, den die Königin ihrem Sohn gegeben, war ihm im Gedächtniß geblieben.

      Gegen Mitternacht, während Mazarin noch ganz geschminkt war, trat der Todeskampf ein. Er hatte sein Testament noch einmal durchgesehen, und da dieses Testament der genaue Ausdruck seines Willens war, und er befürchtete, ein interessirter Einfluß könnte seine Schwäche benützen, um etwas an diesem Testament ändern zu lassen, so hatte er das Losungswort Colbert gegeben, welcher in dem Corridor, der nach dem Schlafzimmer des Cardinals führte, wie die aufmerksamste Schildwache auf und ab ging.

      In seinem Zimmer eingeschlossen, sandte der König alle Stunden seine Amme nach der Wohnung von Mazarin ab, mit dem Befehl, ihm das Bulletin der Krankheit des Cardinals zu bringen.

      Nachdem er erfahren, Mazarin habe sich ankleiden schminken und kämmen lassen, und sodann die Botschafter empfangen, erfuhr Ludwig, man sänge an die Sterbegebete für den Cardinal zu sprechen.

      Um ein Uhr Morgens versuchte Guénaud das letzte Mittel, das man ein heroisches Mittel nannte. Es war ein Ueberrest der alten Gewohnheiten jener wehrhaften Zeit, welche verschwinden sollte, um einer andern Zeit, Platz zu machen, daß man glaubte, man könne gegen den Tod einen guten geheimen Stoß aufbewahren.

      Nachdem Mazarin das Mittel genommen, athmete er zehn Minuten lang. Sogleich gab er Befehl, aller Orten und auf der Stelle das Gerücht von einer glücklichen Krise zu verbreiten. Bei dieser Kunde fühlte der König, wie ein kalter Schweiß seine Stirne befeuchtete; er hatte den Tag der Freiheit erschaut, und die Sklaverei kam ihm düsterer und minder annehmbar vor, als je. Doch das nächste Bulletin änderte gänzlich das Angesicht der Dinge. Mazarin athmete gar nicht mehr, und folgte nur mit großer Mühe den Gebeten, die der Pfarrer von Saint-Nicolas-des-Champs bei ihm sprach.

      Der König ging wieder in großer Aufregung in seinem Zimmer umher und durchlas, während er ging, mehrere Papiere, die er aus einer Kapsel genommen hatte, von der er allein den Schlüssel besaß.

      Die Amme kam zum dritten Mal zurück, Herr von Mazarin hatte ein Wortspiel gemacht, und seine Flora von Titian wieder zu firnissen befohlen.

      Endlich gegen zwei Uhr Morgens konnte der König der Müdigkeit nicht mehr länger widerstehen, er schlief seit vierundzwanzig Stunden nicht. Der in seinem Alter so gewaltige Schlaf bemächtigte sich seiner und beugte ihn auf eine Stunde nieder. Doch er legte sich diese Stunde nicht zu Bette, sondern schlief in einem Lehnstuhl. Gegen vier Uhr kehrte die Amme in das Zimmer zurück und weckte ihn auf.

      »Nun?« fragte der König.

      »Nun! mein lieber Sire,« sagte die Amme, mit einer Miene des Mitleids die Hände faltend, »nun, er ist todt.«

      Der König erhob sich mit einem Male und als ob ihn eine Stahlfeder auf seine Beine geschnellt hätte, und rief:

      »Todt!«

      »Ach! ja.«

      »Ist es sicher?«

      »Ja.«

      »Officiell?«

      »Ja.«

      »Ist es bekannt gemacht?«

      »Noch nicht.«

      »Aber wer hat Dir gesagt, der Cardinal sei todt?«

      »Herr Colbert.«

      »Herr Colbert?«

      »Ja.«

      »Und er selbst war dessen, was er sagte, sicher?«

      »Er kam eben aus dem Zimmer und hatte einige Minuten lang dem Cardinal einen Spiegel vor die Lippen gehalten.«

      »Ah!« machte der König; »und was hat Herr Colbert gethan?«

      »Nachdem er das Zimmer Seiner Eminenz verlassen, ist er mir gefolgt.«

      »Somit ist er . . . «

      »Hier, mein lieber Sire, und wartet vor Eurer Thüre, ob Ihr ihn zu empfangen geruhen werdet.«

      Ludwig lief nach der Thüre, öffnete selbst und erblickte Colbert, der wartend im Gang stand.

