Der Wagehals. Fritz Skowronnek

Der Wagehals - Fritz Skowronnek


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Sie sind doch aus 'ner anständigen Familie  .  .  . da konnt' ich nicht anders, da habe ich ja gesagt.«

      Die Tränen liefen ihr über die Backen hinunter, sie hob die Schürze und trocknete sie ab. Der alte Herr hatte verdächtig mit den Augen gezwinkert  .  .  . jetzt trat er an seine Wirtin heran und legte ihr die Hand auf die Schulter: »Weshalb heulst du, dummes Frauenzimmer? Ich habe ja nichts dagegen, daß du den Kallweit heiratest, bloß was mach' ich jetzt?«

      »Heiraten«, warf Frau Weschkalnies dazwischen.

      »Ich habe schon für Sie gesorgt, Herr Forstmeister,« fuhr Abromeitene fort, »ich habe schon meiner Nichte geschrieben. Sie machen keinen schlechten Tausch, gnädiger Herr, die Katinka ist erst fünfundzwanzig, aber sie kocht sehr gut, und wenn ich sie ein paar Wochen unter meine Fuchtel nehme und ordentlich einexerziere  .  .  .«

      »Na, dann heirat' deinen Kallweit und laß deine Nichte kommen. Was gibt's übrigens heute zu Mittag?«

      »Das sollt' eigentlich 'ne Überraschung werden, Herr Forstmeister  .  .  . ich brat' für den Herrn ein Schnepfchen, der Mooslehner hat es gestern abend geschossen.« »Was, die Schnepfe ist schon da, und ihr sagt es mir nicht? Na, nun geh mal, Abromeitene.« Lachend drehte er sich zur Weschkalene um.

      »Sie haben diesmal verspielt, Georginne! Wenn die Nichte so gut einschlägt wie die Tante –«

      »Das wollen wir ruhig abwarten.«

      »Einverstanden, verehrte Freundin, aber nun hat Ihre Einladung ein anderes Gesicht bekommen  .  .  . ich muß jetzt ablehnen  .  .  . ich will und kann mich nicht dem Verdacht aussetzen, daß ich bei einer jungen, forschen Witwe auf die Freit' gehn will.« Mit einem spitzbübischen Lächeln fügte er hinzu: »Ja, hätte man mir von dritter Seite zugetragen, daß die Georginne Weschkalene auf mich Absichten hat, dann müßte ich die Sache doch in reifliche Erwägung ziehen.«

      »Ach, scherzen Sie doch nicht mit einer alten Frau  .  .  . aber Sie können ruhig zu mir kommen; ich gebe Ihnen mein Wort, daß die Madeline keine Ahnung hat, weswegen ich zu Ihnen gefahren bin, und ansehen kostet doch nichts.«

      »Gut, ich werde kommen  .  .  . aber nun noch eine Frage. Ich habe schon vor einigen Wochen so was verlauten hören, daß Sie überall herumfahren, Georginne, um Heiraten zu stiften. Weshalb tun Sie das?«

      »Das will ich Ihnen offen sagen, Herr Forstmeister. Sehen Sie, ich habe als junges Mädchen einen Mann sehr lieb gehabt, sehr lieb  .  .  . und ich habe auch gemerkt, daß ich ihm gefallen habe. Aber er war zu zach, er hat sich nicht an die reiche Bauerntochter herangetraut. Wenn damals so eine Person gewesen wäre wie ich, daß ich hätte zu ihr gehn können und ihr sagen: stechen Sie mal dem jungen Mann den Star: Sie bekommen keinen Korb bei der Georginne, und ihre Eltern werden nichts dagegen haben  .  .  . Sehen Sie, Herr Forstmeister, dann wären zwei Menschen sehr glücklich geworden. Es kann ja nicht Mode werden, daß die jungen Mädchen zu den Männern auf die Freit' gehn, das wäre wider die Natur. Da muß eine alte verständige Frau helfen  .  .  . und glauben Sie, mein lieber Freund, bei jedem Mann entzündet sich das Herz, wenn er hört, daß das junge Mädchen ihm gut ist. Das muß Ihnen doch auch einen Ruck geben, wenn Sie hören, daß ein junges forsches Weib sich in Sie verliebt hat. Jawohl, ganz richtig verliebt.«

      »Na, noch habe ich den Ruck nicht verspürt, Weschkalene  .  .  . aber ich möchte gern wissen, wer damals  .  .  . Donnerwetter, waren Sie mit neunzehn Jahren ein forsches Mädel  .  .  . ich habe mir gar nicht erklären können, wie Sie sich solchen Doschack zum Mann nehmen konnten.«

      »Na, der andere war auch nichts anderes als ein Doschack. Wissen Sie, wer das war? Der Krummhaar  .  .  . Der Adam  .  .  . ja  .  .  . neun Jahre hat er um die Tochter seines Oberförsters gefreit.«

