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      Der Wagehals

      1. Kapitel

      Der Forstmeister Schrader in Makunischken hatte gut geschlafen, gut gefrühstückt und saß nun, behaglich eine lange Pfeife rauchend, an seinem Schreibtisch. An einem anderen Tische des großen Amtszimmers saß emsig schreibend sein Gehilfe, der Forstaufseher Karl Mooslehner. Ab und zu hob er den Kopf und sah nach seinem Vorgesetzten hinüber, der die eingelaufenen Schriftstücke aufschnitt, durchlas und am Rande mit einer kurzen Bemerkung versah. Fast jeden Brief begleitete er mit einer kurzen, lauten Bemerkung: »Na ja – das können wir machen!« »Gar nicht dumm!« »Eigentlich überflüssig!«

      Nach diesen Ausrufen wußte der Forstschreiber aus langer Erfahrung die Stimmung des alten Herrn genau zu beurteilen. Sie schien heute ausgezeichnet zu sein. Jetzt aber begann hinter dem Aufsatz des Schreibtisches eine dunkle Rauchwolke aufzusteigen, und gleich darauf brach's mit Donnergepolter hervor: »Da soll doch gleich das heilige Kreuzmillionenschockdonnerwetter –! Mooslehner, wir bekommen wieder ein neues Pflanzeisen von der Regierung!«

      »Schön, Herr Forstmeister!«

      »Den Deuwel ist das schön! Ich denke, wir haben schon genug Alteisen auf dem Boden liegen!«

      Das Geräusch eines vorfahrenden Wagens unterbrach ihn. In schlankem Trab kamen zwei stolze Trakehner Rappen auf dem Pflaster angebraust. Auf einen leichten Druck der Zügel standen sie wie Bildsäulen.

      »Die Frau Weschkalnies aus Weschkallen!« flüsterte der Forstschreiber, der sich aus dem Fenster gebogen hatte. Der Forstmeister erhob sich und stellte die Pfeife weg. Ein noch sehr stattlicher Mann trotz seiner fünfundsechzig Jahre.

      »Weschkalene, was verschafft mir die Ehre und das Vergnügen?« Die Frau streckte ihm beim Aussteigen die Hand entgegen. »Ich habe was auf dem Herzen, Herr Forstmeister.«

      »Na, dann treten Sie näher.« Galant half er ihr den kostbaren Zobelpelz ablegen und nahm ihr die seidene Kapotte ab. »Das Leben noch frisch, Georginne?«

      »Ich kann nicht klagen, Herr Forstmeister, das Alter hat mir noch keine Beschwerden gemacht.«

      »Aber, Weschkalene, Sie mit Ihren fünfzig Jahren  .  .  .«

      »Sie können doch noch immer das Schmeicheln nicht lassen«, gab die Frau lachend zur Antwort. »Rechnen Sie mal nach, wie lange das her ist, seitdem Sie zum erstenmal mit mir getanzt haben  .  .  . ich glaube, es war auf dem Schützenfest in Wisborinen  .  .  . das sind vierzig Jahre her, und ich war eben sechzehn geworden  .  .  .«

      »Und ich war fünfundzwanzig  .  .  . ach ja, das waren damals noch schöne Zeiten  .  .  .«

      Seine Erinnerung flog zurück in längst vergangene Zeiten, wie er nach bestandenem Examen als Forstkandidat  .  .  . damals hieß ein Kandidat noch nicht Assessor  .  .  . in das große Waldgebiet gekommen war, das den Nordosten der Provinz bedeckt. Da hatte ihm das frische Mädel sehr gefallen. Es wäre gar keine üble Partie gewesen  .  .  . als einzige Tochter eines schwerreichen litauischen Bauern hatte sie einige Zeit die höhere Töchterschule in der Stadt besucht. Wer weiß, wie sein Schicksal sich gestaltet hätte, wenn er nicht bald darauf in eine entfernte Oberförsterei versetzt worden wäre  .  .  . Als er nach drei Jahren wiederkam, hatte er sich mit der Tochter seines Oberförsters verlobt. Bald darauf heiratete Weschkalene einen ebenso reichen litauischen Bauern. Jetzt war sie schon seit Jahren Witwe. Alle Grünröcke der Umgegend, die Gutsbesitzer, auch die Jägeroffiziere aus Wartenburg verkehrten in ihrem gastfreien Hause, und es ging das Gerücht, daß sie für die kleinen Geldverlegenheiten der jungen Leute viel Verständnis und eine offene Hand hätte  .  .  .

