Der Wagehals. Fritz Skowronnek

Der Wagehals - Fritz Skowronnek


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und unter Brüdern eine halbe Million wert. Wieviel bares Geld vorhanden ist, weiß ich nicht, aber es wird auch ein Dreischeffelsack voll sein. Da müßten doch die beiden unverheirateten Hauptleute Esel sein, wenn sie nicht zugreifen wollten. Daß die Frau ebenso alt ist wie sie, kommt doch in solchem Fall nicht in Betracht.«

      »Herr Forstmeister, dann kann ich Ihnen nur eins sagen: passen Sie gut auf, wie ein alter Jäger . . . Eine Frau, die schon mal verheiratet gewesen ist, verrät sich leichter als ein junges Mädchen, wenn sie einem Mann gut ist. Das kommt von der Gewohnheit. Sie brauchen gar nicht so freundlich zu ihr sein.«

      »Aber, Abromeitene, ich muß doch erst sehen, ob sie mir gefällt . . . ich kenne sie noch gar nicht.«

      »Na, wozu haben wir denn die ganze Zeit hin und her geredet? Erst müssen Sie sehen, ob sie Ihnen gefällt. Man kauft doch keine Katze im Sack. Gefällt sie Ihnen, dann laden Sie sie mal mit der Weschkalene zum Kaffee und Abendbrot ein, und dann wird alles in Ruhe besprochen. Und nun machen Sie ein liebes, freundliches Gesicht, wie ein junger Mann, der auf die Brautschau fährt, machen muß.«

      Jetzt lachte der Forstmeister laut auf, während er den Frisiermantel abwarf: »Du bist doch ein ganz verdrehtes Frauenzimmer. Du denkst wohl, weil du die Dummheit mit dem Kallweit machst, soll ich auch eine machen. Na, wollen mal sehen. Jetzt fängt die Geschichte an, mir Spaß zu machen . . . Und laß anspannen, bei der Stockfinsternis will ich doch lieber mit meinem alten Jons fahren als mit dem Auto . . . und schick' zu Krummhaar 'rüber; er kann mit mir fahren.«

      6. Kapitel

      Auf dem Flugplatz in Johannisthal war es in den Vormittagsstunden stets sehr still. Der Lehrbetrieb pflegte, wenn nicht starker Nebel oder heftiger Wind es hinderte, in den frühesten Morgenstunden einzusetzen. Heute war ein schöner, klarer Morgen gewesen. Die Flugschüler, teils allein, teils unter Begleitung ihrer Lehrer, hatten fleißig geübt und erfreuten sich nun, nachdem sie noch eine Stunde theoretischen Unterricht genossen hatten, der wohlverdienten Ruhe. Einige saßen in der »Schwemme« des Flugplatzes, der kleinen Kneipe am alten Startplatz, in fröhlicher Unterhaltung bei einer Flasche Limonade und besprachen die kleinen Vorkommnisse des Tages . . . Es war heute ein Glückstag, denn es hatte gar kein »Kleinholz« gegeben.

      Nur ein Schaf war umgebracht worden. Die dummen Wollsäcke, die ein findiger Großschlächter ohne Aufsicht auf dem Flugplatz weiden ließ, hatten sich schon so sehr an den Lärm der Maschinen gewöhnt, daß sie gar nicht an Flucht dachten, als ein Flugzeug halb unfreiwillig zwischen ihnen landete und einen Hammel abmurkste . . . Jetzt erörterte man die Frage, ob der Fleischer für den Hammel Ersatz fordern könnte.

      In den Werkstätten wurde fleißig gearbeitet. Bald hier, bald dort hörte man einen Motor knattern und den Propeller sausen. Da wurden die Maschinen geprüft, die am Morgen benutzt worden waren, ob sie nicht irgendeinen Schaden erlitten hätten.

      Im Hangar der Rumpler-Werke lagen zwei junge Offiziere in bequemen Faulenzerstühlen und rauchten schweigend ihre Zigaretten . . . Endlich meinte der eine gähnend: »Wollen wir nicht ins Dorf gehen und uns einen dritten Mann zum Skat suchen? Das ist ja zum Auswachsen stumpfsinnig.«

      Der andere warf seinen Stummel weg und reckte stöhnend die Arme weit nach hinten. »Sie haben vollkommen recht, Griesheim . . . wenn ich das vorher gewußt hätte! Wissen Sie, wie ich mir das Leben hier vorgestellt habe? Wie einen frischen, fröhlichen Kampf, der alle Nerven anspannt.«

      »Lieber Wundt,« erwiderte der andere, »die Illusion habe ich mir schon vorher abgemacht. Ich war vorher hier auf dem Flugplatz und habe mir den Betrieb angesehen . . . Es war aber die einzige Möglichkeit, aus dem masurischen Nest weg und nach Berlin zu kommen. Wo bloß der Daumlehner bleibt? Der könnte ja den dritten Mann machen.«

      »Ganz ausgeschlossen, lieber Griesheim! Der sitzt irgendwo in einer Werkstatt und klaubt an einem Motor herum. Er ist ein Streber . . .«

