Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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um einen Rath zu fragen.«

      »Ja; doch Ihr kennt die Hauptumstände der Frage nicht.«

      »Es gibt nichts, was ich nicht wüßte, Monseigneur; seit zehn Jahren durchgehe ich alle Colonnen von Zahlen, welche in Frankreich gemacht werden, und wenn ich sie auch nur sehr mühsam in meinen Kopf genagelt habe, so stehen sie nun doch darin so fest, daß ich von der Küche von Herrn Letellier, der sehr nüchtern ist, bis zu den kleinen geheimen Freigebigkeiten von Herrn Fouquet, der ein Verschwender ist, Zahl für Zahl alles Geld hersagen könnte, das von Marseille bis Cherbourg ausgegeben wird.«

      »Ihr möchtet also gern, daß ich all mein Geld in die Kassen des Königs werfe!« rief ironisch der Cardinal, dem zugleich die Gicht mehrere schmerzliche Seufzer entriß. »Der König würde mir hierüber sicherlich keine Vorwürfe machen, aber er würde, meine Millionen verzehrend, über mich spotten, und er hätte Recht.«

      »Eure Eminenz hat mich nicht verstanden. Ich habe entfernt nicht behauptet, der König müßte Euer Geld ausgeben.«

      »Ihr sagt es ganz klar, wie mir scheint, indem Ihr mir rathet, es ihm zu schenken.«

      »Ah!« erwiederte Colbert, »von ihrem Leiden angegriffen, verliert Eure Eminenz den Charakter Seiner Majestät König Ludwig XIV. ganz aus dem Blick.«

      »Wie so?«

      »Dieser Charakter gleicht, glaube ich, wenn ich mich so ausdrücken darf, dem, welchen Monseigneur so eben dem Theatiner gebeichtet hat.«

      »Drückt Euch immerhin aus; das ist?«

      »Die Hoffart. Verzeiht, Monseigneur, der Stolz, wollte ich sagen. Die Könige haben keine Hoffart, denn das ist eine menschliche Leidenschaft.«

      »Die Hoffart, ja, Ihr habt Recht; hernach . . . «

      »Nun, Monseigneur, wenn ich es richtig getroffen habe, so braucht Eure Eminenz dem König nur all ihr Geld zu schenken, und zwar sogleich zu schenken.«

      »Aber warum denn?« fragte Mazarin sehr begierig.

      »Weil der König nicht das Ganze annehmen wird.«

      »Oh! ein junger Mensch, der kein Geld Hat und von Ehrgeiz zerfressen wird!«

      »Es mag sein.«

      »Ein junger Mensch, der meinen Tod wünscht.«

      »Monseigneur . . . «

      »Um zu erben, ja, Colbert, er wünscht meinen Tod, um zu erben! Ich Dummkopf! ich würde ihm zuvorkommen!«

      »Ganz richtig. Wenn die Schenkung in einer gewissen Form gemacht ist, wird er sie ausschlagen.«

      »Geht doch!«

      »Das ist unleugbar. Ein junger Mensch, der nichts gethan hat, der vor Verlangen, berühmt zu werden, allein zu regieren, brennt, wird nichts Gebautes annehmen; er wird selbst bauen wollen. Dieser Fürst wird sich weder mit dem Palais Royal, das ihm Herr von Richelieu vermacht, noch mit dem Palais Mazarin, das Ihr so herrlich habt bauen lassen, noch mit dem von seinen Ahnen bewohnten Louvre, noch mit Saint-Germain, wo er geboren worden ist, begnügen. Alles, was nicht von ihm herrührt, wird er verachten, das sage ich zum Voraus.«

      »Und Ihr verbürgt Euch dafür, daß, wenn ich dem König meine vierzig Millionen schenke . . . «

      »Sagt Ihr ihm dabei gewisse Dinge, so verbürge ich mich dafür, daß er sie ausschlägt.«

      »Diese Dinge . . . sind?«

      »Ich werde sie schreiben, wenn sie mir Monseigneur dictiren will.«

      »Doch welcher Vortheil soll daraus für mich erwachsen?«

      »Ein ungeheurer. Niemand kann mehr Eure Eminenz des ungerechten Geizes beschuldigen, den dem glänzendsten Geist dieses Jahrhunderts die Pamphletisten zum Vorwurfgemacht haben.«

      »Du hast Recht, Colbert, Du hast Recht; begib Dich in meinem Auftrag zum König und überbringe ihm mein Testament. Aber wenn er annehmen würde!«

      »Dann blieben Eurer Familie dreizehn Millionen, und das ist eine hübsche Summe.«

      »Doch Du wärest dann ein Verräther oder ein Dummkopf.«

      »Und ich bin weder das Eine, noch das Andere, Monseigneur . . . Ihr scheint mir ungemein bange zu haben, der König könnte die Schenkung annehmen . . . Oh! fürchtet vielmehr, daß er nicht annimmt . . . «

      »Wenn er nicht annimmt, stehst Du, dann will ich ihm meine dreizehn andere Millionen garantiren, ja, ich werde das thun . . . ja . . . Doch der Schmerz kommt; es befällt mich wieder eine Schwäche. Colbert, ich bin sehr krank, ich bin meinem Ende nahe.«

      Colbert bebte.

