Ritter von Harmental. Александр Дюма

Ritter von Harmental - Александр Дюма


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Mädchen, welches er am Morgen geschauet hatte, saß jetzt am Fenster, und arbeitete so als wolle sie die Strahlen der untersinkend Sonne benutzen; sie war mit einer Stickerei beschäftigt, ihr Clavier stand geöffnet, und auf ein Tabouret zu ihren Füßen schlummerte das kleine milchweiße Windspiel, welches jedoch, nach der Gewolltheit dieser Thiere, bei dem leisesten Geräusch auf der Straße, aus seinem leichten Schlaf auffuhr, sein zierliche Köpfchen zum Fenster hinaus steckte, die Ohren spitzte und sich dann wieder zum Schlummer legte, wobei es eines seiner niedlichen Pfötchen auf dem Schooße seiner Gebieterin ruhen ließ. Dies alles war von dem bezaubernden Lichte der untergehenden Sonne magisch beleuchtet, welche die bronzenen Verzierungen des Claviers und der vergoldete Rahmen eines Gemäldes zurückwarfen; alles Uebrige war nur im Dämmerlichte zu schauen.

      Es schien jetzt dem Chevalier in seiner dermaligen Gemüthstimmung, daß dieses junge Mädchen mit dem ruhigen sanften Antlitz, zum erstenmal, wie hinter einem Vorhang hervor, in sein Lebensschauspiel getreten say, einer Bühnenkünstlerin gleich, die erst in dem zweiten oder dritten Acte eines Dramas erscheint, und der Handlung desselben plötzlich eine andere Wendung giebt. Seit jener Zeit, in welcher man in seinen Träumen noch Engel sieht, hatte sich nichts Aehnliches seinen Blicken gezeigt. Das junge Mädchen hatte mit keinem der weiblichen Wesen Aehnlichkeit, welche er bis jetzt geschaut. Es war eine Mischung von Schönheit, Unschuld und Einfalt, wie man sie oft in Köpfen findet, die Greuse so musterhaft kopiert hat, nicht nach dem Leben, sondern nach dem Spiegel seiner Einbildungskraft.

      Alles vergessend, den niederen Stand, in dem sie aller Wahrscheinlichkeit nach geboren, die armseelige Straße in der sie wohnte, das bescheidene Zimmer, das ihr zum Aufenthalte diente, verlieh Harmental ihr ein Herz, das ihrem Antlitze glich, und pries denjenigen unbeschreibbar glücklich, der dieses Herz zum erstenmal heftiger schlagen machen, der mit diesen wundervollen Augen liebevoll angeblickt seyn, und der von diesen frischen Rosenlippen den ersten süßen Kuß der Liebe pflücken würde.

      So verschieden sind die Ansichten, welche ein und dieselben Gegenstände nach unserer jedesmaligen Gemüthstimmung uns darbieten. Vor acht Tagen noch hätte Harmental, wo er sich in keine Gefahr bringende Unternehmung eingelassen, sondern seine Tage zwischen delikatem Frühstück und köstlichem Mittagsessen, zwischen dem Ballspiel bei Farolet und einem Souper bei der Fillon theilte, dieses junge Mädchen erblickt, er würde in ihr nichts als eine niedliche Grisette gesehen haben, und hätte ihr vielleicht einen Kammerdiener nachgesandt und ihr ein Geschenk von 25 Louisd’ors haben anbieten lassen. Der Harmental von vor acht Tagen aber existierte jetzt nicht mehr! An die Stelle des eleganten, seinen, zuversichtlichen jungen Cavaliers war jetzt ein junger isolierter Mann getreten, der im Dunkeln und allein einen gefahrvollen Weg wandelte, über dessen Haupte plötzlich der Himmel zusammenstürzen, zu dessen Füßen sich mit jedem Augenblick ein unabsehbarer Abgrund erschließen konnte. Der jetzige Harmental bedurfte einer Stütze, so schwach sie auch immer sein mochte, er bedurfte jetzt der Liebe, er bedurfte der Poesie. Es ist daher völlig begreiflich, daß er, indem er eine Madonna suchte, zu der er beten konnte, in seiner Einbildungskraft das oft erwähnte junge Mädchen ihrer natürlichen und prosaischen Sphäre enthob, sie in die seinige zog, und sie auf das leere Piedestall der Gegenstände seiner früheren Verehrung stellte.

      Plötzlich erhob das junge Mädchen das Haupt, blickte zufällig aus dem Fenster, und gewahrt durch die Scheiben ihr gegenüber das sinnende Antlitz des Chevaliers. Es war ihr augenblicklich klar, daß der junge Mann um ihretwillen dastand, und daß sie es say, nach der er schauete. Eine hohe Röthe überflog plötzlich ihr schönes Gesicht; sie stellte sich indeß, als ob sie nichts bemerkt habe, und senkte das Auge wieder zu ihrer Stickerei hinab. Nach einigen Augenblicken aber stand sie auf, machte sich Manches im Zimmer zu schaffen, und schloß dann das Fenster, ohne jedoch dabei irgend eine besondere Absicht zu verrathen. Harmental aber blieb wo er war, und wanderte, trotz des geschlossenen Fensters, fortwährend in dem Phantasieenreiche umher, welches er sich geschaffen hatte. Einige Mal schien es ihm, als ob der herabgelassene Vorhang sich bewege und ein wenig gelüftet würde, so als wolle sich die Bewohnerin des Zimmers überzeugen, ob der Unbescheidene, welcher sie von ihrem Platze vertrieben, noch immer seinen Beobachtungsposten behaupte. Endlich wurden drüben einige rasche Accorde vernehmbar, eine sanfte Harmonie folgte, und nunmehr kam die Reihe an Harmental sein Fenster zu öffnen.

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