Lache Bajazzo. Artur Landsberger
Ironie, die in der Frage lag, und sagte:
»Nein, noch nicht!«
»Dann möchte ich vorschlagen, sie die ideale Forderung zu nennen,« sagte Werner, der den Plan ernst nahm und von ihm entzückt war.
»Jedenfalls möchte ich raten, ehe man an die Finanzierung geht – denn die scheint nach dem, was Sie sagen, ja nur so eine Art Formalität zu sein —«
Peter grinste über das ganze Gesicht.
»Sagen wir mal die Krönung des Ganzen,« erwiderte der Direktor und war stolz und froh, über den Knüppel, den der alte Braun ihm zwischen die Beine schmiß, nicht gestolpert zu sein.
»Und mich halten Sie für geeignet, diese Krönung zu vollziehen?« fragte Peter.
»Ich wüßte keinen Würdigeren.«
Da legte Peter Messer und Gabel hin, schluckte das Stück Rehfilet, das er im Mund hielt, ungekaut herunter, wischte sich den Mund mit der Serviette, lehnte sich in den Stuhl, schob den Kneifer gerade und sagte:
»Mein Lieber, Sie müssen nämlich wissen . . .«
»Allmächtiger!« sagte Agnes und stieß Carl an. »Paß auf, jetzt kommt dem seine Tour.«
». . . das is alles ganz anders, als Sie und die anderen sich das denken. Mein Vater, das is ein unbequemer Herr. Jewiß, er hat hundertsiebzig Millionen – aber was hab ich davon? Wenn das so einfach wäre, was glauben Sie wohl, wozu ich mich da die ganzen Jahre bei den Gerichten mit ihm herumschlüge? Sie müssen nämlich wissen, meine Mutter war ’ne verwitwete Baronin Linden, ehe sie Freiin von Ostrau wurde; und ich bin aus dieser ersten Ehe, bin aber von Baron Ostrau, als er meine Mutter heiratete, adoptiert worden. Daher auch mein Name Linden-Ostrau. Sehen Sie, das ist alles nicht so einfach! Es existiert nämlich auch aus der geschiedenen Ehe des Baron Ostrau ein Sohn, der seit zwei Jahren verheiratet ist.«
Peter holte Atem.
Agnes beugte sich über den Tisch.
»Diese Ehe«, fuhr sie genau in Peters Tonfall fort, »ist bis heute gottlob kinderlos. Die freiherrlich Lindenschen und die freiherrlich Ostrauschen Güter, Hochöfen, Gruben und Geschützfabriken wurden bei Schließung der Ehe zu einem Fideikommiß vereinigt – verstehen Sie, und zwar wurde bestimmt, falls aus der Ehe kein Kind hervorginge – na und das is nich hervorgegangen, daß das Fideikommiß an den ersten männlichen Erben fallen solle, der aus einer Ehe hervorgeht, die mein Adoptivbruder oder ich schließe. Diesen ganzen Vertrag . . . – So, lieber Baron, nun haben Sie sich wohl erholt, nun bringen Sie’s zu Ende!« Und Peter nahm die Rede auf und schloß:
». . . ficht nun mein Vater nach dem Tode meiner Mutter aus formalen Gründen an, um sich freies Verfügungsrecht zu erwirken. In der ersten Instanz habe ich gewonnen; daher mein Kredit. Verliere ich aber die zweite, pumpt mir kein Mensch mehr was. Also, ich bin ein armer reicher Mann.«
»Und wann dürfte die Entscheidung der zweiten Instanz fallen?« fragte der Direktor.
Peter und Agnes zogen die Schultern in die Höhe und sagten gleichzeitig:
»Vielleicht in sechs Wochen – vielleicht in zwei Jahren – das weiß kein Mensch.«
Alle lachten und klatschten Agnes Beifall.
Dadurch ermuntert, nahm sie genau die Stellung des Direktors ein, schob die Unterlippe nach vorn, drehte den Kopf zur Seite, kniff das linke Auge ein bißchen zusammen und sagte mit einer Stimme, die seiner zum Verwechseln glich:
»Nun, lieber Baron, wenn Sie mir das Versprechen geben, dann warte ich schlimmstenfalls die beiden Jahre.«
Der Direktor war platt, und da sie ihm diese Antwort vom Munde abgelesen hatte, so war ihm ganz unheimlich zumute, und er nickte nur zustimmend mit dem Kopfe.