      »Na, was bringen Sie mir Gutes, Georginne?«

      »Pons Forschtmeisteris,« erwiderte sie mit litauischer Anrede, »ich habe ein Faß Alaus im Keller, das wird übermorgen zehn Jahre alt, das wollen wir anstechen und gemeinsam austrinken. Nicht viele  .  .  . ich habe nur Ihre beiden Nachbarn aus Dietrichswalde und Starrischken gebeten, den Hegemeister, ein paar Wartenburger und Sie. Ist es Ihnen recht?«

      »Selbstverständlich, Georginne, aber ich habe schwere Bedenken. Solch ein alter Alaus ist ein heimtückisches Zeug  .  .  . das geht in die Beine.«

      Frau Weschkalnies lachte laut auf und nickte lebhaft: »Ich muß immer noch daran denken, wie die beiden Hauptleute zum erstenmal bei mir zur Jagd waren  .  .  . ich schickte ihnen zum Frühstück ein paar Flaschen Alaus in Eis gepackt aufs Feld  .  .  .«

      Jetzt lachte auch der Forstmeister. »Ich weiß, Sie haben sie müssen vom Felde holen und nach Hause fahren lassen  .  .  .«

      »Na, dann abgemacht. Sie kommen also. Nun habe ich noch etwas auf dem Herzen. Sie werden bei mir eine Verwandte finden, eine Witwe  .  .  . nicht mehr ganz jung, sie ist schon über die Dreißig weg  .  .  . aber ich kann Ihnen sagen, Herr Forstmeister, das sehen Sie ihr nicht an, sie sieht zehn Jahre jünger aus  .  .  . nicht zu groß, aber so schön rund und mollig  .  .  . 'ne drugglige Margell möcht' ich sagen  .  .  .«

      »Schön, Georginne, aber was habe ich mit der hübschen Witwe zu tun? Sie fürchten doch nicht etwa, daß ich ihr zu sehr den Hof machen werde?«

      »Sie könnten nichts Besseres tun, Herr Forstmeister, ja wirklich  .  .  . im Ernst gesprochen, ich bin bloß hergekommen, um Ihnen auf die Sprünge zu helfen. Sie würden keinen Korb bekommen, im Gegenteil  .  .  .«

      Der Forstmeister lachte und schlug sich mit der Hand aufs Knie.

      »Sie brauchen gar nicht zu lachen  .  .  . die Madeline hat Sie bloß zweimal in der Stadt gesehen, aber gleich nach dem erstenmal sagte sie zu mir: Tante, den Forstmeister aus Makunischken, den möcht' ich gleich nehmen.«

      »Aber, Georginne, Sie sind doch sonst eine sehr verständige Frau  .  .  .«

      »Das meine ich auch, Herr Forstmeister, und deshalb komme ich zu Ihnen. Sie sind noch ein sehr forscher Mann, dem man keine fünfzig Jahre zutraut  .  .  . groß und schlank wie ein Jüngling, volles dunkles Haar, in dem man kaum das bißchen Grau sieht; forscher Schnurrbart, klare Augen  .  .  . ein ganz junges Ding könnte sich noch in Sie verlieben.«

      »Nun hören Sie aber davon auf, Georginne.«

      »Nein, Herr Forstmeister, ich meine das in allem Ernst  .  .  . Sie könnten noch einen hübschen kleinen Jungen haben oder ein Mädchen oder beides  .  .  .«

      Der alte Herr stand auf und wehrte mit beiden Händen ab. »Nein, nein, Weschkalene, ich bin alt genug, um die Bequemlichkeit schon etwas hoch zu schätzen; meine Abromeitene hat sich mit mir zwanzig Jahre eingewirtschaftet  .  .  . sie kocht vorzüglich und am besten das, was ich gern esse  .  .  . ich denke, sie wird mich bis an mein seliges Lebensende pflegen.«

      »Lieber Herr Forstmeister, ich dachte, Sie wissen schon  .  .  . hat sie Ihnen noch nichts gesagt?«

      »Wie meinen Sie? meine Abromeitene?«

      »Ja, Herr Forstmeister, sie bleibt ja nicht bei Ihnen, sie wird den Förster Kallweit heiraten.«

      »Den Kallweit? mit fünf kleinen Kindern  .  .  . zum Deuwel  .  .  . Georginne, haben Sie das etwa auch eingefädelt?«

      Die Frau lachte und nickte: »Ja, das habe ich zustande gebracht.«

      Mit einigen Schritten war der alte Herr an der Tür und rief mit scharfer Stimme hinaus: »Abromeitenel«

      »Plagt Sie altes Frauenzimmer der Deuwel?« fuhr er die Eintretende an, »haben Sie es bei mir nicht gut genug, daß Sie sich auf einen Witwer mit fünf Kindern verleckern?«

      »Ach Gott, Herr Forstmeister, ich wollt' ja auch nicht«, erwiderte weinerlich die Abromeitene, eine ältliche, aber noch ganz stattliche Frauensperson, die schon die Vierzig erreicht haben mochte. »Aber man wird doch alt, und schließlich möchte jeder Mensch doch lieber die Füße unter den eigenen Tisch stecken.«

      »Na ja,« erwiderte der Forstmeister schon etwas ruhiger. »das verstehe ich vollkommen, aber Sie haben doch schon, wie ich weiß, mehrere Heiratsanträge, die viel vorteilhafter waren, ausgeschlagen, und nun mit einemmal  .  .  .«

      »Ja, Herr Forstmeister, das habe ich  .  .  . aber nehmen


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