      Der Cardinal war in der That sehr krank; er schwitzte große Tropfen auf seinem Schmerzenslager, und diese furchtbare Blässe eines von Schweiß triefenden Gesichtes war ein Schauspiel, das der verhärtetste Arzt nicht ohne Mitleid ertragen hätte. Colbert war ohne Zweifel sehr bewegt, denn er verließ das Zimmer, rief Bernouin zu dem Sterbenden und ging in den Corridor.

      Mit einem Ausdruck des Nachsinnens, der seinen gemeinen Kopf beinahe edel erscheinen ließ, auf und ab gehend, die Schultern gerundet, den Hals gespannt, die Lippen leicht geöffnet, um lose Fetzen unzusammenhängender Gedanken herauszulassen, machte er sich Muth zu einem Schritt, den er versuchen wollte, während, nur durch eine Mauer von ihm getrennt, sein Herr weder mehr an die Schätze der Erde, noch an die Freuden des Paradieses, sondern einzig und allein an die Schrecknisse der Hölle denkend, mit Bangigkeiten kämpfte, die ihm klägliche Schreie entrissen.

      Indeß die glühenden Servietten, die örtlichen Heilmittel und Guénaud, den man zum Cardinal zurückberufen hatte, mit wachsender Thätigkeit arbeiteten, sann Colbert, seinen dicken Kopf in beiden Händen haltend, um das Fieber der vom Gehirn erzeugten Pläne zu überwinden, über den Inhalt der Schenkung nach, die er Mazarin in der ersten Stunde der Ruhe, welche ihm sein Leiden gönnen würde, schreiben lassen wollte. Es schien, als ob alle diese Schreie des Cardinals und alle diese Angriffe des Todes auf den Repräsentanten der Vergangenheit Reizmittel für den Geist dieses Denkers mit den dicken Augenbrauen gewesen wären, der sich schon dem Ausgang der neuen Sonne einer wiedergeborenen Gesellschaft zuwandte.

      Colbert kehrte zu Mazarin zurück, als sich die Vernunft wieder bei dem Kranken eingestellt hatte, und bewog ihn, eine folgender Maßen abgefaßte Schenkung zu dictiren:

      »Im Begriff, vor Gott, dem Herrn der Menschen, zu erscheinen, bitte ich den König, der mein Herr auf Erden war, die Güter zurückzunehmen, die mir seine Wohlwollen geschenkt hatte, und die meine Familie in so erhabene Hände übergehen zu sehen glücklich sein wird. Die Liste meiner Güter wird sich, sie ist abgefaßt, auf das erste Verlangen Seiner Majestät und beim legten Seufzer ihres ergebensten Dieners finden.

Jules, Cardinal von Mazarin.«

      Der Cardinal unterzeichnete seufzend; Colbert versiegelte das Paquet und brachte es sogleich in den Louvre, wohin der König zurückgekehrt war.

      Dann ging er wieder nach seiner Wohnung, sich die Hände mit dem Vertrauen eines Arbeiters reibend, der seinen Tag gut angewendet hat.

       VII.

      Wie Anna von Oesterreich Ludwig XIV. einen Rath gab, und wie Herr Fouquet ihm einen andern gab

      Die Nachricht von dem nahe bevorstehenden Ende des Cardinals verbreitete sich rasch und zog wenigstens ebenso viele Menschen in den Louvre, als die Kunde von der Verheirathung von Monsieur, dem Bruder des Königs, welche schon officiell veröffentlicht worden war.

      Kaum war Ludwig XIV. in seine Gemächer, noch ganz träumerisch über die Dinge, die er an diesem Abend gesehen oder gehört hatte, zurückgekehrt, als der Huissier meldete, dieselbe Menge von Höflingen, die sich am Morgen zur Aufwartung gedrängt, zeige sich abermals bei seinem Schlafengehen, eine ganz besondere Auszeichnung, welche man seit der Regierung des Cardinals, äußerst indiscret in seiner Bevorzugung, ohne sich viel darum zu bekümmern, ob es dem König mißfallen dürfte, dem Minister zugestanden hatte.

      Doch der Minister war, wie gesagt,


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