Ritter von Harmental. Александр Дюма
ersten Gebieters vor, er schilderte dieselbe als ein charakterschwaches und willenloses Kind, das mit der königlichen Würde nichts erlangen würde, als den Titel – und die Prinzessin ging in die Falle. Die Vermählung ward festgestellt, und die junge Prinzessin verließ Italien um sich nach Spanien zu begeben.
Ihre erste Handlung als Königin war, die Prinzessin von Urfins zurückweisen zu lassen, die sich ihr im Hofkleide vorgestellt hatte. Sie ließ sie ohne weiteres, wie sie war, ja selbst ohne Mantel, bei einer Kälte von zehn Grad, in einem Wagen, dessen Fensterglas einer der Wachen zufällig eingestoßen hatte, zuerst nach Burgos und dann nach Frankreich schaffen, wo sie anlangte, nachdem sie genöthigt gewesen war, von ihren eigenen Dienern fünfzig Pistolen zu leihen. Ihrem Kutscher erfror der Arm und man war gezwungen ihm denselben abzunehmen.
Nach seiner ersten Zusammenkunft mit seiner Gemahlin, kündigte der König Alberoni an, daß er erster Minister say, und von diesem Augenblick an, übte der vormalige Glöckner eine unumschränkte Gewalt über Philipp den Fünften aus.
Wenn daher jetzt die Verschwörung gelang und es dem Chevalier Harmental glücken sollte, den Herzog von Orleans nach Toledo oder Sarragossa zu schaffen, so wollte Alberoni den Herzog von Maine als Regenten anerkennen lassen, die Quadrupel-Allianz wäre gesprengt, eine Flotte sollte an der Küste von England landen, und Preußen, Schweden und Rußland, mit denen Spanien ein Bündniß hatte, sollte sich auf Holland werfen. Das deutsche Reich sollte Neapel und Sizilien wieder erobern. Der katholische Theil der Niederlande sollte mit Frankreich vereinigt und so die große Ligue des Südens gegen den Norden gebildet werden; sollte Ludwig XV. mit Tode abgehen, dann sollte Philipp V. als König der halben Welt gekrönt werden.
Man muß eingestehen, daß dies für einen Maccaroni verfertiger keine üble Berechnung war!
Die Ausführung dieses gewichtigen, ungeheuren Planes, befand sich jetzt in den Händen eines jungen Mannes von sechsundzwanzig Jahren, kein Wunder also, daß die auf ihm lastende schwere Verantwortlichkeit ihn anfangs ein wenig bestürzt machte. Als Harmental noch im tiefen Nachdenken versunken dasaß, trat der Abbé Brigaud zu ihm ein, der sich bereits nach einer anderen Wohnung für ihn umgeschauet hatte. Er hatte auch wirklich in der Straße du Temps perdu No. 5 ein Logis aufgefunden, welches entlegen war und sich ganz und gar für einen jungen Menschen aus der Provinz eignete; er brachte ihm über dem zwei tausend Pistolen von Seiten des Prinzen Cellamare.
Harmental wollte das Geld anfangs zurückweisen, der Abbé Brigaud aber stellte ihm vor, daß man bei einer Angelegenheit wie die in Rede stehende, des Geldes nie zu viel besitzen könne, und daß es Hilfe und Verbündete zu erkaufen gäbe.
Der Abbé Brigaud nahm einen vollständigen Anzug des Chevaliers mit, um danach eine ganz einfache Kleidung zu kaufen, wie sie für denjenigen paßte, den er vorstellen sollte.
Den übrigen Theil des Tages verbrachte Harmental scheinbaren Anstalten zu seiner vorgeblichen Reise, wobei er Sorge trug, nicht ein einziges Papier zurückzulassen, das in einem schlimmen Falle irgend einen seiner Freunde compromittieren konnte. Als der Abend herabgesunken war, begab er sich zur Fillon, wo er von dem unsern Lesern bekannten Capitain Roquefinette etwas zu erfahren hoffte.
Wirklich hatte er, als der Herr von Laval von einem Unterbefehlshaber sprach, sogleich an jenen Mann gedacht, den der Zufall ihm in den Weg führte, und der ihm bei jenem Duell einen so unwiderlegbaren Beweis eines rücksichtslosen Muthes abgelegt hatte. Er begab sich demnach zu der Fillon und fragte dort nach einer Magd, welche man die Normannerin nannte, und die ihm von dem Capitain als die Person bezeichnet war, welche über einen Aufenthalt stete Auskunft zu geben vermöge.
»Die Normannerin,« lächelte die Fillon, die ist in diesem Augenblick über und über beschäftigt, Herr Chevalier; sie serviert grade bei einem Mittagsmahle, welches einer meiner Stammgäste sehr gemächlich so eben verzehrt, und das bis Morgen Abend währen soll.«
»Der Teufel, eine lange Mahlzeit,« bemerkte Harmental.