      »Das dürfen Sie nicht sagen, Wundt! Das ist er nicht . . . aber er ist mit Leib und Seele dabei und hat ein merkwürdiges Verständnis für die Konstruktion der Motoren. Ich glaube, er kennt schon alle bis in die kleinsten Einzelheiten.«

      »Wenn ich das als den Zweck der Übung betrachten müßte,« erwiderte Wundt aufstehend, »dann hätte ich schon lange auf das Vergnügen verzichtet. Das ist Sache der Monteure. Meine Aufgabe ist das Fliegen . . . Ich weiß, was Sie mir erwidern wollen, aber das muß ich bestreiten. Wenn so eine Kanaille von Motor streikt, wenn ich tausend Meter hoch über der Erde schwebe, dann ist es ganz ausgeschlossen, daß ich trotz der schönsten Kenntnisse das Ding in Ordnung bringe. Dann heißt es kalt Blut bewahren und durch einen kühnen Gleitflug die Knochen heil auf die Mutter Erde hinabzubringen.«

      »Das ist ein Gesichtspunkt, den ich gelten lassen muß. Aber wenn Sie bei einem Überlandflug eine Panne haben . . .«

      »Dann telegraphiere ich zum nächsten Flugplatz und lasse mir die Monteure kommen. Nein, lieber Griesheim, ich halte es sogar für sehr nötig, zwischen Handwerk und Kunst eine scharfe Scheidelinie zu ziehen. Sonst hätte ich ja nicht brauchen Offizier zu werden, da hätte ich ja gleich die Schlosserlaufbahn einschlagen können.«

      »Hallo, Daumlehner,« rief er einem in den Hangar eintretenden Oberleutnant entgegen, »wie wäre es mit einem Dauerskat?«

      »Bedaure sehr . . . Ich bin eben beim Major gewesen und habe mir die Erlaubnis geholt, einen längeren Flug machen zu dürfen.«

      »Plagt Sie der Teufel? Jetzt gegen Mittag ist doch die gefährlichste Zeit . . . da gibt es böse Vertikalböen, sobald die Erde sich unter den Sonnenstrahlen erwärmt hat.«

      »Die will ich eben kennenlernen, um zu wissen, wie ich mich bei einem Überlandflug zu verhalten habe.«

      »Na, damit hat's doch noch lange Zeit.«

      »Im Gegenteil, ich beabsichtige sehr schnell mein Pilotenexamen zu machen, vielleicht schon heute gegen Abend.«

      Der Leutnant von Griesheim war auf ihn zugeschritten und hatte seine Hand gefaßt, um sie derb zu schütteln. »Meine besten Wünsche begleiten Sie, lieber Kamerad. Ich beneide Sie. Die Natur hat Ihnen große Gaben in die Wiege gelegt . . . Bärenkraft und kalte Besonnenheit. Schon beim dritten Aufstieg konnte man Ihnen die Maschine allein anvertrauen, vierzehn Tage später haben Sie sich das Flugzeugführerzeugnis erworben, und noch keinen Span Kleinholz haben Sie gemacht . . .«

      Wundt, der dabei stand, spuckte dreimal schnell aus, lief zur Wand des Schuppens und stieß mit dem Daumen dreimal dagegen. Die anderen beiden lächelten. Der Kamerad, der die kühnsten Gleitflüge ausführte, war abergläubisch wie ein altes Weib. Er stieg nie auf, wenn das Publikum ihm beim Start mit den Händen winkte oder Glückwünsche zurief. Und nirgends ist die abergläubische Furcht größer als bei den Fliegern. Die meisten tragen einen Talisman, einen Ring, ein Geldstück oder irgendeinen anderen Gegenstand, an dessen Wirkung sie felsenfest glauben, bis . . . ja, bis ein trauriges Ereignis diesen Glauben zerstört.

      Inzwischen hatten Monteure und Arbeiter nicht das der Militärverwaltung zur Verfügung gestellte Flugzeug aus dem Hangar gezogen, sondern eine neue, erst wenige Male geprüfte Maschine.

      »Was soll das bedeuten?« fragte Wundt erstaunt. »Haben wir noch ein zweites Flugzeug bekommen?«

      »Nein, meine Herren. Ich will es Ihnen unter strengster Diskretion verraten. Ich habe die Maschine gekauft. Wenn ich heute abend meinen Piloten mache, fliege ich morgen früh nach Königsberg. Ich bin bereits um Urlaub eingekommen und unternehme morgen die Fahrt auf mein eigenes Risiko.«

      Schweigend trat Griesheim zu ihm heran und drückte ihm die Hand. Draußen knatterte bereits der Motor . . . Daumlehner verschwand in seiner Kabine, um sich für die Fahrt umzukleiden . . . Dann kletterte er auf die Maschine. Der Monteur warf den Propeller an . . . Staub und Sand flog unter der Maschine weg nach hinten. Jetzt hatte der Motor seine volle Tourenzahl erreicht. Die Arbeiter ließen das Gefährt los . . . wie ein Auto fuhr es auf der glatten Bahn dahin, jetzt hob es sich vom Boden . . .

      »Der wird noch einmal grobes Geld verdienen, meine Herren«, wandte sich der graubärtige Monteur an die beiden Offiziere.


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