      »Georginne, die Geschichte kenne ich. Das hab' ich selbst erlebt, wie das Mädel für seine Liebe gekämpft hat, bis der Alte zuletzt nachgab  .  .  . und eine sehr glückliche Ehe ist es gewesen  .  .  . und vier stattliche Söhne, die alle in der Welt etwas bedeuten.«

      »Ich sage ja nichts dagegen, Herr Forstmeister, aber wenn ich so denke, daß das meine Jungens hätten sein können, dann wird mir noch immer das Augenwasser lebendig. Was habe ich jetzt als alte Frau vom Leben  .  .  . kein Kind, kein Kegel  .  .  . bloß Arbeit habe ich von dem Gut und dem vielen Geld. Die Madeline ist meine einzige Verwandte  .  .  . ein Jungchen hat sie gehabt, das ist früh verstorben  .  .  . da habe ich mir so gedacht, sie muß noch einmal heiraten. Wie ich's ihr zum erstenmal sag', wehrt sie mit Händen und Füßen ab, und gestern, wie sie aus der Stadt kommt, sagt sie von selbst zu mir  .  .  . so wahr ich lebe, Herr Forstmeister  .  .  . Tante, sagt sie, ich habe heute wieder den Forstmeister aus Makunischken gesehen, nein, ist das ein Mann, den nehme ich von der Stelle weg. Kind, habe ich gesagt, der Herr ist fünfundsechzig Jahre alt  .  .  . Und wenn er fünfundachtzig wäre, ich würde nicht danach fragen! gibt sie mir zur Antwort.«

      Der alte Herr stand auf. »Sie verstehen Ihr Geschäft, Georginne, das muß ich Ihnen sagen. Sie haben mich wirklich neugierig gemacht auf die drugglige Margell  .  .  . aber«, er drohte ihr mit dem Finger.

      »Selbstverständlich, Herr Forstmeister, da wäre jedes Wort vom Übel  .  .  . und nicht zu viel von dem Alaus trinken!«

      »Davor werde ich mich hüten!«

      »Na, dann auf Wiedersehen übermorgen!«

      2. Kapitel

      Der Forstmeister hatte die Weschkalene zum Wagen begleitet und sich dann wieder in seine Amtsstube an den Schreibtisch begeben. Mächtige Rauchwolken stiegen aus seiner Pfeife auf, aber dazu wollte das behagliche Lachen, das der Forstschreiber von Zeit zu Zeit hörte, gar nicht passen. Mit einem Male brach er los: »Sie Racker, Sie, Mooslehner, Sie haben gestern die erste Schnepfe geschossen und mir nichts gesagt!«

      »Jawohl, Herr Forstmeister, aber die Abromeitene wollte Sie heute mittag mit der Schnepfe überraschen, dann wollte ich es Ihnen erst sagen.«

      »Sie sehen doch, daß es vor mir keine Heimlichkeiten gibt . . . Hier sind ein paar Briefe, die uns was Neues bringen. Wir bekommen einen Forstassessor, der den Wald neu vermessen soll, und für den Hegemeister ist ein Forstaufseher zur Unterstützung bewilligt worden . . . na, lassen Sie nur, ich gehe selbst zu ihm 'rüber!«

      Er hielt inne und drehte sich zur Tür, durch die eben ein paar junge Mädchen hereinstürmten.

      »Was wollt ihr denn hier im Allerheiligsten der Königlichen Oberförsterei Makunischken?«

      »Ach, nicht viel, Onkel Ottomar!« erwiderte die Kleinere, eine reizende Blondine mit merkwürdig dunklen Augen. »Zwischen Dietrichswalde und Starrischken ist heute früh wieder Krieg ausgebrochen. Unsere Herren Väter können sich nicht einigen, wo heute abend Skat gespielt werden soll, das sollst du entscheiden. Bei uns gibt's einen Hammelrücken als Wild frisiert und eine frischmilchende Kuh, direkt aus der Schönbuscher Brauerei bezogen . . . sie liegt schon seit gestern auf Eis.«

      »Bei uns gibt's das Schwanzstück eines großen Hechtes, als Hase in der Pfanne gebraten, und pro Kopf eine Flasche Rüdesheimer Hinterhaus!« fuhr die andere fort, indem sie sich zärtlich an den alten Herrn anschmiegte. Sofort sprang die Kleinere um den Stuhl herum und schmiegte sich von der anderen Seite an ihn.

      »Kinder, die Entscheidung ist sehr schwer, wenn man so zwischen zwei Heubündeln sitzt . . .«

      »Pfui, Onkel, wie kannst du uns mit Heubündeln vergleichen?« rief die Kleinere, Erna von Degenfeld.

      »Ich meine ja nicht euch beide, sondern die beiden Gerichte . . . das eine esse ich ebenso gern wie das andere, aber ich entscheide mich für das Hinterhaus . . . es wird also in Starrischken heute Skat gespielt.«

      »Dann kommt mein wilder Hammel morgen an die Reihe. Aber nun sag' mal, Onkel, was hast du der Abromeitene angetan? Sie sitzt in der Küche und heult wie ein Kettenhund, vor sich auf dem Küchentisch hat sie einen Verlobungsring liegen


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