      Der König bebte beim Anblick dieser ganz schwarz gekleideten Bildfäule.

      Colbert verbeugte sich in tiefer Ehrfurcht und machte zwei Schritte gegen Seine Majestät.

      Ludwig kehrte in sein Zimmer zurück und bedeutete Colbert durch ein Zeichen, er möge ihm folgen.

      Colbert trat ein; Ludwig entließ seine Amme, welche bei ihrem Abgang die Thüre schloß. Colbert blieb bescheiden bei der Thüre stehen.

      »Was habt Ihr mir zu melden, mein Herr?« fragte Ludwig, ganz beklommen, daß man ihn so bei seinem geheimsten Gedanken ertappte, den er nicht ganz zu verbergen im Stande war.

      »Daß der Herr Cardinal verschieden ist, Sire, und daß ich Euch sein letztes Lebewohl bringe.«

      Der König blieb einen Augenblick nachdenkend. Während dieses Augenblicks schaute er Colbert aufmerksam an; offenbar fiel ihm der letzte Gedanke des Cardinals ein.

      »Ihr seid Herr Colbert?« fragte er.

      »Ja, Sire.«

      »Ein treuer Diener Seiner Eminenz, wie mir Seine Eminenz selbst gesagt hat?«

      »Ja, Sire.«

      »Der Bewahrer eines Theils seiner Geheimnisse?«

      »Aller.«

      »Die Freunde und Diener der verstorbenen Eminenz werden mir theuer sein, mein Herr, und ich werde dafür Sorge tragen, daß Ihr in meinen Bureaux angestellt werdet.«

      Colbert verbeugte sich.

      »Ihr seid, glaube ich, Finanzmann, mein Herr?«

      »Ja, Sire.«

      »Und Ihr wurdet vom Herrn Cardinal bei der Verwaltung seiner Güter verwendet?«

      »Ich habe diese Ehre gehabt, Sire.«

      »Nicht wahr, Ihr habt nie persönlich etwas für mein Haus gethan?«

      »Verzeiht, Sire; ich habe das Glück gehabt, dem Herrn Cardinal die Idee einer Ersparniß zu geben, welche dreimalhunderttausend Franken jährlich in die Kassen Seiner Majestät bringt.«

      »Welche Ersparniß, mein Herr?« fragte Ludwig XIV.

      »Eure Majestät weiß, daß die hundert Schweizer silberne Spitzen auf jeder Seite ihrer Bänder haben?«

      »Allerdings.«

      »Sire, ich habe vorgeschlagen, an diese Bänder Spitzen von falschem Silber zu setzen; das fällt nicht auf, und mit hunderttausend Thalern ernährt man ein Semester lang ein Regiment, oder man bezahlt damit zehntausend gute Musketen, oder sie bilden den Werth einer Flüte, welche in See zu gehen bereit ist.«

      »Das ist wahr,« sprach Ludwig XIV., indem er Colbert aufmerksamer betrachtete; »meiner Treue, das ist eine gut angebrachte Ersparniß, und es war überdies lächerlich, daß Soldaten dieselbe Spitze trugen, wie adelige Herren.«

      »Ich fühle mich sehr glücklich, die Billigung Eurer Majestät zu erhalten.«

      »War dies das einzige Geschäft, das Ihr beim Cardinal hattet?« fragte der König.

      »Seine Eminenz hatte mich beauftragt, die Rechnungen der Oberintendanz zu prüfen, Sire.«

      »Ah!« sagte Ludwig XIV., der eben Colbert entlassen wollte, und dem dieses Wort auffiel; »ah! Seine Eminenz hatte Euch beauftragt, Herrn Fouquet zu controliren. Und der Erfolg dieser Controle?«

      »Ist, daß ein Deficit stattfindet, Sire; doch wenn Eure Majestät mir gnädigst erlauben wollte . . . «

      »Sprecht, Herr Colbert.«

      »Ich muß Eurer Majestät einige Erläuterungen geben.«

      »Keineswegs, mein Herr, Ihr habt diese Rechnungen controlirt, nennt mir den Auszug.«

      »Das wird leicht sein, Sire, . . Alles leer,


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