Der Wagehals. Fritz Skowronnek

Der Wagehals - Fritz Skowronnek


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den Kallweit? Und was tust du dann, Onkel Ottomar?«

      »Ich muß auch heiraten, mir bleibt nichts anderes übrig. Na, wie wäre es mit einer von euch beiden? Hat eine von euch Lust?«

      »Ich nehme dich sofort, Onkel Ottomar!« erwiderte Erna keck. »Du bist, abgesehen von deinem gutmütigen Poltern mit dem Donnerwetter, ein tadelloser Kavalier, hast eine angesehene Stellung in der Welt, und als Mann bist du noch so stattlich, daß ich mir danach mein Ideal gebildet habe!«

      »Du kleiner Racker, du bist ein Schmeichler . . . Na, wir wollen uns mal die Sache beschlafen. In meinem Alter ist man nicht mehr so stürmisch in Liebesangelegenheiten. Ich möchte mich erst entscheiden, wenn Ihr den Heiratskandidaten gesehen habt, der in der nächsten Zeit hier eintrifft!«

      »Sehr richtig, Onkel!« fiel ihm jetzt die Liesbeth von Grumkow ins Wort. »Wir sind noch nicht in dem Stadium, daß wir sofort ausrufen: ›Wo ist er?‹ Wir fragen auch noch nicht: ›Was ist er?‹ Wir wollen wissen: ›Wie ist er?‹ Na, und wie heißt er?«

      »Forstassessor von Sperling heißt er. Mein Freund, der Forstrat, schreibt mir persönlich, daß der Herr Assessor ein sehr reicher Mann ist, sehr verwöhnt, denn er ist mehrere Jahre als Feldjäger zwischen den Höfen Europas und Berlin hin und her gereist . . . er bringt Koch und Diener mit . . . das leerstehende Steueraufseherhaus soll für ihn ausgebessert werden, er wird sich dort häuslich einrichten, und da aus dem Assessor ein Oberförster und schließlich ein Forstmeister wird, so wollen wir uns drei die Sache reiflich überlegen und erst die Ankunft dieses jungen Herrn abwarten . . . Wollt ihr mitkommen? Ich will mir mal gleich die alte Baracke ansehen, ich fürchte, daß mit einigen Quadratfuß Brettern und einem Eimer Kalk die Sache für den Forstfiskus nicht abgemacht sein wird . . . Mooslehner, hier sind noch ein paar Briefe, die Sie beantworten müssen . . . Na, dann kommt, Kinder! Ich will bloß dem Krummhaar noch eine kurze Mitteilung machen.«

      Gleich auf der anderen Seite des schmalen Weges lag die Försterei. Die beiden Grünröcke, die miteinander schon ein Menschenalter gelebt hatten, verkehrten sehr vertraut und zwanglos miteinander. Manchmal standen sie stundenlang, jeder hinter seinem Hoftor mit einer langen Pfeife, sich gegenüber und plauderten. Zum Schluß pflegte sich stets ein Wettstreit zu erheben, wer dem anderen zum Abendbrot folgen sollte . . .

      Der Hegemeister hatte als Feldwebel beim Jägerbataillon den jungen Forstreferendar Schrader als Einjährig-Freiwilligen ausgebildet und ihn dabei als Freund gewonnen. Dann hatte das Schicksal sie hier vor dreißig Jahren wieder zusammengebracht, da war es kein Wunder, daß das Verhältnis vom Vorgesetzten zum Untergebenen nur vor Fremden zum Ausdruck kam . . .

      Der Forstmeister war ans Hoftor der Försterei getreten. Mit lauter Stimme rief er: »Hegemeister!« Keine Antwort. »Krummhaar!« Keine Antwort. »Adam!« Keine Antwort.

      »Ah, heute hat er seinen militärischen Tag!« meinte er lachend zu den beiden Mädchen. »Na, dann: Herr Feldwebel!«

      »Herr Hauptmann!« ertönte es im selben Augenblick in scharfem Ton aus der offenen Tür des Holzschauers. Ein mittelgroßer Mann mit eisgrauem Schnurr- und Knebelbart kam eilfertig angeschritten. Auf dem Kopfe trug er eine alte Soldatenmütze . . . »Was befehlen der Herr Hauptmann?«

      Mit ernsthafter Miene kommandierte der Forstmeister: »Rühren, Herr Feldwebel . . . Was haben Sie denn heute Militärisches vor?«

      »Mobilmachung gegen die Krebse!« erwiderte der Graubart. »Ich bessere die Krebsteller aus, und am Nachmittag will ich Frösche jagen . . . Ich bin der Meinung, und Herr Hauptmann werden mir beipflichten, daß die alte Küchenregel von den Monaten ohne ›r‹ ein großer Unsinn ist. Die Krebse schmecken nie besser als jetzt im April, und vom Oktober ab bis zum Zufrieren . . .«

      »Ganz meine Meinung, lieber Herr Feldwebel!«

      »Danke gehorsamst, Herr Hauptmann! – Na, Kinder,« wandte er sich lachend an die beiden Mädchen, »wofür hat sich der Herr Forstmeister entschieden? Für Hammel oder Hecht?«

      »Für Hecht, Onkel Adam!« erwiderte Liesbeth.

