Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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Cardinal retten sollte. Anna von Oesterreich brachte eine Probe von diesem Pulver.

      Aber das war es nicht, was Mazarin erwartete, er wollte es auch gar nicht anschauen, und versicherte, das Leben sei nicht alle die Mühe werth, die man sich gebe, um es zu erhalten.

      Doch indeß er dieses philosophische Axiom aussprach, entschlüpfte ihm sein so lange zurückgehaltenes Geheimniß.

      »Madame,« sagte er, »das ist nicht das Wesentliche bei der Lage der Dinge. Ich habe dem König schon vor zwei Tagen eine kleine Schenkung gemacht: aus Zartgefühl wollte Seine Majestät ohne Zweifel bis jetzt nicht darüber sprechen; doch der Augenblick der Erklärungen ist gekommen, und ich flehe Eure Majestät an, mir zu sagen, ob der König einige Gedanken über diesen Gegenstand hat.«

      Anna von Oesterreich machte eine Bewegung, um zu antworten. Mazarin hielt sie zurück und sprach:

      »Die Wahrheit, Madame, im Namen des Himmels, die Wahrheit! schmeichelt nicht einem Sterbenden mit leerer Hoffnung.«

      Hier hielt er inne, ein Blick von Colbert sagte ihm, er sei im Begriff, einen falschen Weg einzuschlagen.

      »Ich weiß,« sagte Anna von Oesterreich, indem sie die Hand des Cardinals ergriff, »ich weiß, daß Ihr großmüthig, nicht eine kleine Schenkung, wie Ihr es so bescheiden nennt, sondern ein prachtvolles Geschenk gemacht habt. Ich weiß, wie schmerzlich es Euch wäre, wenn der König . . . «

      Mazarin horchte, so sterbend er auch war, wie es zehn Lebendige nicht hätten thun können.

      »Wenn der König?« wiederholte er.

      »Wenn der König,« fuhr Anna von Oesterreich fort, »nicht mit freudigem Herzen annähme, was Ihr so edelmüthig bietet,«

      Mazarin sank auf sein Kopfkissen zurück, wie Pantalon, nämlich mit der ganzen Verzweiflung des Menschen, der sich dem Schiffbruch überläßt; doch er behielt immer noch genug Kraft und Geistesgegenwart, um Colbert einen von jenen Blicken zuzuwerfen, welche Sonnette, das heißt, lange Gedichte werth sind.

      »Nicht wahr,« fügte die Königin bei, »Ihr hättet die Weigerung des Königs als eine Art von Beleidigung betrachtet?«

      Mazarin wälzte seinen Kopf auf dem Kissen hin und her, ohne eine Sylbe zu erwiedern.

      Die Königin täuschte sich, oder gab sich den Anschein, als täuschte sie sich über die Bedeutung dieser Geberde.

      »Ich habe ihn auch mit gutem Rath unterstützt,« fuhr sie fort, »und da gewisse Geister, ohne Zweifel eifersüchtig auf den Ruhm, den Ihr durch diese Großmuth erlangen werdet, dem König zu beweisen trachteten, er müßte diese Schenkung ausschlagen, so kämpfte ich zu Euren Gunsten, und zwar so gut, daß Ihr hoffentlich dieser Unannehmlichkeit nicht ausgesetzt sein werdet.«

      »Ah!« murmelte Mazarin mit verscheidenden Augen, »ah! das ist ein Dienst, den ich während der wenigen Stunden, die mir noch zu leben bleiben, nicht eine Minute vergessen werde.«

      »Ich muß übrigens sagen,« fuhr Anna von Oesterreich fort, »ich habe diesen Dienst Eurer Eminenz nicht ohne Mühe geleistet.«

      »Ah! Teufel! ich glaube es wohl. Oh! oh!«

      »Mein Gott! was habt Ihr denn?«

      »Ich brenne.«

      »Ihr leidet also sehr?«

      »Wie ein Verdammter.«

      Colbert wäre gern unter den Boden verschwunden.

      »Somit,« sagte Mazarin, »somit denkt also Eure Majestät, der König (er hielt einige Secunden inne), der König komme hierher, um mir ein wenig zu danken?«

      »Ich glaube es . . . « sprach die Königin.

      Mazarin schmetterte Colbert mit seinem letzten Blick nieder.

