Blumen des Bösen. Charles Baudelaire
der stumm und eisig dich beengte.
War es ein grüner Elf, ein rot Gespenst, das dich
Mit Liebe oder Furcht aus seiner Urne tränkte?
War es ein schwerer Traum, der herb und fürchterlich
In einem zaubrischen Minturnä dich versenkte?
Ich wollte, es enthaucht’ den Duft gesunder Kraft
Dein Busen, der stets neu Gedanken formt und schafft,
Es floss dein christlich Blut in Rhythmen auf und nieder.
Wie mannigfaltiges Getön antiker Lieder,
Da, wo mit Phöbus, dem die Sangkunst Untertan,
Vereint, der Ernte Herr regiert, der große Pan.
DER SCHLECHTE MÖNCH
In alten Klöstern sah auf den gewaltgen Mauern
Die Wahrheit man gemalt in heilgem Strahlenkleid,
Das Herz erwärmte sie den büßenden Beschauern
Und milderte den Frost der strengen Frömmigkeit.
Als damals Christi Saat gesproßt aus Segensschauern,
Nahm mancher Mönch, des Ruhm verlöscht ist durch die Zeit,
Zu seiner Werkstatt sich des Grabfelds ernstes Trauern
Und feierte den Tod mit schlichter Einfachheit.
Mein Herz ist eine Gruft. Ein schlechter Mönch durcheile
Seit Ewigkeiten ich den Raum, wo trüb ich weile,
Kein Bild verschönt mir des verhaßten Klosters Wand.
O tatenloser Mönch! Wann wird es mir gelingen,
Dem schmerzensreichen Spiel des Lebens abzuringen
Der Augen Labsal und die Arbeit meiner Hand!
DER FEIND
All meine Jugend war ein Sturm von Wetterschlägen
Nur hier und dort durchflammt von hellem Sonnenlicht;
So viel vernichteten der Donner und der Regen,
Daß wenig Früchte man in meinem Garten bricht.
Nun, da der Herbst mir schon berührt der Seele Schauen,
Da Hark und Schaufel ich zu schwerer Arbeit hub,
Muß überschwemmt Gefild ich mühsam neu bebauen,
Wo Löcher grabestief der Sturz des Wassers grub.
Und wer mag sagen, ob den Blumen, die ich träume,
In diesem Boden, der zerspült wie wüste Räume,
Geheimer Saft auch wird, der ihre Kräfte nährt?
O Schmerz! O Schmerz! Die Zeit verschlingt all unser Leben,
Dem dunklen Feinde, der uns stumm am Herzen zehrt,
Muß unser eignes Blut stets neue Stärke geben!
UNSTERN
Wer solche Last zu heben sinnt,
Braucht, Sisyphus, deine Stärke
Und hat er Herz auch zum Werke —
Die Kunst ist lang, die Zeit entrinnt.
Fern von prangenden Sarkophagen
Zieht zu einsamem Gräberreich
Mein Herz, verhülltem Trommler gleich,
Den letzten Grabmarsch zu schlagen.
Manch Kleinod schläft im Grund versteckt,
Wo niemals es ein Karst entdeckt,
Wo Nacht und Vergessen sich breiten;
Manch eine Blume füllt die Luft
Umsonst mit süßgeheimem Duft
In der Tiefe der Einsamkeiten.
VORLEBEN
Ich wohnte lange Zeit in weiten Säulengängen,
Um die vielfältger Glanz von Meeressonnen weht.
Mit hohen Pfeilern, stolz und voll von Majestät,
Sahn sie am Abend gleich basaltnen Grottenhängen.
Die Woge, drin das Bild der Himmel kommt und geht,
Verwob geheimnisreich in feierlichen Sängen
Den mächtigen Akkord von ihren reinen Klängen
In Abendgluten, die mein spiegelnd Aug erspäht.
Dort habe ich gelebt in stiller Wollust Lächeln,
In Wellen, in Azur, in flüssgen Glanz versenkt,
Mit nackten Sklaven, die von Wohlgeruch getränkt.
Die Stirne mir gekühlt mit ihrer Palmen Fächeln,
Und deren einzig Tun sie nur vertiefen hieß
Mein weh Geheimnis, das mein Herz verschmachten ließ.
DER MENSCH UND DAS MEER
Auf immer, freier Mensch, wirst lieben du das Meer,
Dein Spiegel ist das Meer. Du schaust der Seele Bildnis
Im weiten Wellenspiel der ungeheuren Wildnis,
Gleich ihm ist deine Brust von Bitternissen schwer.
Gern schaust dein Bild du, das die Wellen dir enthüllen,
Mit Auge und mit Arm faßt du es, und dein Herz
Vergißt wie trunken oft den eignen lauten Schmerz
Bei dieses Klagesangs unzähmbar wildem Brüllen.
Schweigsam und dunkel seid ihr beide allezeit:
Mensch, noch drang keiner je in deine tiefsten Gründe,
Meer, noch fand keiner je den Reichtum deiner Schlünde,
So bergt ihr euren Hort in finstrer Heimlichkeit.
Jahrtausende hindurch rollt euer nimmermüder
Und mitleidsloser Kampf bar jeder Reue fort.
So sehr liebt beide ihr die Schlachten und den Mord,
O ewges Kämpferpaar, o nie versöhnte Brüder!
DON JUAN IN DER HÖLLE
Als Don Juan genaht den unterirdschen Fluten,
Und als er den Obol an Charon gab, ergriff
Stolz wie Anthistenes, im Auge finstre Gluten,
Ein Bettler starken Arms die Ruder in dem Schiff.
In Fetzen das Gewand, die schlaffen Brüste hängend,
Wand sich der Frauen Schar in schwarzer Himmel Pein,
Schlachtopfern gleich, gequält, zuhauf sich angstvoll drängend,
Und wild umheulte ihn ihr langgezognes Schrein.
Voll Spott rief Sganarelle nach dem verheißnen Lohne,
Don Luis wies im Kreis der Toten längs dem Strand
Mit greiser Zitterhand nach dem verruchten Sohne,
Der sein ergrautes Haar zu höhnen sich verwand.
Keusch bebt’ in tiefem Gram die magere Elvire
Und schien vom treulosen Gemahl, den sie geliebt,
Ein Lächeln zu erflehn, süß wie die ersten Schwüre,
Die bang in zarter Glut