Tausend und Ein Gespenst. Александр Дюма
Dank ihm und der Jungfrau Maria gerettet bin.
XI.
Das Armband von Haaren
Mein lieber Abbé, sagte Alliette, ich habe die größte Achtung für Sie und die größte Verehrung für Cazotte; ich nehme ohne Weiteres den Einfluß Ihres guten und Ihres bösen Genius an; aber es gibt Etwas, das Sie vergessen, und von dem ich ein Beispiel bin: nämlich daß der Tod das Leben nicht tödtet; – der Tod ist nur eine Art Umgestaltung des menschlichen Körpers; der Tod tödtet das Gedächtniß, sonst nichts. Wenn das Gedächtniß nicht stürbe, so würde sich jeder aller der Wanderungen seiner Seele von Anfang der Welt bis zu uns erinnern. – Der Stein der Weisen ist nichts anderes als dieses Geheimniß; es ist das Geheimniß, das Pythogoras gefunden hatte, und das der Graf von Saint Germain und Cagliostro wiedergefunden haben; – es ist das Geheimniß, welches ich nun auch besitze, und welches macht, daß mein Leib sterben wird, wie ich mich bestimmt erinnere, daß ihm das bereits vier bis fünf Male begegnet ist, und dabei irre ich mich noch, wenn ich sage, daß mein Leib sterben wird, es gibt gewisse Körper, welche nicht sterben, und ich gehöre zu diesen.
– Herr Alliette, sagte der Doctor, wollen Sie mir im Voraus eine Erlaubniß geben?
– Welche?
– Die, Ihr Grab einen Monat nach Ihrem Tode öffnen zu lassen.
– Einen Monat, zwei Monate, ein Jahr, zehn Jahre, wann Sie wollen, Doctor; nur treffen Sie Ihre Vorsichtsmaßregeln. . . denn das Leid, das Sie meiner Leiche zufügen würden, könnte dem Körper schaden, in den meine Seele neuerdings eingetreten wäre.
– Sie glauben also an diese Thorheit?
– Ich habe mit einer bittern Erfahrung das Recht bezahlt daran zu glauben: ich habe gesehen.
– Was haben Sie gesehen?. . . einen jener lebendigen Todten?
– Ja.
– Lassen Sie hören, Herr Alliette, da jeder seine Geschichte erzählt hat, so erzählen Sie uns auch die Ihrige; es wäre merkwürdig, wenn es die wahrscheinlichste von den gehörten wäre.
– Wahrscheinlich oder nicht, Doctor, hier ist sie in ihrer ganzen Wahrheit. Ich ging von Straßburg nach den Bädern von Louesche. Sie kennen die Straße, Doctor?
– Nein; aber gleichviel, erzählen Sie immerhin.
– Ich ging also von Straßburg nach den Bädern von Louesche, und kam natürlicher Weise über Basel, wo ich den Postwagen verlassen, und einen Miethkutscher nehmen mußte.
In dem Wirthshause zur Krone angelangt, das man mir empfohlen hatte, erkundigte ich mich nach einem Wagen und nach einem Miethkutscher, indem ich meinen Wirth bat, sich zu erkundigen, ob vielleicht irgend Jemand in der Stadt geneigt wäre dieselbe Reise als ich zu machen; dann war er beauftragt, dieser Person eine Vereinigung anzubieten, welche die Reise natürlicher Weise weit angenehmer und minder kostspielig machen mußte.
Am Abend kehrte er zurück, indem er das gefunden hatte, was ich verlangte; die Frau eines Kaufmannes von Basel, welche ihr drei Monat altes Kind, das sie selbst stillte, verloren hatte, war in Folge dieses Verlustes von einer Krankheit befallen worden gegen welche man ihr die Bäder von Louesche anqerathen hatte. Es war das erste Kind dieser seit einem Jahre geschlossenen Ehe.
Mein Wirth erzählte mir, daß man große Mühe gehabt hätte die Frau zu bestimmen, ihren Gatten zu verlassen. Sie wollte durchaus entweder in Basel bleiben, oder daß er mit ihr nach Louesche ginge; da aber auf der andern Seite der Zustand ihrer Gesundheit die Bäder erheischte, während der Zustand ihres Geschäfts seine Anwesenheit ein Basel erforderte,, so entschloß sie sich, und reisete am folgenden Morgen mit mir ab. Ihre Kammerjungfer begleitete sie.
Ein katholischer Priester, der Pfarrvicar an der Kirche eines kleinen Dorfes der Umgegend war, begleitete uns, und sollte den vierten Platz in dem Wagen einnehmen.