      In diesem Augenblick verkündigten die Huissiers den König in den mit Menschen gefüllten Vorzimmern: diese Ankündigung brachte eine geräuschvolle Bewegung hervor, welche Colbert benützte, um sich durch die Thüre des Bettgangs wegzuschleichen. Anna von Oesterreich erhob sich und erwartete ihren Sohn stehend. Ludwig XIV. erschien auf der Schwelle, die Augen auf den Sterbenden geheftet, der sich nicht einmal mehr die Mühe gab, sich dieser Majestät zu Liebe, von der er nichts mehr erwarten zu dürfen glaubte, zu rühren.

      Ein Huissier rollte einen Lehnstuhl vor das Bett. Ludwig grüßte seine Mutter, dann den Cardinal, und setzte sich. Die Königin setzte sich ebenfalls.

      Der König schaute zurück; der Huissier begriff diesen Blick, machte ein Zeichen, und was von Höflingen an den Thürvorhängen geblieben war, entfernte sich sogleich.

      Mit den Thürvorhängen fiel das Stillschweigen in das Gemach zurück.

      Noch sehr jung und sehr schüchtern vor demjenigen, welcher seit seiner Geburt sein Meister gewesen war, achtete der König diesen noch mehr in der erhabenen Majestät des Todes; er wagte es nicht, das Gespräch anzuknüpfen, denn er fühlte, jedes Wort müßte eine Bedeutung nicht nur für die Dinge dieser Welt, sondern auch für die der andern haben.

      Der Cardinal hatte in diesem Augenblick nur einen Gedanken: seine Schenkung, Es war nicht der Schmerz, was ihm die niedergeschlagene Miene und den düsteren Blick verlieh; es war die Erwartung des Dankes, der aus dem Munde des Königs kommen und jede Hoffnung auf Wiedererstattung kurz abschneiden würde.

      Mazarin brach zuerst das Stillschweigen und sagte:

      »Eure Majestät hat ihren Aufenthalt in Vincennes genommen?«

      Ludwig machte ein Zeichen mit dem Kopf.

      »Das ist eine Huld, die sie einem Sterbenden währt, dem der Tod dadurch versüßt wird,« fuhr Mazarin fort.

      »Ich hoffe,« erwiederte der König, »ich besuche nicht einen Sterbenden, sondern einen der Heilung fähigen Kranken.«

      Mazarin machte eine Bewegung, welche bedeutete:

      »Eure Majestät ist sehr gut; doch ich weiß mehr hierüber, als sie.«

      »Der letzte Besuch, Sire, der letzte,« sagte der Cardinal.

      »Wenn dem so wäre, Herr Cardinal,« sprach Ludwig XlV., »so käme ich, um mich zum letzten Mal bei einem Führer Raths zu erholen, dem ich Alles zu verdanken habe.«

      Anna von Oesterreich war Weib: sie konnte sich ihrer Thränen nicht mehr erwehren. Ludwig zeigte sich selbst sehr bewegt, und Mazarin mehr noch, als seine zwei Gäste, doch aus anderen Gründen. Hier trat wieder ein Stillschweigen ein. Die Königin trocknete ihre Wangen, und Ludwig gewann mittlerweile wieder Festigkeit.

      »Ich sagte, ich habe Eurer Eminenz viel zu verdanken,« fuhr der König fort.

      Die Augen des Cardinals verschlangen Ludwig XIV., denn er fühlte den entscheidenden Augenblick kommen.

      »Und,« sprach der König, »der Hauptgegenstand meines Besuches ist ein aufrichtiger Dank für den letzten Beweis von Freundschaft, den Ihr mir zuzusenden die Güte hattet.«

      Die Wangen des Cardinals wurden hohl, seine Lippen öffneten sich leicht, und der kläglichste Seufzer, den er je ausgestoßen, schickte sich an, aus seiner Brust hervorzubrechen.

      »Sire,« sprach er, »ich werde meine arme Familie berauben, ich werde alle die Meinigen zu Grunde gerichtet haben; doch man wird wenigstens nicht sagen können, ich habe mich geweigert, meinem König Alles zu opfern.«

      Anna von Oesterreich fing wieder an zu weinen.

      »Mein lieber Mazarin,« sagte der König mit einem ernsteren Tone, als man von seiner Jugend hätte erwarten sollen, »Ihr habt mich schlecht verstanden, wie ich sehe.«

      Mazarin erhob sich auf seinen Ellenbogen.

      »Es handelt sich hier nicht darum. Eure theure Familie zu Grunde zu richten oder Eure Diener zu berauben; oh! nein, das wird nicht geschehen.«

      »Ah! er will mir einen Brocken zurückgeben,« dachte Mazarin, »wir wollen das größtmögliche Stück ziehen.«

      »Der König wird weich werden und den Großmüthigen spielen,« dachte die Königin, »doch wir wollen nicht zugeben,


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