»Anders thut es mein Capitain nicht,« fuhr die rührige Frau fort, »und noch obendrein muß ich vielleicht alles auf Credit geben, aber ich thu’s gern, denn er war es, der mich in der Welt bekannt machte.«
»Ihr Capitain?«, fragte der Chevalier, »wie nennt sich Ihr Capitain?«
»Roquefinette!«
»Wie, der ist grade hier?«
»Ganz gewiß!«
»Grade mit dem wünsche ich zu sprechen, und nur um eine Wohnung zu erfahren, fragte ich nach der Normannerin. Ich bitte, rufen Sie ihn mir hierher.«
»Der käme nicht, und wenn ihn der Regent selbst rufen ließe; wenn Sie ihn sprechen wollen, müssen Sie sich zu ihm hinauf bemühen. Im Cabinet No. 2 finden Sie ihn, eben da, wo Sie neulich mit dem Baron Valef zur Nacht gespeist. Dem ist nichts zu gut, er ist zwar nur Capitain, aber er besitzt das Herz eines Königs.«
Wenn der Chevalier von Harmental auch das bezeichnete Cabinet nicht gekannt hätte, so konnte er doch den Weg dahin nicht verfehlen, denn schon auf der Treppe vernahm er die ihm wohlbekannte Stimme des Capitains, welcher im tiefen Basse ein lustiges Tischlied sang.
Harmental öffnete ohne Weiteres die Thür und erblickte seinen alten Bekannten, gemüthlich auf dem Sopha liegend, vor einem reichlich besetzten Tische, der von der Normannerin und einer anderen Magd bedient wurde.
Auf einem Stuhle lag ein Rock, der mit einem neuen rothen Achselbande geschmückt war; so wie ein Hut, an dem eine neue Treffe prangte; daneben stand der riesige Degen, den Ravanne mit dem Bratspieß in der Küche seiner Frau Mutter verglichen hatte. »Wie, Sie sind’s Chevalier!« rief der Capitain, »Sie finden mich hier in der Mitte meines Serails.« »Ja, ich bin’s, mein Herr Pascha,« versetzte Harmental, welcher nicht umhin konnte, über die groteske Gruppe, die sich einen Blicken darbot, zu lächeln, ich sehe, Sie gaben mir keine falsche Adresse, und ich freue mich Ihrer Wahrhaftigkeit.«
»Seyn Sie mir willkommen,« sprach der Capitain, »nehmen Sie Platz, langen Sie zu, und Sie, meine schönen Damen, bedienen Sie den Herrn mit dem Anstande, der Sie charakterisiert. Jetzt essen und trinken Sie, Chevalier, so, als ob Sie zu Hause wären, denn Sie müssen wissen, es ist Ihr Pferd, das wir hier verspeisen; zur Hälfte ist es schon fort, das arme Thier, die andere Hälfte aber ist noch übrig.«
»Dank, Dank, Capitain! Ich habe bereits zu Mittag gegessen, möchte aber gern einige Worte mit Ihnen unter vier Augen reden; wenn Sie es anders erlauben?«
»Nein, zum Henker, das erlaube ich nicht,« versetzte der Capitain, »es wäre denn, daß wieder von einem Zweikampfe die Rede wäre.«
»Diesmal, Capitain, betrifft es ein anderes wichtiges Geschäft.«
»Ein Geschäft, ganz gehorsamer Diener, da kann ich nicht dienen, Chevalier. Ich will heut von keinem Geschäft etwas wissen. Ich habe Geld in der Tasche bis morgen Abend. Die Geschäfte also auf übermorgen, Chevalier!«
»Also übermorgen kann ich ganz bestimmt auf Sie zählen?« fragte Harmental ernsthaft.
»Dann stehe ich mit Leib und Seele zu Ihren Diensten. Auf übermorgen also. Wo aber werde ich Sie alsdann finden?«
»Geben Sie acht,« flüsterte Harmental ihm in’s Ohr, finden Sie sich Vormittags zwischen elf und zwölf Uhr in der Straße du Temps perdu ein, blicken Sie dort um sich, man wird Sie aus einem Hause rufen, Sie steigen alsdann die Treppe hinan, bis Sie einen alten Bekannten treffen; dort wartet ein gutes Frühstück auf Sie.«
»Abgemacht, Chevalier,« erwiderte der Capitain, zwischen elf und zwölf Uhr Vormittags. – Verzeihung, wenn ich Ihnen nicht das Geleite gebe, Sie wissen, das ist nicht Sitte bei den Türken.«
Der Chevalier winkte mit der Hand, zum Zeichen, daß er ihn dieser Förmlichkeit entbinde, und kaum war er wieder auf der Treppe, als er vernahm, wie der Capitain Pascha das Tischlied, welches ein Eintreten unterbrochen hatte, wieder anstimmte.
VIII.
Das Dachstübchen
Am folgenden Tage erschien der Abbé Brigaud bei dem Chevalier, zu derselben Stunde, wie am vergangenen Tage. Er überbrachte ihm drei, für diesen