Am folgenden Tage gegen acht Uhr Morgens holte uns der Wagen in dem Wirthause ab; der Priester befand sich bereits darin. Ich stieg gleichfalls ein, und wir holten die Dame und ihre Kammerjungfer ab.
Wir wohnten von dem Innern unseres Wagens aus dem Abschiede der beiden Gatten bei, der in dem Innern ihres Zimmers angefangen, in dem Laden sich fortsetzte und erst auf der Straße endigte. Ohne Zweifel hatte die Frau irgend eine Ahnung, denn sie vermogte sich nicht zu trösten. Man hätte glauben können, daß sie, statt eine Reise von ohngefähr fünfzig Stunden zu machen, zu einer Reise um die Welt aufbräche.
Der Gatte schien ruhiger als sie. aber nichts desto weniger war er weit aufgeregter, als man vernünftiger Weise bei einer solchen Trennung voraussetzen konnte.
Endlich fuhren wir ab.
Natürlicher Weise hatten wir, der Priester und ich, der Reisenden und ihrer Kammerjungfer die beiden besten Plätze gegeben, das heißt, daß wir rückwärts und sie im Hintergrunde des Wagens saßen.
Wir schlugen den Weg nach Solothurn ein, und übernachteten am ersten Tage in Mundischwyll. Den ganzen Tag über war unsere Reisegefährtin gequält und beunruhigt gewesen. Als sie am Abend einen Wagen vorüberkommen sah. der zurückfuhr, wollte sie wieder den Weg nach Basel einschlagen. Es gelang indessen ihrer Kammerjungfer, sie zur Fortsetzung ihrer Reise zu bestimmen.
Am folgenden Tage begaben wir uns gegen neun Uhr Morgens auf den Weg. Die Tagereise war kurz, wir gedachten nicht weiter als bis nach Solothurn zu gehen.
Gegen Abend, und als wir die Stadt zu erblicken begannen, erbebte unsere Kranke. . .
– Ah! sagte sie, hattet an, man eilt uns nach. Ich bückte mich aus dem Schlage.
– Sie irren sich, Madame, antwortete ich, die Straße ist gänzlich leer.
– Das ist sonderbar, beharrte sie. Ich höre den Galopp eines Pferdes.
Ich glaubte nicht recht gesehen zu haben, und streckte mich weiter aus dem Wagen.
Niemand, Madame, sagte ich zu ihr.
Sie sah selbst nach, und fand wie ich die Straße einsam.
– Ich hatte mich geirrt, sagte sie, indem sie sich in den Wagen zurückwarf, und sie schloß die Augen wie eine Frau, welche ihre Gedanken in sich selbst verschließen will.
Am folgenden Tage brachen wir um fünf Uhr Morgens auf. Dieses Mal war die Tagereise lang. Unser Kutscher übernachtete in Bern. In derselben Stunde, wie am vorigen Tage, das heißt gegen fünf Uhr, erwachte unsere Reisegefährtin aus einer Art von Schlummer, in den sie versunken war, und indem sie den Arm nach dem Kutscher ausstreckte, sagte sie:
– Haltet, Kutscher. Dieses Mal bin ich gewiß, man eilt uns nach.
– Madame irrt sich, antwortete der Kutscher. Ich sehe nur die drei Landleute, welche an uns vorübergekommen sind, und die ihren Weg ruhig fortsetzen.
– O! aber ich höre den Galopp des Pferdes.
Diese Worte waren mit solcher Ueberzeugung gesagt, daß ich mich nicht enthalten konnte hinter uns zu blicken. Wie am Tage zuvor war die Straße durchaus verlassen.
– Es ist unmöglich, Madame, antwortete ich, ich sehe keinen Reiter.
– Wie kömmt es, daß Sie keinen Reiter sehen, da ich den Schatten eines Mannes und eines Pferdes sehe?
Ich blickte in der Richtung ihrer Hand, und sah in der That den Schatten eines Pferdes und eines Reiters, ober ich suchte vergebens die Körper, denen die Schatten angehörten.
Ich machte den Priester auf diese seltsame Erscheinung aufmerksam, der sich bekreuzigte.
Allmählig erhellte sich dieser Schatten, wurde von Augenblick zu Augenblick weniger sichtbar und verschwand endlich gänzlich.
Wir fuhren in Bern ein.
Alle diese Vorbedeutungen schienen der armen Frau verhängnißvoll; sie sagte ohne Unterlaß, daß sie wieder umkehren wollte, setzte indessen ihre Reise fort.
Sei es nun moralische Besorgniß, oder sei es natürliches Zunehmen der Krankheit, als sie in Thun ankam, befand sich die Kranke so leidend, daß sie ihre Reise