Und ehe Peter noch etwas erwidern konnte, änderte Agnes Ausdruck, Maske und Stimme und fuhr als Peter fort:
»Das ginge, wenn es keine dritte Instanz, das Reichsgericht, gäbe.«
Und wieder als Direktor sagte sie:
»Wie lange dauert das?«
Sie zog wie Peter die Schultern in die Höhe und sagte:
»Am Reichsgericht schwebt heute noch ein Prozeß seit 1876; die Parteien sind schon zweimal darüber hinweggestorben; die Erben führen ihn weiter.«
Sie ahmte das entsetzte Gesicht des Direktors nach und fuhr als Peter fort:
»Aber das ist nicht immer so. Es gibt auch Prozesse, die schneller gehen. Worauf aber am Ende der ganze Klöngel hinausläuft und worauf es mir und meinem Alten ankommt, ist die Frage, ob einmal Lindensches oder Ostrausches Blut auf Ostrau-Linden herrscht. Und das is ’ne verflucht ernste Sache.«
»Als ob ich mich sprechen höre!« rief Peter – und der lachende Jubel, der Agnes’ Leistung folgte, ließ auf eine zehnmal stärkere Zuhörerschaft schließen.
»Das ist eine ganz ungewöhnliche Begabung!« sagte der alte Brand.
Und der Geheimrat rief dem Direktor zu:
»Direktor, die Kraft sichern Sie sich rechtzeitig!«
Carl saß da und staunte sie an.
»Du bist ganz wunderbar!« sagte er. »Tausend eigene Saiten klingen in dir. Und sie alle kommen aus einer Quelle – die ist tief und unergründlich! Das Gute und die Sünde geht darin um, wie Schwestern. Sie alle klingen zusammen, und du weißt es selbst nicht, was das Gute und was das Böse ist.«
»Ein Vorwurf für eine Dichtung!« sagte Werner.
Und Carl nickte nachdenklich und sagte:
»Ja! Wenn man das gestalten könnte!«
»Wenn es einer kann, dann kannst du’s,« sagte Brand.
Carl wandte sich ganz zu Agnes, nahm ihre beiden Hände, beugte sich zu ihr, küßte sie auf die Stirn und sagte mit einer Stimme, die zeigte, wie feierlich ihm zumute war:
»Ich will’s versuchen.«
Und alle stießen auf ein gutes Gelingen an.
Dies erschien Estella als der Augenblick, um unauffällig auf den eigentlichen Zweck des Abends zu sprechen zu kommen.
»Vorher aber haben wir ja wohl noch ein modernes Trauerspiel von Ihnen zu erwarten?« sagte sie.
»Oh, was glauben Sie!« erwiderte Carl und führte die Hand zur Stirn. »Bis das in mir Gestalt gewinnt, das kann zwei, drei Jahre dauern. Solange trage ich es in mir und fühle es werden, und gehe mit einem Glücksgefühl umher. Und eines Morgens, da steht die Gestalt wie ein fertiger Mensch in mir, und ich führe ein Doppelleben. Sie begleitet mich überall hin. Alles, was ich tue, lasse ich in Gedanken auch sie tun. Jeden meiner Gedanken denkt auch sie, und stundenlang am Tage halten wir Zwiesprache miteinander. Oft fasse ich es selbst nicht, daß, was da in mir wurde und nun lebt, nicht Mensch von Fleisch und Blut ist. Sehen Sie, dann erst beginnt meine Arbeit, indem ich dies neue Wesen von mir gebe, wie ein Geheimnis ausplaudere, der Welt überantworte – und dadurch eben mich von ihm befreie. Das ist eine Arbeit, die mir dann freilich schnell von der Hand geht, um so schneller, je größer die Zahl der Gesichte ist, die sich von neuem in der Ferne mir schon wieder aufdrängen und denen ich, selbst wenn ich mich zur Ruhe zwingen will, doch immer wieder verfalle.«
»Ihr Dichter seid eben komische Menschen,« sagte Agnes. »So gar nicht gegenständlich! und ich bin’s nur!«
»Bravo, Agnes!« rief der alte Brand. »Das kennzeichnet ihn und Sie; Sie sind es ausschließlich, während Carl in einer ständigen Auflösung, in einem ständigen Fluß der Gefühle lebt.«
»Hab ich also mal keine Dummheit gesagt?« fragte Agnes, lächelte, hob das Glas, nickte hinein, sagte: »Prost, Agnes!« und trank.
»Prost, Agnes!« rief der alte Brand, und alle stimmten in den Ruf mit ein.
Estella erneute ihren Versuch.
»Also dann kommt das neue Drama bald?« fragte sie.
»Nach Weihnachten vermutlich!« sagte Carl.
»In