      »Na, dann halt' mal einen Kessel mit kochendem Wasser bereit, ich bringe ein Schock große Krebse mit.«

      Er nickte den beiden Mädchen, die mit ihm ebenso vertraut waren wie mit dem Forstmeister, freundlich zu, machte stramm linksum kehrt und marschierte im Stechschritt über den Hof ab.

      »Halt, kehrt!« rief ihm der Forstmeister nach. »Jetzt habe ich noch ein Wort mit dem Herrn Hegemeister zu sprechen. Krummhaar, die Regierung hat Ihnen den Forstaufseher bewilligt, er soll bei Ihnen sein Forstexamen machen.«

      »Ei, was Sie sagen, Herr Forstmeister! Wie heißt denn der Jüngling?«

      »Ferdinand Schnabel.«

      »Schnabel – Schnabel? Doch nicht der Sohn von Nante Schnabel aus Wersmeninken?«

      »Ich glaube, ja . . .«

      »Das ist ein Unglück, Herr Forstmeister. Ich nehme den Menschen nicht auf, obwohl er mein Patenkind ist. Der frißt mir ja die letzten Haare vom Kopfe.« Er nahm die Mütze vom Kopf und strich mit der linken Hand vom Genick her die »Sardellen« über den blanken Schädel.

      »Was haben Sie denn gegen den jungen Menschen, Adam?«

      »Gar nichts, Herr Forstmeister, er soll ein guter, lieber Kerl sein, aber er frißt uns alle arm. Wissen Sie denn nicht? Das muß eine Krankheit sein, die sich schon vom Großvater her in der Familie vererbt . . . Das muß ich Ihnen erzählen. Also, der Nante, sein Vater, wird nach Wersmeninken versetzt. Am Quartalsersten – es war gerade Markttag – kommt er nach Lasdehnen; er trifft mich auf der Straße, hält an und fragt: Mensch, sagt er, Adam, wo kehrt Ihr hier ein? Wir kehren alle beim Fleischer Eindrigkeit ein . . . paar Häuser bloß von hier. Du wirst keinen zu Hause finden, aber das schadet nichts. Auf dem Tische und in der Ofenröhre findest du was zu essen . . . Er fährt dann auch weiter . . . So um die Mittagszeit 'rum gehe ich mit dem Kollegen Schwarzkopf zu Eindrigkeit, um etwas zu verbeißen. Ja, prost Mahlzeit . . . denken Sie sich, einen abgekochten Schinken von zehn Pfund, ein halbes Schock Eier und ein Fünf-Groschen-Brot hat der Kerl verpulvert und eine Flasche Korn dazu getrunken!«

      »Adam, das Latein ist etwas sehr stark!«

      »So wahr ich lebe und gesund bin, Herr Forstmeister, das sind doch keine Jagdgeschichten, das kann Ihnen hier jeder Mensch bestätigen . . . und die drei Jungen haben von ihm denselben Appetit geerbt. Wenn Wersmeninken nicht so 'ne gute Stelle gewesen wäre, dann wären die vier Mann verhungert.«

      »Na, einen werden wir doch hier satt kriegen; wenn Sie nicht wollen, werde ich ihn in Kost nehmen. Wie soll der Mensch sonst mit seinem Gehalt von sechzig Mark monatlich auskommen?«

      »Da tun Sie ein gutes Werk, Herr Forstmeister. Dafür sollen Sie auch heute mittag schon ein halbes Schock Krebse haben. Ich habe gestern die Dorfjungens belapst . . . die Kröten kriechen doch jetzt bei dem Wetter bis an die Brust in das eiskalte Wasser und holen die Krebse mit den Händen aus den Löchern . . . Na, dann auf Wiedersehen, Herr Forstmeister, auf Wiedersehen, Kinder. Liesbeth, ich werde so um acht bei euch sein, zu warten braucht ihr nicht, der Hecht schmeckt auch kalt gut, wenn bloß heiße Kartoffeln dazu sind!«

      »Dafür wird gesorgt, Onkel Adam!«

      »Ein merkwürdiger Kauz, dieser alte Adam, aber ein Herz wie Gold!« meinte der Forstmeister, als er mit den Mädchen weiterging.

      »Na, weißt du, Onkel,« erwiderte Liesbeth, »das hat mir heute gar nicht von ihm gefallen, daß er den Forstaufseher nicht bei sich aufnehmen will.«

      »Ach, Kinder, das ist doch ein so schlauer Trick von dem Adam, er weiß doch, daß ich dem jungen Menschen kein Geld abnehmen werde, und ebensooft wird er sich bei ihm sattessen wie bei mir. Sagt mal, Kinder, ich wollte euch was fragen: kennt ihr vielleicht zufällig die Nichte der Weschkalene, die jetzt bei ihr zu Besuch ist?«

      Erna faßte ihn unter dem Arm und zwang ihn, stillzustehen. »Onkel Ottomar, das ist eine sehr verdächtige Frage. Die Abromeitene geht von dir weg. Du erklärst uns, daß du heiraten mußt, und jetzt fragst du nach der Madeline


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